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Gefühl leuchtete aus seinen Augen. Er drückte die Hand
auf die Brust, als wolle er die Schläge seines Herzens
zurückdrängen.
Eine Zeit lang blieben beide sich so stumm uud un-
beweglich gegenüber.
Es war ein wundersames Bild, diese schöne, reich ge-
schmückte Jungfrau im holden Reiz der aus den ver-
borgensten Tiefen ihrer Seele hervorbrechenden Liebe zu
sehen, wie sie sehnsüchtig ihre Arme erhob zu dem hohen
geistlichen Ritter im weißen Ordensmantel, der in der
Tiefe seines Herzens den glühenden Strom zu fühlen
schien, welcher aus ihren schimmernden Augen mit magneti-
scher Kraft zu ihm herüberflutete.
Endlich zuckte Winrich, wie aus einem Traum erwachend,
zusammen.
Ein Schauer lief durch seinen Körper, er beugte sich
zu Maria herab und ergriff ihre Hände, um sie von ihren
Knieen zn erheben.
„Und wenn ich, mein Fräulein," sagte er mit einer
von tiefer Bewegung zitternden Stimme, „wenn ich Euch
als geistlicher Diener des Herrn, als der Freund Eures
Vaters und als der Fürst Eures Landes dennoch bitte, dem
Prinzen Surville, der Eurer Liebe würdig ist. Eure Hand
zu reichen, auch wenn es ein Opfer wäre, würdet Ihr dieses
Opfer bringen, würdet Ihr meiner Bitte gehorchen?"
„Kann ich anders," erwiderte Maria, indem sie mit
unbeschreiblichem Ausdruck zu ihm aufsah, „befehlt, hoher
Herr, Eure Magd wird sich in Gehorsam Eurem Willen
beugen."
Sie drückte ihre glühenden Lippen auf des Meisters
Hand.
Schnell trat Winrich zurück, und indem er, die Hand
nach ihrer Stirn hin ausstreckend, sie mit dem Zeichen des
Kreuzes segnete, sprach er:
„So lebt denn Wohl, vergeßt diese Stunde nicht, ich
werde Gott bitten, daß er den edlen Jüngling, den Ihr
zu ihm geführt, durch Eurer Liebe holde Blüten beglücken
möge."
Er wendete sich znm Gehen, während Maria, die
Arme über ihrer wogenden Brust gekreuzt, gesenkten
Hauptes dastand.
In der Thür begegnete Winrich dem Ritter von Als-
leben, welcher, von einem Ritt zurückkehrend, herbeieilte,
den Hochmeister zu begrüßen.
Hastiger als es sonst seine Art war, teilte Winrich
dem Herrn von Alsleben die näheren Umstände der Ge-
fangennehmung des Herzogs Kynstud, von der dieser schon
unterwegs gehört hatte, sowie die Werbung Survilles
init. Er sagte ihm, daß Maria ihm zugesagt, dem Prinzen
die Hand zu reichen, sobald dieser die heilige Taufe em-
pfangen haben würde, und ließ dann den alten Herrn,
der ihn bis zur Thür des Hauses geleitete, in nicht ge-
ringer Verwirrung über diese wunderbaren und außer-
ordentlichen Dinge, die ihn so nahe berührten und von
denen er so gar nichts geahnt hatte.
Winrich aber ritt nach dem Schlosse zurück, und wäh-
rend in allen Räumen des weiten Baues reges Leben
herrschte, um die Aufnahme der zurückkehrenden fremden
Ritter vorzubereiten und dem gefangenen Lithauerherzog
eine würdige und sichere Wohnung zu gewähren, beugte
der Hochmeister das Knie vor dem Bilde der heiligen
Jungfrau, der Schuhherrin seines Ordens.
Leise klang es, während er die gefalteten Hände zu
dem Heiligenbilde erhob, von seinen Lippen:
„Schütze mich, gnadenreiche Königin des Himmels, vor
allem, was irdisch ist, erhalte meine Seele rein und stark
in der heiligen Liebe zu dir allein, daß ich würdig bleibe
deines Schuhes, den du so herrlich deinem Ritter gewährt
hast." (Fortsetzung folgt)
TitNst-Kars miil ile Mm mmsm zilr KümMmig
gkflllli't.
«Bild S. 5SS.)
Seit dem Sturze des Oberintendanten Le Vieuville im Jahre
1624 hatte der Kardinal Richelieu als Premierminister die Re-
gierung, besser wohl gesagt die Herrschaft, über Frankreich mit
starker Hand ergriffen. Sein Ziel war vornehmlich, die Macht
der großen Vasallen zu brechen, seine Bestrebungen nur auf das
Wohl Frankreichs und der Kirche gerichtet. Nach einem unaus-
gesetzten Kampfe gegen den Hof, die Königin Anna, die Prinzen
des königlichen Hauses, ja gegen den schwachen Louis XIII. selbst,
der wiederholt den Versuch gemacht, die ihn demütigende, aber
ihm ganz unentbehrliche Herrschaft Richelicus abzuschütteln, hatte
der große Kardinal nach vierzehnjährigen Anstrengungen und
Mühen das vorgesteckte Ziel im großen und ganzen erreicht.
Zahlreiche gegen ihn gerichtete Verschwörungen, in welche Mit-
glieder der königlichen Familie, an der Spitze Anna von Oester-
reich mit ihren vornehmsten Damen, der Bruder des Königs,
Gaston von Orleans, tief verwickelt waren, hatte Richelieu im
entscheidenden Augenblicke zum scheitern gebracht und mit der
Hinrichtung der vornehmsten Rädelsführer aus den Reihen des
Adels, wie Chalais, Montmorency und andere, sowie mit der
Verbannung der Königin-Mutter, Marie von Medicis, Gastons
von Orleans, der Herzogin von Chevrense und so weiter bestraft.
Im Jahre 1638 war dem Kardinal, der niemals besonderes
Glück bei den Frauen gehabt, m der Person des Fräuleins von
Hautefort, einer Hofdame der Königin Anna und dieser blind
Illustrrrte Melt.
ergeben, eine gefährliche Feindin erstanden, um so gefährlicher,
da der König diese junge Dame mit aller Leidenschaft liebte,
zu welcher das Herz dieses schwachen, kindischen Mannes fähig
war. Es war diese Liebe des Königs zu der schönen Hautefort
übrigens für die Tugend der Dame außerordentlich ungefährlich
und sehr harmlos. Der König, bekanntlich ein leidenschaftlicher
Jäger, begnügte sich damit, die Angebetete seines Herzens mit
den Erlebnissen und Vorgängen auf seinen Jagden zu unter-
halten. Richelieu, der schon cinigemalc vergeblich versucht hatte,
Fräulein von Hautefort der Königin abwendig zu machen und
in seine Interessen herllberzuziehen, beschloß, ihr einen Mit-
bewerber um die Gunst des Königs gegenüberzustellen, und berief
deshalb im Frühjahr 1638 den jungen, achtzehnjährigen Henri
d'Efsiat, Marquis von Cing-Mars, an den Hof. Der junge
Marquis, ein Sohn des verstorbenen Marschalls d'Efsiat, eines
treuen Freundes des Kardinals, war ein schöner, feuriger junger
Mann, ein glänzender Kavalier, dem es in kurzer Zeit gelang,
die Zuneigung des Königs zu gewinnen, welcher sich in dem
fröhlichen, witzigen Verkehr mit dem neuen Günstling, der außer-
dem ein vorzüglicher Jäger war, besser amüsirte, als bei dem
mehr oder weniger langweiligen Zusammensein mit der kalten,
grausamen Hautefort. Sobald Richelieu merkte, daß der Ein-
fluß des Fräulein von Hautefort durch Cinq-Mars bedeutend
abgeschwächt worden, denunzirte er dieselbe dem König als Ver-
mittlerin zwischen der Königin, Monsieur Bruder des Königs
und dem verbannten Grafen von Soissons. Ludwig XIII. gab
wie gewöhnlich nach und Fräulein von Hautefort mußte den Hof
verlassen. Cinq-Mars gewann nun überraschend schnell die volle
Gunst des Königs; wollüstig, lebensfroh, prachtliebend, ungestüm,
mit Neigungen, welche denen des Königs schnurstracks entgegen-
gesetzt waren, zog er diesen immer mehr an sich, gerade durch
diesen Gegensatz. Oft geriet er mit dem König infolge feines
Widerspruchsgeistes, seiner Zornausbrüche in hestigen Zank und
Streit, der meistens recht kindisch war, aber in die entsetzliche
Langeweile der Existenz des armen Königs eine wohlthätige Ab-
wechslung brachte, welche diesen nur noch fester an feinen Lieb-
ling fesselte. Cinq-Mars wurde bereits im Jahre 1639 zum
Groß-Stallmeister ernannt; sein Ehrgeiz, der maßlos geworden,
ebenso wie feine Ansprüche, infolge der Gunst des Königs, strebte
nun nach einen: der großen Militärkommandos, und als Richelieu
mit verächtlicher Strenge ihn wegen dieser thörichten Prätentionen
behandelte, vergaß Cinq-Mars alles, was er und feine Familie
der Güte des Kardinals zu verdanken hatten, und wurde der
größte, erbittertste Feind seines Wohlthäters. Er kam von nun
an den ihn: bereits früher gemachten heimlichen Anträgen des
Grafen von Soissons und des Herzogs von Orleans bereitwilligst
entgegen.
Richelieu blieben diese neuen Jntriguen nicht lange verborgen,
doch fühlte er, daß bei der großen Liebe des Königs für Cinq-Mars
es ihm nicht so leicht gelingen würde, den Günstling zu stürzen;
er mußte sich also — zum erstenmale, seitdem er die Geschicke
Frankreichs lenkte — entschließen, zu laviren, anstatt das Hindernis
mit einen: Schlage zu zerschmettern. Cinq-Mars hatte es sogar
so weit gebracht, daß er bei den geheimen Beratungen zwischen
Richelieu und dem König im Zimmer blieb, bis ihn der Kardinal
eines Tages in der verächtlichsten Weise behandelte und auf seiner
Entfernung aus dem Zimmer bestand. Der König wagte nicht,
sich seinen: Minister zu widersetzen, so daß der Günstling weichen
mußte. In seiner Wut verband sich Cinq-Mars mit Herrn
von Fontreilles zur Ermordung des Kardinals, in der Hoffnung,
der Nachfolger desselben zu werden; als indes der König, der
vielleicht Kenntnis von den Absichten des Marquis erhalten, ihn:
eines Tages so beiläufig bemerkte, daß er ihn niemals zu seinem
Minister ernennen würde, sollte Richelieu sterben, ließ Cinq-Mars
das Projekt wieder fallen. Er verband sich dafür enger mit
Gaston von Orleans und den: Herzog von Bouillon zum Sturze
des Kardinals mit Hilfe Spaniens. Der Vermittler bei diesen
Unterhandlungen war sein intimer Freund, Francs de Thon,
ein Sohn des berühmten Geschichtsschreibers de Thou. Francois
de Thou, Staatsrat, war ein Mann von Geist und großen Kennt-
nissen und früher sehr bevorzugt von Richelieu; er hatte sich
jedoch in die Kabalen der Herzogin von Chevreuse eingelassen,
war seitdem vom Kardinal einfach vergessen worden und. zählte
fortan zu dessen Feinden. Trotzdem sprach er sich sehr entschieden
gegen die Ermordung des Ministers aus, worauf der Herzog
von Bouillon den Marquis und Gaston von Orleans drängte,
mit Spanien zu unterhandeln, um mit Hilfe spanischer Truppen
Richelieu zu stürzen. Im Dezember 1641 erkrankte der König
ernstlich, der Kardinal bot, um ihn von: Hofe zu entfernen,
Cinq-Mars das Gouvernement der Touraine an, was dieser
indes ausjchlug. Als der König genesen, machte der ganze Hof
eine Reise nach der Provinz Roussillon, Louis blieb in Narbvnne,
während der Kardinal, ebenfalls in hohen: Grade leidend und
entkräftet, die Bäder von Tarascon gebrauchte. Während des
Frühjahrs hatten Cinq-Mars, der Herzog von Bouillon und
Gaston von Orleans mit Spanien einen Vertrag über Stellung
von Truppen und Leistung von Subsidien zur Bekämpfung
Richelicus abgeschlossen. Dieser Vertrag war durch den Marschall
von Schömberg dem Kardinal verraten worden, der im Juni
1642 den ihn: treu ergebenen Grafen von Champigny mit einer
Abschrift desselben zum König nach Narbvnne sandte. Louis
eilte sofort nach Tarascon, erschreckt durch diese Vorgänge, ver-
sicherte Richelieu seiner unerschütterlichen Zuneigung, erteilte ihm
unbeschränkte Vollmacht und kehrte nach einigen Tagen wieder
nach Narbvnne zurück, gefolgt von Cinq-Mars, der so fest auf
die Liebe des Königs baute, daß er nicht einmal die Gelegen-
heit benützte, zu entfliehen, obschon er wußte, daß er und seine
Genossen verraten waren. Champigny erhielt mit Hilfe des
Pater Sirmond, des Beichtvaters des Königs, am 12. Juni den
Verhaftsbefehl gegen Cinq-Mars, der sich nun endlich entschlossen,
zu fliehen, als es zu spät war ; er hatte sich bei einen: Bürger
in Narbvnne verborgen, der ihn verriet, als Champigny mit
seinen Leuten erschien, um Cinq-Mars zu verhaften und nach
Montpellier zu transportircn, während der gleichfalls verhaftete
Le Thou im Schlosse von Tarascon untergebracht wurde.
An: 17. August verließ Richelieu Tarascon, um sich zu
Schiffe nach Lyon zu begeben, in einer zweiten Barke seine beiden
Gefangenen, Cinq-Mars und de Thou, im Schlepptau mit sich
führend. Der Kardinal war bereits so schwach, daß er nur ganz !
kurze Tagreisen machen konnte, so daß er erst am 3. September
in Lyon eintraf, wo gleich in den nächsten Tagen der Gerichts-
hof zusammentrat, um über die beiden Gefangenen abzuurteilen.
Cinq-Mars war rettungslos verloren. Sowohl der Herzog
von Bouillon wie auch Gaston von Orleans — dieser feige Prinz,
der bisher noch alle diejenigen verraten hatte, die so unvorsichtig
gewesen waren, sich mit ihm in Verschwörungen gegen Richelieu
einzulassen — hatten alles eingcstanden und Cinq-Mars ver-
raten, um den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. De Thou
war nur schuldig, den Vermittler zwischen Cinq-Mars und den
beiden Herzogen gemacht zu haben, an dem Vertrage mit Spanien
war er nicht beteiligt, obschon er um denselben gewußt. Weil
er aber stillgeschwiegm, diese Handlung des Hochverrats seines
Freundes nicht zur Anzeige gebracht hatte, wurde er ebenso wie
Cinq-Mars wegen Hochverrats zum Tode verurteilt am 12. Sep-
tember 1642. Richelieu bestätigte den Urteilsspruch, der Gedanke
an die Gefahr, welche sein System mehr als seine eigene Person
gelaufen, machte ihn unerbittlich. Diese Härte bei einem Manne,
der so leidend und schwach geworden, daß man ihn füglich einen
Sterbenden nennen konnte, wäre erschreckend und würde von einem
sehr gehässigen Charakter zeugen, wenn es sich nur um die Person
des Kardinals gehandelt hätte, aber alles, was der große Mann
seit zwanzig Jahren für Frankreich gethan, stand auf dem Spiele,
war in Gefahr geraten durch die Pläne von Cinq-Mars und
seinen Verbündeten. Man kann die Unklugheit der beiden Freunde
beklagen, namentlich von de Thon, der die Thorheit begangen,
die Geschicke seines Vaterlandes aufhalten zu wollen, und bei
diesem Versuche von den Rädern der Staatsmaschine zermalmt
wurde; Cinq-Mars jedoch hatte für seinen Hochverrat vollkommen
die Strafe verdient, die er sowohl wie sein Freund am Tage
der Urteilsfällung selbst mit christlicher Fassung und edler Resig-
nation auf den: Schafott erduldeten. Beide waren mehr oder
weniger Verbrecher an dem Frieden, dem Glücke ihres Vater-
landes, nicht aber Märtyrer, als welche sie von späteren Geschichts-
schreibern, oder wohl mehr Romanciers, hingestellt worden sind.
Richelieu überlebte seine beiden letzten Opfer nur wenige
Monate, er starb an: 4. Dezember 1642.
Dkr in KirMrg.
(Bild S. 5Z7.)
Im Dorfe Kirchberg bei Kitzbüchel in Tirol findet alljährlich
an: Fronlcichnamstag eine Prozession statt, deren Ursprung auf
eine Episode des dreißigjährigen Krieges zurückgeleitet wird.
Schwedische Reiter sollen damals auf einer Streifpartic in
diese Gegend eingefallen und von den vereinigte:: Bauern der
Dörfer Kirchberg, Lauterbach und Westendorf, welche sich in
Eile beritten gemacht, unweit Kirchberg nach blutigem Kampfe
zurückgeschlagen worden sein.
Zum Gedächtnis an diesen Sieg nun findet die von dem
Zeichner unseres Bildes nach der Natur wiedergegcbcne Pro-
zession statt. Die Bauern der genannten Dörfer begeben sich,
angeführt von ihrer Geistlichkeit, beritten nach der Kapelle, dis
als der Ort bezeichnet wird, wo der denkwürdige Kampf ge-
stritten wurde. Dort angelangt, wird ein Gottesdienst abgehalten,
der mit feierlicher Segenspendung schließt.
Die derben Reitergestalten in der Buntheit ihrer Trachten,
die rauschenden Klänge der Musik, die flatternden Kirchcnfahnen,
die reichgeschmückten, oft mit uraltem Zeug aufgezäumten Rosse
geben der stattlichen Prozession ein eigenartiges Gepräge, das
auf den mannhaften Sinn der Tiroler von großer Wirkung ist.
Alljährlich versammelt sich denn auch stets eine Menge von
Zuschauern um das kleine, hochgelegene Kirchlein, dessen Thür
eine bildliche Darstellung der Waffenthat krönt. Unter den:
Bilde ist zn lesen:
„Bis hicber und nicht weiter
Kamen die schwedischen Reiter."
Mm IlliiseiMm Koffager in Eliartotieiiliurg.
(Bild-r S. L4V.)
Wir bringen hier zwei Bilder von der Residenz des Kaisers
in Charlottenburg. Die erste Illustration zeigt uns einen
Salon, der als Fremdenzimmer bezeichnet werden kann. Er
diente auch der Königin Viktoria von England zum Aufenthalt.
Der Nanm ist neu aufgefrischt worden, hat aber im großen
und ganzen den Charakter der Zeit der Königin Luise beibehalten
Heitere, lichte Pracht und Eleganz ist sein Grundton. — Das
untere Bild steht unter dem Schatten der schweren Erkrankung,
mit welcher Kaiser Friedrich so heldenmütig kämpft. Wir sehen
hier die von ungünstigen Nachrichten erregte Volksmenge, welche
den Wagen Bismarcks, der eben das schloß verläßt, aufhält,
um den Kanzler nach dein Befinden des Kaisers zu fragen.
Fürst Bismarck gibt stets wahrheitsgetreue und doch tröstliche
Auskunft.
Milde Seide.
Im Kapitel der wilden Seiden ist, wie O. N. Witt berichtet,
ein Fortschritt zu verzeichnen, indem es gelungen ist, aus den
Cocons von Orieula, tritsnestrata eine vorzügliche Faser durch
Karden und Kämmen zu gewinnen. Der genannte Seidenspinner
lebt in ungeheuren Mengen in gewissen, namentlich den heißesten,
Teilen Indiens. Seine gesellig lebende Raupe ist eine Plage
der Mangoplantagen, während die ebenfalls gesellig gesponnenen
Cocons in Gebilden von der Form uud Größe einer Gurke an
den Bäumen hängen und leicht eingesammelt werden können.
Da das Tier im stände ist , in einem Jahre acht bis zwölf
Generationen zu erleben, so ist es äußerst produktiv, und die jetzt
gelungene Gewinnung seiner Faser bedeutet daher die Erschließung
einer neuen und überreichen Seidcnquelle.
Gefühl leuchtete aus seinen Augen. Er drückte die Hand
auf die Brust, als wolle er die Schläge seines Herzens
zurückdrängen.
Eine Zeit lang blieben beide sich so stumm uud un-
beweglich gegenüber.
Es war ein wundersames Bild, diese schöne, reich ge-
schmückte Jungfrau im holden Reiz der aus den ver-
borgensten Tiefen ihrer Seele hervorbrechenden Liebe zu
sehen, wie sie sehnsüchtig ihre Arme erhob zu dem hohen
geistlichen Ritter im weißen Ordensmantel, der in der
Tiefe seines Herzens den glühenden Strom zu fühlen
schien, welcher aus ihren schimmernden Augen mit magneti-
scher Kraft zu ihm herüberflutete.
Endlich zuckte Winrich, wie aus einem Traum erwachend,
zusammen.
Ein Schauer lief durch seinen Körper, er beugte sich
zu Maria herab und ergriff ihre Hände, um sie von ihren
Knieen zn erheben.
„Und wenn ich, mein Fräulein," sagte er mit einer
von tiefer Bewegung zitternden Stimme, „wenn ich Euch
als geistlicher Diener des Herrn, als der Freund Eures
Vaters und als der Fürst Eures Landes dennoch bitte, dem
Prinzen Surville, der Eurer Liebe würdig ist. Eure Hand
zu reichen, auch wenn es ein Opfer wäre, würdet Ihr dieses
Opfer bringen, würdet Ihr meiner Bitte gehorchen?"
„Kann ich anders," erwiderte Maria, indem sie mit
unbeschreiblichem Ausdruck zu ihm aufsah, „befehlt, hoher
Herr, Eure Magd wird sich in Gehorsam Eurem Willen
beugen."
Sie drückte ihre glühenden Lippen auf des Meisters
Hand.
Schnell trat Winrich zurück, und indem er, die Hand
nach ihrer Stirn hin ausstreckend, sie mit dem Zeichen des
Kreuzes segnete, sprach er:
„So lebt denn Wohl, vergeßt diese Stunde nicht, ich
werde Gott bitten, daß er den edlen Jüngling, den Ihr
zu ihm geführt, durch Eurer Liebe holde Blüten beglücken
möge."
Er wendete sich znm Gehen, während Maria, die
Arme über ihrer wogenden Brust gekreuzt, gesenkten
Hauptes dastand.
In der Thür begegnete Winrich dem Ritter von Als-
leben, welcher, von einem Ritt zurückkehrend, herbeieilte,
den Hochmeister zu begrüßen.
Hastiger als es sonst seine Art war, teilte Winrich
dem Herrn von Alsleben die näheren Umstände der Ge-
fangennehmung des Herzogs Kynstud, von der dieser schon
unterwegs gehört hatte, sowie die Werbung Survilles
init. Er sagte ihm, daß Maria ihm zugesagt, dem Prinzen
die Hand zu reichen, sobald dieser die heilige Taufe em-
pfangen haben würde, und ließ dann den alten Herrn,
der ihn bis zur Thür des Hauses geleitete, in nicht ge-
ringer Verwirrung über diese wunderbaren und außer-
ordentlichen Dinge, die ihn so nahe berührten und von
denen er so gar nichts geahnt hatte.
Winrich aber ritt nach dem Schlosse zurück, und wäh-
rend in allen Räumen des weiten Baues reges Leben
herrschte, um die Aufnahme der zurückkehrenden fremden
Ritter vorzubereiten und dem gefangenen Lithauerherzog
eine würdige und sichere Wohnung zu gewähren, beugte
der Hochmeister das Knie vor dem Bilde der heiligen
Jungfrau, der Schuhherrin seines Ordens.
Leise klang es, während er die gefalteten Hände zu
dem Heiligenbilde erhob, von seinen Lippen:
„Schütze mich, gnadenreiche Königin des Himmels, vor
allem, was irdisch ist, erhalte meine Seele rein und stark
in der heiligen Liebe zu dir allein, daß ich würdig bleibe
deines Schuhes, den du so herrlich deinem Ritter gewährt
hast." (Fortsetzung folgt)
TitNst-Kars miil ile Mm mmsm zilr KümMmig
gkflllli't.
«Bild S. 5SS.)
Seit dem Sturze des Oberintendanten Le Vieuville im Jahre
1624 hatte der Kardinal Richelieu als Premierminister die Re-
gierung, besser wohl gesagt die Herrschaft, über Frankreich mit
starker Hand ergriffen. Sein Ziel war vornehmlich, die Macht
der großen Vasallen zu brechen, seine Bestrebungen nur auf das
Wohl Frankreichs und der Kirche gerichtet. Nach einem unaus-
gesetzten Kampfe gegen den Hof, die Königin Anna, die Prinzen
des königlichen Hauses, ja gegen den schwachen Louis XIII. selbst,
der wiederholt den Versuch gemacht, die ihn demütigende, aber
ihm ganz unentbehrliche Herrschaft Richelicus abzuschütteln, hatte
der große Kardinal nach vierzehnjährigen Anstrengungen und
Mühen das vorgesteckte Ziel im großen und ganzen erreicht.
Zahlreiche gegen ihn gerichtete Verschwörungen, in welche Mit-
glieder der königlichen Familie, an der Spitze Anna von Oester-
reich mit ihren vornehmsten Damen, der Bruder des Königs,
Gaston von Orleans, tief verwickelt waren, hatte Richelieu im
entscheidenden Augenblicke zum scheitern gebracht und mit der
Hinrichtung der vornehmsten Rädelsführer aus den Reihen des
Adels, wie Chalais, Montmorency und andere, sowie mit der
Verbannung der Königin-Mutter, Marie von Medicis, Gastons
von Orleans, der Herzogin von Chevrense und so weiter bestraft.
Im Jahre 1638 war dem Kardinal, der niemals besonderes
Glück bei den Frauen gehabt, m der Person des Fräuleins von
Hautefort, einer Hofdame der Königin Anna und dieser blind
Illustrrrte Melt.
ergeben, eine gefährliche Feindin erstanden, um so gefährlicher,
da der König diese junge Dame mit aller Leidenschaft liebte,
zu welcher das Herz dieses schwachen, kindischen Mannes fähig
war. Es war diese Liebe des Königs zu der schönen Hautefort
übrigens für die Tugend der Dame außerordentlich ungefährlich
und sehr harmlos. Der König, bekanntlich ein leidenschaftlicher
Jäger, begnügte sich damit, die Angebetete seines Herzens mit
den Erlebnissen und Vorgängen auf seinen Jagden zu unter-
halten. Richelieu, der schon cinigemalc vergeblich versucht hatte,
Fräulein von Hautefort der Königin abwendig zu machen und
in seine Interessen herllberzuziehen, beschloß, ihr einen Mit-
bewerber um die Gunst des Königs gegenüberzustellen, und berief
deshalb im Frühjahr 1638 den jungen, achtzehnjährigen Henri
d'Efsiat, Marquis von Cing-Mars, an den Hof. Der junge
Marquis, ein Sohn des verstorbenen Marschalls d'Efsiat, eines
treuen Freundes des Kardinals, war ein schöner, feuriger junger
Mann, ein glänzender Kavalier, dem es in kurzer Zeit gelang,
die Zuneigung des Königs zu gewinnen, welcher sich in dem
fröhlichen, witzigen Verkehr mit dem neuen Günstling, der außer-
dem ein vorzüglicher Jäger war, besser amüsirte, als bei dem
mehr oder weniger langweiligen Zusammensein mit der kalten,
grausamen Hautefort. Sobald Richelieu merkte, daß der Ein-
fluß des Fräulein von Hautefort durch Cinq-Mars bedeutend
abgeschwächt worden, denunzirte er dieselbe dem König als Ver-
mittlerin zwischen der Königin, Monsieur Bruder des Königs
und dem verbannten Grafen von Soissons. Ludwig XIII. gab
wie gewöhnlich nach und Fräulein von Hautefort mußte den Hof
verlassen. Cinq-Mars gewann nun überraschend schnell die volle
Gunst des Königs; wollüstig, lebensfroh, prachtliebend, ungestüm,
mit Neigungen, welche denen des Königs schnurstracks entgegen-
gesetzt waren, zog er diesen immer mehr an sich, gerade durch
diesen Gegensatz. Oft geriet er mit dem König infolge feines
Widerspruchsgeistes, seiner Zornausbrüche in hestigen Zank und
Streit, der meistens recht kindisch war, aber in die entsetzliche
Langeweile der Existenz des armen Königs eine wohlthätige Ab-
wechslung brachte, welche diesen nur noch fester an feinen Lieb-
ling fesselte. Cinq-Mars wurde bereits im Jahre 1639 zum
Groß-Stallmeister ernannt; sein Ehrgeiz, der maßlos geworden,
ebenso wie feine Ansprüche, infolge der Gunst des Königs, strebte
nun nach einen: der großen Militärkommandos, und als Richelieu
mit verächtlicher Strenge ihn wegen dieser thörichten Prätentionen
behandelte, vergaß Cinq-Mars alles, was er und feine Familie
der Güte des Kardinals zu verdanken hatten, und wurde der
größte, erbittertste Feind seines Wohlthäters. Er kam von nun
an den ihn: bereits früher gemachten heimlichen Anträgen des
Grafen von Soissons und des Herzogs von Orleans bereitwilligst
entgegen.
Richelieu blieben diese neuen Jntriguen nicht lange verborgen,
doch fühlte er, daß bei der großen Liebe des Königs für Cinq-Mars
es ihm nicht so leicht gelingen würde, den Günstling zu stürzen;
er mußte sich also — zum erstenmale, seitdem er die Geschicke
Frankreichs lenkte — entschließen, zu laviren, anstatt das Hindernis
mit einen: Schlage zu zerschmettern. Cinq-Mars hatte es sogar
so weit gebracht, daß er bei den geheimen Beratungen zwischen
Richelieu und dem König im Zimmer blieb, bis ihn der Kardinal
eines Tages in der verächtlichsten Weise behandelte und auf seiner
Entfernung aus dem Zimmer bestand. Der König wagte nicht,
sich seinen: Minister zu widersetzen, so daß der Günstling weichen
mußte. In seiner Wut verband sich Cinq-Mars mit Herrn
von Fontreilles zur Ermordung des Kardinals, in der Hoffnung,
der Nachfolger desselben zu werden; als indes der König, der
vielleicht Kenntnis von den Absichten des Marquis erhalten, ihn:
eines Tages so beiläufig bemerkte, daß er ihn niemals zu seinem
Minister ernennen würde, sollte Richelieu sterben, ließ Cinq-Mars
das Projekt wieder fallen. Er verband sich dafür enger mit
Gaston von Orleans und den: Herzog von Bouillon zum Sturze
des Kardinals mit Hilfe Spaniens. Der Vermittler bei diesen
Unterhandlungen war sein intimer Freund, Francs de Thon,
ein Sohn des berühmten Geschichtsschreibers de Thou. Francois
de Thou, Staatsrat, war ein Mann von Geist und großen Kennt-
nissen und früher sehr bevorzugt von Richelieu; er hatte sich
jedoch in die Kabalen der Herzogin von Chevreuse eingelassen,
war seitdem vom Kardinal einfach vergessen worden und. zählte
fortan zu dessen Feinden. Trotzdem sprach er sich sehr entschieden
gegen die Ermordung des Ministers aus, worauf der Herzog
von Bouillon den Marquis und Gaston von Orleans drängte,
mit Spanien zu unterhandeln, um mit Hilfe spanischer Truppen
Richelieu zu stürzen. Im Dezember 1641 erkrankte der König
ernstlich, der Kardinal bot, um ihn von: Hofe zu entfernen,
Cinq-Mars das Gouvernement der Touraine an, was dieser
indes ausjchlug. Als der König genesen, machte der ganze Hof
eine Reise nach der Provinz Roussillon, Louis blieb in Narbvnne,
während der Kardinal, ebenfalls in hohen: Grade leidend und
entkräftet, die Bäder von Tarascon gebrauchte. Während des
Frühjahrs hatten Cinq-Mars, der Herzog von Bouillon und
Gaston von Orleans mit Spanien einen Vertrag über Stellung
von Truppen und Leistung von Subsidien zur Bekämpfung
Richelicus abgeschlossen. Dieser Vertrag war durch den Marschall
von Schömberg dem Kardinal verraten worden, der im Juni
1642 den ihn: treu ergebenen Grafen von Champigny mit einer
Abschrift desselben zum König nach Narbvnne sandte. Louis
eilte sofort nach Tarascon, erschreckt durch diese Vorgänge, ver-
sicherte Richelieu seiner unerschütterlichen Zuneigung, erteilte ihm
unbeschränkte Vollmacht und kehrte nach einigen Tagen wieder
nach Narbvnne zurück, gefolgt von Cinq-Mars, der so fest auf
die Liebe des Königs baute, daß er nicht einmal die Gelegen-
heit benützte, zu entfliehen, obschon er wußte, daß er und seine
Genossen verraten waren. Champigny erhielt mit Hilfe des
Pater Sirmond, des Beichtvaters des Königs, am 12. Juni den
Verhaftsbefehl gegen Cinq-Mars, der sich nun endlich entschlossen,
zu fliehen, als es zu spät war ; er hatte sich bei einen: Bürger
in Narbvnne verborgen, der ihn verriet, als Champigny mit
seinen Leuten erschien, um Cinq-Mars zu verhaften und nach
Montpellier zu transportircn, während der gleichfalls verhaftete
Le Thou im Schlosse von Tarascon untergebracht wurde.
An: 17. August verließ Richelieu Tarascon, um sich zu
Schiffe nach Lyon zu begeben, in einer zweiten Barke seine beiden
Gefangenen, Cinq-Mars und de Thou, im Schlepptau mit sich
führend. Der Kardinal war bereits so schwach, daß er nur ganz !
kurze Tagreisen machen konnte, so daß er erst am 3. September
in Lyon eintraf, wo gleich in den nächsten Tagen der Gerichts-
hof zusammentrat, um über die beiden Gefangenen abzuurteilen.
Cinq-Mars war rettungslos verloren. Sowohl der Herzog
von Bouillon wie auch Gaston von Orleans — dieser feige Prinz,
der bisher noch alle diejenigen verraten hatte, die so unvorsichtig
gewesen waren, sich mit ihm in Verschwörungen gegen Richelieu
einzulassen — hatten alles eingcstanden und Cinq-Mars ver-
raten, um den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. De Thou
war nur schuldig, den Vermittler zwischen Cinq-Mars und den
beiden Herzogen gemacht zu haben, an dem Vertrage mit Spanien
war er nicht beteiligt, obschon er um denselben gewußt. Weil
er aber stillgeschwiegm, diese Handlung des Hochverrats seines
Freundes nicht zur Anzeige gebracht hatte, wurde er ebenso wie
Cinq-Mars wegen Hochverrats zum Tode verurteilt am 12. Sep-
tember 1642. Richelieu bestätigte den Urteilsspruch, der Gedanke
an die Gefahr, welche sein System mehr als seine eigene Person
gelaufen, machte ihn unerbittlich. Diese Härte bei einem Manne,
der so leidend und schwach geworden, daß man ihn füglich einen
Sterbenden nennen konnte, wäre erschreckend und würde von einem
sehr gehässigen Charakter zeugen, wenn es sich nur um die Person
des Kardinals gehandelt hätte, aber alles, was der große Mann
seit zwanzig Jahren für Frankreich gethan, stand auf dem Spiele,
war in Gefahr geraten durch die Pläne von Cinq-Mars und
seinen Verbündeten. Man kann die Unklugheit der beiden Freunde
beklagen, namentlich von de Thon, der die Thorheit begangen,
die Geschicke seines Vaterlandes aufhalten zu wollen, und bei
diesem Versuche von den Rädern der Staatsmaschine zermalmt
wurde; Cinq-Mars jedoch hatte für seinen Hochverrat vollkommen
die Strafe verdient, die er sowohl wie sein Freund am Tage
der Urteilsfällung selbst mit christlicher Fassung und edler Resig-
nation auf den: Schafott erduldeten. Beide waren mehr oder
weniger Verbrecher an dem Frieden, dem Glücke ihres Vater-
landes, nicht aber Märtyrer, als welche sie von späteren Geschichts-
schreibern, oder wohl mehr Romanciers, hingestellt worden sind.
Richelieu überlebte seine beiden letzten Opfer nur wenige
Monate, er starb an: 4. Dezember 1642.
Dkr in KirMrg.
(Bild S. 5Z7.)
Im Dorfe Kirchberg bei Kitzbüchel in Tirol findet alljährlich
an: Fronlcichnamstag eine Prozession statt, deren Ursprung auf
eine Episode des dreißigjährigen Krieges zurückgeleitet wird.
Schwedische Reiter sollen damals auf einer Streifpartic in
diese Gegend eingefallen und von den vereinigte:: Bauern der
Dörfer Kirchberg, Lauterbach und Westendorf, welche sich in
Eile beritten gemacht, unweit Kirchberg nach blutigem Kampfe
zurückgeschlagen worden sein.
Zum Gedächtnis an diesen Sieg nun findet die von dem
Zeichner unseres Bildes nach der Natur wiedergegcbcne Pro-
zession statt. Die Bauern der genannten Dörfer begeben sich,
angeführt von ihrer Geistlichkeit, beritten nach der Kapelle, dis
als der Ort bezeichnet wird, wo der denkwürdige Kampf ge-
stritten wurde. Dort angelangt, wird ein Gottesdienst abgehalten,
der mit feierlicher Segenspendung schließt.
Die derben Reitergestalten in der Buntheit ihrer Trachten,
die rauschenden Klänge der Musik, die flatternden Kirchcnfahnen,
die reichgeschmückten, oft mit uraltem Zeug aufgezäumten Rosse
geben der stattlichen Prozession ein eigenartiges Gepräge, das
auf den mannhaften Sinn der Tiroler von großer Wirkung ist.
Alljährlich versammelt sich denn auch stets eine Menge von
Zuschauern um das kleine, hochgelegene Kirchlein, dessen Thür
eine bildliche Darstellung der Waffenthat krönt. Unter den:
Bilde ist zn lesen:
„Bis hicber und nicht weiter
Kamen die schwedischen Reiter."
Mm IlliiseiMm Koffager in Eliartotieiiliurg.
(Bild-r S. L4V.)
Wir bringen hier zwei Bilder von der Residenz des Kaisers
in Charlottenburg. Die erste Illustration zeigt uns einen
Salon, der als Fremdenzimmer bezeichnet werden kann. Er
diente auch der Königin Viktoria von England zum Aufenthalt.
Der Nanm ist neu aufgefrischt worden, hat aber im großen
und ganzen den Charakter der Zeit der Königin Luise beibehalten
Heitere, lichte Pracht und Eleganz ist sein Grundton. — Das
untere Bild steht unter dem Schatten der schweren Erkrankung,
mit welcher Kaiser Friedrich so heldenmütig kämpft. Wir sehen
hier die von ungünstigen Nachrichten erregte Volksmenge, welche
den Wagen Bismarcks, der eben das schloß verläßt, aufhält,
um den Kanzler nach dein Befinden des Kaisers zu fragen.
Fürst Bismarck gibt stets wahrheitsgetreue und doch tröstliche
Auskunft.
Milde Seide.
Im Kapitel der wilden Seiden ist, wie O. N. Witt berichtet,
ein Fortschritt zu verzeichnen, indem es gelungen ist, aus den
Cocons von Orieula, tritsnestrata eine vorzügliche Faser durch
Karden und Kämmen zu gewinnen. Der genannte Seidenspinner
lebt in ungeheuren Mengen in gewissen, namentlich den heißesten,
Teilen Indiens. Seine gesellig lebende Raupe ist eine Plage
der Mangoplantagen, während die ebenfalls gesellig gesponnenen
Cocons in Gebilden von der Form uud Größe einer Gurke an
den Bäumen hängen und leicht eingesammelt werden können.
Da das Tier im stände ist , in einem Jahre acht bis zwölf
Generationen zu erleben, so ist es äußerst produktiv, und die jetzt
gelungene Gewinnung seiner Faser bedeutet daher die Erschließung
einer neuen und überreichen Seidcnquelle.