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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 36.1888

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Gute Fust linch im Schlaffimmer.
Ein Kapitel aus der Wohnungshygieine
von
Keinrich Wolpert.
(Alle Rechte Vorbehalten.)
Wer hätte noch nicht gehört, kalt zu schlafen sei gesünder als
in einem geheizten Zimmer? Fragt man warum, so wissen
manche die Antwort: „Wir atmen in kalter Luft mehr Sauer-
stoss." Ja, mit der sauerstoffreichen Luft im Freien und
der sauerstoffarmen in unseren Wohnräumen unterläuft viel
Täuschung. Sauerstoffreich und sauerstoffarm — das sind so die
Schlagwörter, die herhalten müssen. Und doch, wie unschuldig
ist an aller Luftverschlechterung die sauerstoffarme Luft!
Die Hygicine steht nicht mehr mit so vielen Leuten der Jetzt-
zeit auf dem Standpunkte Lavoisiers, welcher vor mehr als hundert
Jahren der Pariser medizinischen Gesellschaft die Sauerstoffab-
nahmc und Kohlensäurezunahme als die wahren Quellen der
Luftverschlechterung bezeichnen zu dürfen glaubte. Der Sauer-
stosfgehalt der normalen Luft beträgt 21 Raumprozcnt; er kann,
wenn die Luft in: übrigen völlig die gleiche bleibt, nach den
übereinstimmenden Bcobachtungsrcfultaten von Regnault und
Reiset auf 15 Prozent finken, ohne daß wir deswegen eine un-
angenehme Empfindung oder gar einen Nachteil für unsere
Gesundheit Hütten. Eine Luft, die weniger Sauerstoff enthält —
auf 15 Prozent hinunter kommt es in unseren Wohnungen gar
nicht — atmen wir nur beschleunigter. Sollte das nicht einen
gesundheitsschädigenden Einfluß haben? Die Bergluft ist eben-
falls sauerstoffarmer als die Luft der Ebene. Dennoch werden,
wie Erismann hervorhebt, die meisten Leute durch die Bergluft
in auffallender Weise gestärkt; dies sei wohl dem unverkenn-
baren Einfluß zuzuschreiben, welchen diese Luft auf die Beschleuni-
gung des Blutumlauss und die Anregung der Nerventhätig-
keit ausübt, wobei dann alle chemischen Prozesse im Organismus
— also besonders auch jene der Respiration (Atmen) und Per-
spiration (Hautausdünstung) — mit gesteigerter Energie vor sich
gehen. Es ist also ein mißglückter Begründungsversuch, welcher
uns den Nutzen des Kaltschlafens durch den größeren Sauer-
stoffgchalt darthun will. Die Lust im Zimmer gleicht in dieser
Beziehung der Bergluft, und gleicht ihr unr so mehr, je sauer-
stoffärmer sie ist. Aber daß Kaltschlafen gesund sei, hören die
Leute gern, weil eben zur Heizung Brennmaterial nötig ist, und
Brennmaterial kostet Geld.
Auch gute Zimmerluft bekommt man nicht umsonst, wenig-
stens nicht im Winter. Gute Luft kann kalt sein oder warm,
die kalte Außenluft im Winter ist an sich nicht ungesunder,
wenn auch weniger angenehm und wohlthuend als die warme
Außenluft im Sommer. Billig und schlecht ist dagegen, wie
wir des Näheren gleich sehen werden, die kalte Luft eines im
Winter nicht geheizten und doch bewohnten Zimmers. Warme
Zimmerluft bedingt eine relativ größere Reinheit und Güte.
Wir müssen es daher zu erreichen suchen, in unseren Aufenthalts-
räumen für das ganze Jahr gleich gute und während des Winters
sommerliche Zustände zu schaffen. Zu unseren Aufcnthaltsräumen
haben wir aber in erster Linie das Schlafzimmer zu rechnen:
«s gibt keinen zweiten Raum, in dem der Mensch eine gleich
lange Zeit während seines ganzen Lebens weilt.
Man kann cinräumcn, daß die Luft während des Winters im
Schlafzimmer nicht die gleich hohe Temperatur haben muß, wie in
unseren Wohnräumen, ja nicht einmal haben soll. Umgibt uns
doch daselbst eine Hülle, welche, ein ganz schlechter Wärmeleiter,
selbst an kalte Lust weit träger als irgendwelche Kleidung Wärme
von der Oberfläche des Körpers transmittirt. Aber viel geringer
darf die Temperatur des Schlafzimmers nicht sein. Verlangen
wir mit Recht im Winter für einen Wvhnraum die nämliche
Temperatur, welche er an einem angenehmen Sommertage besitzt
(ungefähr 20 Grad Celsius), so darf unser Schlafzimmer dann
ebenso warm sein, als bei offenem Fenster in einer schönen Sommer-
nacht (ungefähr 15 Grad Celsius). Vorzugsweise in einem Raume,
in welchem mehrere Personen schlafen, sollte die Einhaltung un-
gefähr dieses Wärmegrades womöglich unter keinen Umständen
außer acht gelassen werden. Denken wir uns in mittlere alltäg-
liche Verhältnisse. Aus ihrer Betrachtung werden wir ersehen, ob
bic Forderung gerechtfertigt und unumgänglich sein kann.
Eine kleine Familie, bestehend aus den beiden Eltern und
zwei oder drei Kindern, hat eine nicht überflüssig geräumige
Wohnung bezogen. Bei der Wahl des Schlafzimmers macht
mau keine Ausnahme vor der übrigen Welt: man nimmt dazu
«in kleineres der zur Verfügung stehenden Zimmer. Es mag
etwa 40 Kubikmeter groß sein. Hierin soll die Familie ihre
Nacht zubringen.
Im Sommer mag man die Nacht über das -Imster offen
lassen; während der kälteren Jahreszeit entschließt inan sich aber
schwer dazu. Außen sinkt dann das Thermometer leicht etwas
oder auch weit unter den Gefrierpunkt; die Temperatur im
Schlafzimmer bleibt dann konstant unter 5 Grad. Bei 5 Grad
können 10 Kubikineter Lnft nicht mehr als 67 Gramm, solguch
das Zimmer von 40 Kubikmeter Inhalt höchstens 4 x 07
— rund 270 Gramm Wasser in Danipfform aufnehmen. Aller
Wasferdampf, welchen man durch das Atmen oder sonst irgend-
wie darüber zusührt, verdichtet sich zu Wasser und schlügt sich
an den Wänden nieder. . . . , . „
Vor dein Schlafengehen unserer Familie fei die must ¬
durchschnittlich beträgt die relative Feuchtigkeit der Atmosphäre
60 bis 80 Prozent — nur etwa zur Hälfte nut Feuchtigkeit ge-
sättigt, ihr Gehalt an Wasferdampf betrage 270: 2 — 135 Gramm.
'Nicht ganz weitere 185 Gramm dürfen hinzu kommen, wenn die
Luft ihren Taupunkt nicht erreichen soll.
Der Mensch produzirt durchschnittlich m der stunde 50 Gramm
Wasferdampf durch die Thätigkeit von Lunge und Haut, folguch
die aus drei zählenden Gliedern (wir wollen die KlMer Zu-
sammen für eine volle Person rechnen) bestehende Mnnue
während eines neunstündigen Aufenthaltes rm Schlafzimmer
3 x (9 x 50) 1350 Gramm Wasferdampf.
In einen: Zimmer, welches einen hermetisch geschlossenen
Raum vorstellen würde, etwa in einem Blechkasten von Zimmer-

Illustrirte Melt.

grüße, hätten demnach 1350 — 135 — 1215 Gramm Wasser-
dampf sich als Wasser an den Wänden ausschciden müssen.
In unserem Falle steht die Sache fürs erste etwas anders.
Wir nehmen an, daß eine eben cingezogene Familie die erste
Nacht in dem Raume schläft. Die Wände mögen ausgetrocknct
fein. 1215 Gramm Waffer genügen dann nicht. Las ganze
Mauerwerk zu durchnässen; ja sie können cs in feiner ganzen
inneren Ausdehnung nicht einmal oberflächlich befeuchten. Wäh-
rend jedoch die relativ warmen Jnnenmauern von den mit
Feuchtigkeit gesättigten warmen Ausfcheidungsstoffen verschont
werden, kühlen sich letztere auf der kalten Außenmaucr ab und
verursachen auf der Innenfläche Taubildung, so daß der Luft-
durchgang gehemmt wird. Schon zeigt das Hygrometer nicht
mehr den für Zimmerluft normalen Wassergehalt von 40 bis
60 Prozent, sondern rückt dem Sättigungspunkt näher und
näher.
Bald ist die ganze Außenmaucr feucht, bald schlägt sich auch
Wasser an den inneren Wänden nieder. Ein Zimmer läßt sich
in dieser Hinsicht mit einem Blechkasten aber erst dann ver-
gleichen, wenn feine Umfassungsmauern naß sind.
Blechwände lassen keine Luft hindurchtreten, aber bei trockenen
Mauern wechselt während der kälteren Jahreszeit und auch ini
Sommer für gewöhnlich die Luft ohne unser Zuthun in der
Weife ein und aus, daß die kältere atmofphärische Luft infolge
ihres höheren spezifischen Gewichtes durch die Poren, welche sie
im unteren Teile der Mauern findet, in den geheizten. Raum
eingcpreßt wird, um wiederum einen Teil der spezifisch leichteren
Zimmerluft durch die Poren des oberen Teiles der Wände nach
außen zu verdrängen. Auf diese, im Sommer zuweilen auf die
umgekehrte Weise (oben Lufteintritt, unten Luftaustritt bei
wärmerer Außcnluft), geht viel Luft, bei hoher Temperatur-
differenz der Innen- und Außcnluft außerordentlich viel Luft
durch die Mauern hindurch. Es wäre ja schlimm um uns be-
stellt, hätte es mit der Ansicht der Zeit Benjamin Franklins
seine Richtigkeit, welcher 1785 in eineni Briefe an einen Freund
ganz allgemein das Zimmer mit einer geschlossenen Tabakdvfe
vergleicht und des weiteren meint, „es hat keine Ocffnung, durch
welche die Luft kommen kann, als das Schlüsselloch, das aber
auch noch die meiste Zeit mit einem Schieber versehen ist."
Durch die Mauern geht auch der natürliche Weg zum Abgang
der wärmeren irrespirabeln Produkte unserer Respiration und
Ausdünstung, welche, so weit schädlich, aus organischen Substanzen
bestehen, die zwar zurzeit durch die chemische Analyse noch nicht
dargestellt werden können, aber gleichwohl als die eigentliche
Quelle der Luftverschlechterung in bewohnten Räumen angesehen
werden müssen.
Als Maßstab für die Anhäufung dieser organischen Sub-
stanzen, aber auch nur als Maßstab gilt uns die in den vor-
kommenden Mengenverhältnissen ganz unschädliche Verminderung
des Sauerstoffs infolge Verbrauchs beim Atcmprozeß, oder die
ebenso harmlose Vermehrung der gleichzeitig mit jenen Produkten
ausgeschiedenen Kohlensäure. Die Lust in der Atmosphäre besitzt
durchschnittlich einen Kohlenfäuregehalt von 3 bis 5 Teilen auf
10,000 Teile. Steigt in geschlossenen Räumen der Kohlen-
säuregehalt über ungefähr 10 Teile auf 10,000 (1 pro Mille),
so ist nach den Untersuchungen Pettenkofers die betreffende Luft
in einer Weise verunreinigt, daß sie als Lungcnfpeise nicht weiter
gebraucht werden sollte, und jedenfalls zu längerem Aufenthalt,
also besonders auch fürs Schlafzimmer untauglich. Wie stehen
nun die Kohlensäureverhältnisse in unserem Schlafzimmer?
Ein Erwachsener atmet durchschnittlich in der Stunde mit un-
gefähr 1000 Atemzügen etwa 500 Liter Luft ein, und scheidet die
gleiche Menge Luft von 4 Prozent Kohlenfäuregehalt aus, also
500 : 25 — 20 Liter Kohlensäure. Von unserer Familie werden
folglich während der einen Nacht 3 x (9 x 20) — 540 Liter
Kohlensäure geliefert.
In einem 40 Kubikmeter großen, hermetisch geschlossenen
Raume, wie dem oben erwähnten Blechkasten, welchen wir uns
anfänglich mit reiner Außenluft ungefüllt denken, würden die
540 Liter Kohlensäure auf 40,000 Liter Luft sich verteilen, so-
mit immer 1 Liter Kohlensäure auf 40,000:540 — 74 Liter
Luft kommen, was einem dann vorhandenen Kohlensäuregehalte
von (1000 : 74) -f- 0,5 — 14 pro Mille entspräche. Dieser Kohlen-
säuregehalt wäre vierzehnmal höher, als zulässig.
Im wirklichen Schlafzimmer mit feinen ausgetrockncten
Mauern steht die Sache vorerst bei weitem nicht so schlimm, aber
auch nicht günstig. Zumal da nicht geheizt wird, geht der Luft-
wechsel sehr träge von statten, und hängt etwa ein Luftprüfer
an der Wand *), so zeigt er sicher eine merkliche Uebcrschreitung
der zulässigen Grenze des Kohlensäuregehaltes an.
Der natürliche Luftwechsel eines Zimmers wächst aber mit
dem größeren Unterschiede der Temperaturen, welche einerseits
im Zimmer und andererseits im Freien herrschen. Bedeutend
energischer ginge er vor sich, wenn durch Heizen die Differenz
der Temperaturen erhöht würde.
Glücklicherweise sind die Jnnenmauern noch trocken.
Bald wird's anders; allmälich zwar, aber schon nach einigen
Tagen zeigt der Luftprüfer noch höhere Kvhlmsäuregrade.
Schließlich sind die Wände durchfeuchtet; Wasser schlägt sich
an ihnen fortwährend nieder, die Luft kann nicht mehr durch.
Nasse Wände schließen luftdicht, sagt Erismann. „Sie lassen
weder die frische Luft von außen hereintretcn, noch geben sie der
verdorbenen Gelegenheit zu entweichen." Der Luftwechsel kann
in solchen Fällen nur durch die Fugen und Ritzen von Fenstern
und Thüren stattfinden, ist deshalb notwendigerweise bei weitem
nicht genügend.
Und gleichzeitig in anderer Beziehung geben die nassen Wände
des Schlafzimmers Anlaß zu Bedenken, welche nicht unterschätzt
werden dürfen. Nicht allein, daß die organischen Ausscheidungs-
stoffe, denen der Ausweg ins Freie versperrt ist, die Luft zum
Atmen untauglich machen, sie tragen des weiteren bedeutend da-

') Ein solcher Luftprüfer ä la Thermometer (wie überhaupt alle
Apparate zur Prüfung der Zimmcrlust auf Kohlensäure) findet sich
beschrieben aus Seite 1002 ff. des soeben in dritter Ausgabe erschienenen
Werkes: Prof. Ur. Wolpert, Theorie und Praxis der Ventilation und
Heizung. Mit 431 Illustrationen. Leipzig 1887; ferner in der für
ein größeres Publikum berechneten Broschüre: Prof. vr. Wolpert,
Sieben Abhandlungen aus der Wohnungshygieine. Mit 28 Illustra-
tionen. Leipzig 1887. Abhandlung I., Seite 16.

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durch zur Luftverunreinigung bei, daß sie sich an den Mauern
festsetzen und nach kurzer Zeit in Fäulnis übergehen. Auch
Schimmelbildung an den Wänden stellt sich dann leicht ein, be-
sonders an verdeckten Stellen, wie hinter den Betten, hinter
Waschtisch, Schrank, Spiegel, Bildern und so weiter. Ich habe
Gelegenheit gehabt, sogar durch das an Zwischenmauern nieder-
geschlagene Wasser die Schimmelbildung soweit vorgeschritten zu
finden, daß Bilder (Oeldrucke in Rahmen) besonders auf der
Rückseite, aber auch auf der Vorderseite von einer ganzen Pilz-
vegetation bevölkert waren. Das sind die Räume, welche natur-
gemäß jede ausbrechende Epidemie bei Auswahl ihrer Opfer
bevorzugt, hier werden ihr auf die zuvorkommendste Weise alle
Bedingungen des Lebens und der Fortpflanzung geboten.
Man glaube nicht, nur in der untersten Klasse unserer Be-
völkerung könnten solche oder auch nur nicht viel bessere Zustände
heimisch fein. Ich selbst habe in Schulen (zu Nürnberg) den
unglaublich großen Kohlenfäuregehalt von 10 pro Mille nach-
gewiesen, andere Beobachter, wie vr. Walter Hesse in Schwarzen-
berg, haben ebenfalls in Schulen einen gleich hohen Kohlen-
fäuregehalt konstatirt. Sollten in den durchschnittlich unverhältnis-
mäßig kleinen, im Winter nicht geheizten, nach einiger Zeit
wegen Annässuug der Wände fast gar nicht mehr ventilirteu
Schlajräumen unseres Mittelstandes ähnliche Verhältnisse zu den
Seltenheiten gehören? Wäre dem so! Bei den meisten von
uns wird ein Luftprüfer im Schlafzimmer morgens eine bedeu-
tende Ucberschreitung der zulässigen Grenze von 1 pro Mille
Kohlensäure anzeigcn.
Die Heizung des Schlafzimmers im Winter hat ihre mannig-
fachen großen Vorteile, wie wir gesehen haben. Aber die durch
eine größere Differenz der Temperaturen gehobene natürliche
Ventilation verschafft uns noch keine genügend reine Luft, wenn
das Zimmer klein ist. Für kleine Zimmer hat deswegen über-
haupt, und für weniger kleine mindestens im Sommer, wo zwar
einerseits die während eines längeren Tags intensivere Sonne
für Austrocknung der Mauern sorgt, andererseits aber die
Tcmperaturcndifferenz eine so geringe ist, zu der natürlichen eine
künstliche Ventilation hinzuzutretcn, deren wenigstens primitivste
Einrichtung für Schlafzimmer, in denen man nicht gut die Fenster-
während der Nacht offen lassen kann, wie für Wohnräume nicht
eindringlich genug aus Herz gelegt werden kann. Man bringt
einfach nahe der Decke eine Oesfnung von etwa 20 Ccntimeter
Weite im Schornstein an und versieht sie mit einer Klappe.
Die Klappe öffnet man, sobald der Luftprüfer schlechte Luft an-
zeigt, im Schlafzimmer beständig des Nachts. Steht das Schlaf-
zimmer mit dem Schornstein nicht in unmittelbarer Verbindung,
so kann man leicht eine mit Klappe versehene Verbinduugsröhre
von der gleichen Weite zuin Schornstein hinsührcn und ein-
münden lassen.
Diese einfachste Ventilationseinrichtung verursacht nur ein-
malige geringe Ausgaben und macht sich den Bewohnern bald
mit einer Aufbesserung ihrer gesundheitlichen Verhältnisse, mit
einer erhöhten Widerstandsfähigkeit gegen verschiedene Krankheiten
bezahlt. Man denke an ein beherzigenswertes Sprichwort der
Italiener: „Wo die Luft nicht hinkommt, da kommt der Arzt hin."

Iosiaim Karim ZMeyer,
Lrr Erfinder drr Wrllsprachr Vvlaxük.
Eine Skizze
vsu
Karl Götz.
(Porträt S. 60.)
Unser Jahrhundert gilt allgemein, und nicht niit Unrecht,
als das Jahrhundert großer, tiefgreifende Aenderungen im
Handel und Wandel der Menschen hervorbringender Erfindungen.
Sehen wir aber genauer zu, so müssen wir doch zugcstehen, daß
manche Erfindung eigentlich nur die endliche Lösung eines Pro-
blems ist, mit dem sich schon frühere Zeiten beschäftigt haben,
das aber nicht zur Verwirklichung gelangte. Eine derartige
Erfindung ist die des Volapük durch Pfarrer I. M. Schleyer.
Die Idee, die dem Volapük zu Grunde liegt, für die gesamte
Menschheit eine Sprache zu schaffen, ist ja in gewissem Sinne
schon durchgeführt, wir haben die arabische Zahlcnsprache, die
Notcnsprache und die Flaggenfprache. Weniger glücklich waren
die Bemühungen, die feit zwei Jahrhunderten für eine Welt-
sprache angestellt wurden. Schon Descartes hatte sich — in
richtiger Erkenntnis des unendlichen Wertes einer einzigen Ver-
kehrssprache — mit der Erfindung einer solchen beschäftigt, und
auch Lcibnitz hatte darauf — wenigstens nach feiner „Uistoria
st eommsnäs-tto ItnAuas obarnetoristieas univer8g,Its" zu
schließen — viel Mühe verwendet. Allein ebensowenig diese
beiden großen Denker zu einem Resultate gelangten, ebensowenig
Wert und praktische Ausführbarkeit hatten all die Versuche, die
im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert angestellt wurden.
Die meisten — wie die „Mso§raMe" des Don Sinibaldo de
Mas — leiden an dem gemeinsamen Fehler, zu schwer erlernbar
zu fein, andere, wie das neue „Weltdeutfch" oder „Weltlntcin",
sind nichts als eine unpraktische Verstümmlung ver betreffenden
Sprache, und vollends die „streng philosophische Kunstsprache"
des Russen Baranowsky ist für einen großen Teil des Volkes
unverständlich.
All diesen Systemen gegenüber erscheint das Schleyerfche so
einfach und leicht erlernbar, es weiß in solchem Maße das Beste
aus jeder Sprache zu benützen, daß es jedem, der einige indo-
germanische Sprachen kennt, als die beste Lösung dieser Frage
erscheinen muß.
Bevor wir zu einer Erläuterung seiner Sprache schreiten,
mögen hier einige Angaben über fein Leben und Wirken Platz
finden. Geboren wurde Schleyer zu Oberlauda am 18. Juli
1831 als das dritte Kind des jetzt noch bei seinem Sohne rüstig
arbeitenden ehemaligen badischen Hauptlehrers I. PH. Schleyer.
Wider den Willen seiner Eltern zum Studium bestimmt, besuchte
Schleyer das Gymnasium zu Tauberbischofsheim und Karlsruhe,
hörte in letzterer Stadt auch Vorlesungen über Chemie und
bezog in den Jahren 1852—55 die Universität Freiburg, um
 
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