320
Illustrierte Mell.
Mas grevt es Neues?
Aus hohen Kreisen.
Der neue Botschafter in Paris Fürst Radolin und der
bisherige Botschafter Fürst Münster. An Stelle des Fürsten
Münster von Derneburg, der nach fünfzehnjähriger Ver-
tretung des Deutschen Reiches bei der französischen Re-
publik wegen hohen Alters sich in den Ruhestand begiebt,
hat der Deutsche Kaiser, den bisherigen Botschafter in
St. Petersburg Hugo Fürsten von Radolin ernannt. Zu
den Bildern der beiden Staatsmänner seien hier nur die
wichtigsten Daten ihrer Lebensgeschichte gegeben. Georg
Herbert Fürst Münster, geboren am 23. Dezember 1820
zu London als Sohn des hannoverschen Staatsmannes und
großbritannischen Ministers Grafen Ernst von Münster,
war 1857 bis 1865 Gesandter des Königreichs Hannover
beim Hofe in Petersburg, schloß sich dann nach dessen
Uebergang an Preußen an und ließ sich auch in oen
Reichstag wählen. Von 1873 bis 1885 war er Botschafter
des Deutschen Reiches in London, 1885 ging er in der-
Eeorg Fürst Münster von Derneburg,
bisher deutscher Botschafter in Paris.
selben Eigenschaft nach Paris. Den Fürstentitel erhielt er
erst im vergangenen Sommer. — Hugo Fürst Radolin ent-
stammt einem polnischen Geschlecht. Geboren am 1. April
1841 zu Posen, studierte er 1859 bis 1862 die Rechte und
trat 1866 in den diplomatischen Dienst. Florenz, Paris,
Stuttgart waren seine Anfangsposten; während der Occu-
pation französischer Gebietsteile im Jahre 1871 war er
Zivilkommissar des Grafen Manteuffel. Während des
russisch-türkischen Krieges 1877,78 war er Geschäftsträger
des Deutschen Reiches in Konstantinopel; in den achtziger
Jahren war er im Auswärtigen Amt beschäftigt und dann
Hofmarschall des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, der ihn
bei seinem Regierungsantritt in den Fürstenstand erhob.
Im Jahre 1892 ging Fürst Radolin als Botschafter des
Deutschen Reichs nach Konstantinopel, 1895 in derselben
Eigenschaft nach Petersburg.
Militär und Marine.
Ueber die Einführung eines Jnterims-Feldmarschallstabs
hat der Kaiser unter dem 26. Oktober 1900, also am
hundertsten Geburtstage Moltkes, folgende Kabinettsordre
erlassen:
Ich bestimme hierdurch: Die Generalfeldmarschälle
Meiner Armee führen neben dem großen Feldmarschallstab
einen Jnterims-Feldmarschallstab (Reitstock). Der Feld-
marschallstab wird geführt: 1) bei Paraden, auch beim
Vorführen eines Regiments als Chef, sofern nicht der
Degen gezogen wird; 2) bei Rekrutenvereidigungen; 3) bei
Trauerfeierlichkeiten mit militärischen Ehrenbezeigungen;
4) bei den Mir und Ihren Majestäten den Kaiserinnen
und Königinnen, sowie den auswärtigen Herrschern zu
erweisenden militärischen Ehrenbezeigungen auf Reisen,
sofern großer Empfang befohlen ist; 5) bei Denkmals-
einweihungen von weiland regierenden Herrschern; 6) bei
Reichstags- und Landtagseröffnungen oder deren Schluß,
bei Kircheneinweihungen sowie ähnlichen Feierlichkeiten,
sofern Paradeanzug bepfohlen ist; 7) bei großen Parolen ,
im Paradeanzug; 8) bei Gratulations- und Militärcouren
im Paradeanzug. Der Jnterims-Feldmarschallstab (Reit-
stock) wird im Feld, im Manöver, bei Garnisonübungen >
und Besichtigungen zum Dienstanzug getragen. Ich be- j
auftrage Sie, Vorstehendes zur Kenntnis der Armee zu !
bringen. An die Generalfeldmarschälle habe Ich unmittel-
bar verfügt.
Berlin, den 26. Oktober 1900. Wilhelm.
An den Kriegsminister.
Zum Eintritt von zwölf argentinischen Offizieren zur
Dienstleistung im deutschen Heere für die Dauer von drei
Jahren hat der Kaiser die Genehmigung erteilt.
Ter Norddeutsche Lloyd hat an die Offiziere und Mann-
schaften seiner bei dem Brand in Hoboken beschädigten
Dampfer sowie an die Hinterbliebenen bislang 209 774 M.
ausbezahlt. Davon fallen 137159 M. auf Entschädigungen
für eingebüßte Sachen, 9615 M. auf einmalige Unter-
stützungen an Witwen und Waisen und 63000 M. auf
besondere Löhne. Außerdem erhalten die Hinterbliebenen
Witwen und Waisen vom Norddeutschen Lloyd, außer den
ihnen gesetzmäßig zustehenden Renten, einen außerordent-
lichen 'Rentenzuschuß.
Länder- und Völkerkunde.
Der Volksstamm der Siebenbürger Sachsen hat in den
700 Jahren seiner Geschichte seit der Einwanderung in
das bergumwallte Hochland mancherlei Drangsale über-
standen; wie ein fortdauerndes Andenken daran gemahnen
die eigentümlichen Befestigungen der Kirchen in den sächsi-
schen Ortschaften. Bei den Einfällen der Türken und sonst
in den unruhigen Zeiten dienten diese ummauerten Kirchen
als Zufluchtsstätten und Festungen; sie mußten deshalb
auch Räume zur Aufbewahrung von Mehl und Fleisch
enthalten, wie sie auch heute noch in Tartlau und sonst
zu sehen sind. Ein löbliches Unternehmen ist es, diese
Ueberlebsel einer ruhmvollen Vergangenheit in guten
Abbildungen zu billigem Preise dem Interesse weiterer
Kreise nahe zu bringen unter dem Titel: Sieben-
bürgisch-sächsische Burgen und Kirchenkastelle.
Herausgegeben von Emil Sigerus. Lieferung 1 und 2.
Preis je 60 Heller --- 50 Pfennig. Verlag von Joseph
Deotleff in Hermannstadt. Bei dem lebhaften Interesse,
das man in Deutschland für die Siebenbürger Sachsen
empfindet, darf dieses schöne Bilderwerk auf allgemeine
Anerkennung rechnen.
Industrie.
Internationales Patentrecht. Die in Brüssel tagende
internationale Konferenz zum Schutze des industriellen
Eigentums faßte folgende Beschlüsse: 1) Die früher auf
sechs Monate für Patente und auf drei Monate für
industrielle Pläne und Modelle festgesetzte Prioritätsfrist
wird auf zwölf Monate für Patente und auf vier Monate
für Pläne und Modelle verlängert. 2) Die Angehörigkeit
zu dem Uebereinkommen sichert in allen Vereinsstaaten
den gleichen Schutz, der den Staatsangehörigen gegen
unlauteren Wettbewerb zu teil wird. 3) Wegen Nicht-
ausbeutung kann das Patentrecht in jedem Lande erst
nach Ablauf von mindestens drei Jahren, von dem Zeit-
punkt der Patentnachsuchung an gerechnet, verfallen, wenn
das Patent die Ursache seiner Nichtausführung nicht recht-
fertigen sollte.
Landwirtschaft.
Im Oktober 1900 find nus der Schweiz 320987 Meter-
zentner frisches Obst im Werte von 1731690 Fr. aus-
geführt worden. Davon gingen 289 000 Meterzentner nach
Deutschland und 30020 nach Oesterreich.
Gesundheitspflege.
Unentbehrliche Stoffe in unsrer Nahrung. Die Wissen-
schaft und das praktische Leben lehren, wie verfehlt es
ist, den Wert unsrer Lebensmittel nur nach ihrem Eiweiß-
gehalt oder gar nach ihren Verbrennungeinheiten zu
schätzen. Nach dieser in letzter Zeit hier und da auf-
tauchenden Irrlehre hätte zum Beispiel bestes Ochsenfleisch
keinen bedeutenden Nährwert; für gleich viel Geld ge-
kaufte Kartoffeln besäßen einen siebzehnmal so großen
Nährwert. Die Wissenschaft hat aber schon längst kon-
statiert, daß auch bei reichlichster Ausnahme von Eiweiß,
Fett und Kohlehydraten, aber ohne Zuführung der natür-
lichen Nährsalze und Extraktivstoffe, der Organismus fast
ebenso schnell zu Grunde geht wie bei absolutem Hunger.
Nach Professor Forsters Beobachtungen trat bei so ge-
fütterten Tieren sehr bald ein Zustand der Muskelschwäche
ein, und die Funktionen des Gehirns und Rückenmarks
erlitten so schwere Störungen, daß die Tiere bei Geh-
versuchen mit dem Kopf gegen die Wand rannten. Gerade
die Stoffe aber, deren Mangel in der Nahrung zu solchen
Zuständen und bald zum Tode führt, sind in starker Fleisch-
brühe und in Liebigs Fleisch-Extrakt in bester und kon-
zentriertester Form enthalten. Es sind das die natürlichen
Nährsalze, die Extraktivstoffe des Muskels und spezifische -
eiweißartige Stoffe, unter denen neuerdings Professor
Siegfried die Phosphorfleischsäure, einen wichtigen Energie-
stoff der Muskeln, entdeckt hat. Durch diese wissenschaft-
lichen Forschungen wird die praktische Erfahrung des
täglichen Lebens über die hervorragende Wirkung starker
Fleischbrühe weiter erklärt, also zugleich die Hochschätzung
des Fleisch-Extrakts durch den großen deutschen Gelehrten
Justus von Liebig, den Schöpfer einer eigentlich wissen-
schaftlichen Ernährungslehre, wiederum glänzend gerecht-
fertigt.
Nnglücksfälle.
Ein schwerer Unfall beim Billardspielcn ereignete sich vor
kurzem in einem Restaurant zu Charlottenburg. Ein
Billardspieler beugte sich bei einer ungünstigen Stellung
weit über das Billard, schrie beim Stoß laut auf und
brach zusammen, als er sich aufrichten wollte. Ein herbei-
gerufener Arzt stellte fest, daß der Gast sich einen ein-
geklemmten Leistenbruch zugezogen hatte. Nach Anlegung
eines Notverbandes wurde der Verunglückte nach seiner
Wohnung gebracht. Der Zustand verschlimmerte sich aber
so, daß eine Operation nötig wurde, die glücklich verlies.
Alpines.
Der Regierungsrat des Kantons Bern hat zwei Konzes-
sionen für Sehenswürdigkeiten im Berner Oberland mit
Bedingungen beschwert, die allgemein interessieren dürften,
nämlich die Konzession der Berggesellschaft Scheidegg in
Grindelwald zur Erstellung einer künstlichen Eisgrotte im
oberen Grindelwaldgletscher und die Konzession der Gebr.
Seiler, Wengernalpwirte, in Bönigen, zur Erstellung einer
künstlichen Eisgrotte im Eigergletscher. Die Bedingungen
sind folgende: 1) Die Erhebung einer Gebühr für Be-
sichtigung der Grotten ist für den Eigergletscher wie bis
dahin, für den Grindelwaldgletscher von nun an unter-
sagt; die Verabfolgung von Trinkgeldern an die Wärter
der Grotten steht im freien Belieben der Besucher. 2) Im
Hotel „Wetterhorn" und im Kurhaus „Bellevue" sind für
die Besucher der Eisgrotten stets einige Mäntel, Shawls
oder Decken zur Benutzung in den Grotten bereit zu halten,
und es darf auch hierfür keine Gebühr verlangt werden.
3) Es werden verpflichtet: die Berggesellschaft Scheidegg,
den vom Hotel „Wetterhorn" zum Gletscher führenden
Weg samt Brücken stets in gutem Zustande zu erhalten,
ebenso die Gebr. Seiler zur Instandhaltung des vom Kur-
haus „Bellevue" zum Gletscher führenden Weges. Die
Benutzung dieser Wege ist für jedermann frei und es darf
hierfür irgend welche Gebühr nicht verlangt werden.
Mode.
Was die Tamm auf dm Hüten tragen, ersteht man aus
einem Bericht aus Irbit im asiatischen Rußland (Gou-
vernement Perm), wo alljährlich eine große Messe nut
Pelzhandel abgehalten wird. Es heißt laut „Kölnische
Zeitung" in der Mitteilung über die letztzährige Messe:
Infolge des günstigen Absatzes hat man in Sibirien
und in der Steppe angefangen, die Vogeljagd gewerbs-
mäßig zu betreiben, statt wie früher nur zufällig. Be-
sonders hat sich die Jagd auf Adler find Eulen (nament-
Hugo Fürst Radolin,
der neue deutsche Botschafter in Paris.
lich Uhus) in den Steppen und Bergen entwickelt. Die
Preise stellten sich ziemlich hoch infolge der starken Nach-
frage vom Auslande und des Wettbewerbs unter den
Käufern, von denen neun aus Leipzig erschienen waren
und hohe Preise boten. Früher wurden Vogelbälge,
Schwanzfedern und Flügel vorzugsweise für Paris ge-
kauft; jetzt traten bedeutende Fabriken in Berlin und
Leipzig als Abnehmer zur Bearbeitung von Bälgen und
Federn auf. Uhus waren an 3000 Stück auf dem Platze;
die Preise schwankten zwischen 6.75 Rubel und 5.59 Rubel
das Paar. Adler waren etwa 4000 Par vorhanden; sie
fanden zu 6 bis 7 Rubel das Paar Absatz, die schwarzen
wurden zu 4 Rubel, die übrigen geringen Sorten zu
1 Rubel das Paar abgesetzt. Weiße Eulen waren sehr
begehrt; man zahlte für das Paar gern 2 Rubel; es
waren jedoch nur 1600 Paar vorhanden. Graue Eulen
aus dem Ural (3000 Paar) kosteten 40 bis 50 Kopeken
das Paar. Außerdem waren 10000 Paar andre Eulen
herangebracht. Die Preise schwankten zwischen 30 und
40 Kopeken das Paar. Elsterbälge waren an 100 000 Paar
auf dem Platz und kosteten 20 bis 21 Kopeken das Paar;
ungefähr 2000 Taucher kosteten 1 bis 1.15 Rubel das
Paar. Die Nachfrage nach Tauchern war lebhaft. Vogel-
schwänze waren wenig begehrt, obgleich der herangeführte
Vorrat groß war. Die Preise stellten sich sehr niedrig,
sogar für die Sibirier verlustbringend. Auerhahn- und
Birkhahnschwänze waren 60 000 Paar vorhanden; große
Auerhahnschwänze kosteten 50 Kopeken, kleine 10 Kopeken
das Paar, große Birkhahnschwänze 15 Kopeken, kleine
7 Kopeken das Paar. Feldhühnerflügel waren nur 30000
Paar vorhanden und kosteten 4 bis 5 Kopeken das Paar.
Im ganzen wurde auf der Messe für 70000 Rubel Vogel-
ware ins Ausland abgesetzt. — Wie in Italien das kuli-
narische Vergnügen an „uooslli", so ist also im vorliegen-
den Fall die liebe Eitelkeit und Putzsucht der Anlaß für
eine gewerbsmäßige Vogelabschießerei. Daß auch wir das
für einen bedauerlichen Unfug halten, haben wir schon
häufig genug betont.
Ehrenmeldung.
Ein Vermächtnis von 100VW M. ist unlängst der Stadt
Magdeburg von dem verstorbenen Kaufmann Rob. Linnicke
gemacht worden. Die Spende soll nach dem Tode der
Ehefrau des Erblassers zu Armenzwecken verwendet werden.
Nachdruck aus dem Inhalt dieser Zeitschrist wird strasrechtlich verfolgt. - Verantwortlicher Redakteur: Wilhelm Weller, Stuttgart-Cannstatt. - Druck und Verlag der Deutschen Verla.,s-Anstalt in Stuttgart, Rkckarstraße Nr. ILNIL3.
Brieje und Sendungen nur: An di- Deutsche Verlags-Austalt in Stuttgart — ohne P-rjonenangab- — zu richten.
Illustrierte Mell.
Mas grevt es Neues?
Aus hohen Kreisen.
Der neue Botschafter in Paris Fürst Radolin und der
bisherige Botschafter Fürst Münster. An Stelle des Fürsten
Münster von Derneburg, der nach fünfzehnjähriger Ver-
tretung des Deutschen Reiches bei der französischen Re-
publik wegen hohen Alters sich in den Ruhestand begiebt,
hat der Deutsche Kaiser, den bisherigen Botschafter in
St. Petersburg Hugo Fürsten von Radolin ernannt. Zu
den Bildern der beiden Staatsmänner seien hier nur die
wichtigsten Daten ihrer Lebensgeschichte gegeben. Georg
Herbert Fürst Münster, geboren am 23. Dezember 1820
zu London als Sohn des hannoverschen Staatsmannes und
großbritannischen Ministers Grafen Ernst von Münster,
war 1857 bis 1865 Gesandter des Königreichs Hannover
beim Hofe in Petersburg, schloß sich dann nach dessen
Uebergang an Preußen an und ließ sich auch in oen
Reichstag wählen. Von 1873 bis 1885 war er Botschafter
des Deutschen Reiches in London, 1885 ging er in der-
Eeorg Fürst Münster von Derneburg,
bisher deutscher Botschafter in Paris.
selben Eigenschaft nach Paris. Den Fürstentitel erhielt er
erst im vergangenen Sommer. — Hugo Fürst Radolin ent-
stammt einem polnischen Geschlecht. Geboren am 1. April
1841 zu Posen, studierte er 1859 bis 1862 die Rechte und
trat 1866 in den diplomatischen Dienst. Florenz, Paris,
Stuttgart waren seine Anfangsposten; während der Occu-
pation französischer Gebietsteile im Jahre 1871 war er
Zivilkommissar des Grafen Manteuffel. Während des
russisch-türkischen Krieges 1877,78 war er Geschäftsträger
des Deutschen Reiches in Konstantinopel; in den achtziger
Jahren war er im Auswärtigen Amt beschäftigt und dann
Hofmarschall des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, der ihn
bei seinem Regierungsantritt in den Fürstenstand erhob.
Im Jahre 1892 ging Fürst Radolin als Botschafter des
Deutschen Reichs nach Konstantinopel, 1895 in derselben
Eigenschaft nach Petersburg.
Militär und Marine.
Ueber die Einführung eines Jnterims-Feldmarschallstabs
hat der Kaiser unter dem 26. Oktober 1900, also am
hundertsten Geburtstage Moltkes, folgende Kabinettsordre
erlassen:
Ich bestimme hierdurch: Die Generalfeldmarschälle
Meiner Armee führen neben dem großen Feldmarschallstab
einen Jnterims-Feldmarschallstab (Reitstock). Der Feld-
marschallstab wird geführt: 1) bei Paraden, auch beim
Vorführen eines Regiments als Chef, sofern nicht der
Degen gezogen wird; 2) bei Rekrutenvereidigungen; 3) bei
Trauerfeierlichkeiten mit militärischen Ehrenbezeigungen;
4) bei den Mir und Ihren Majestäten den Kaiserinnen
und Königinnen, sowie den auswärtigen Herrschern zu
erweisenden militärischen Ehrenbezeigungen auf Reisen,
sofern großer Empfang befohlen ist; 5) bei Denkmals-
einweihungen von weiland regierenden Herrschern; 6) bei
Reichstags- und Landtagseröffnungen oder deren Schluß,
bei Kircheneinweihungen sowie ähnlichen Feierlichkeiten,
sofern Paradeanzug bepfohlen ist; 7) bei großen Parolen ,
im Paradeanzug; 8) bei Gratulations- und Militärcouren
im Paradeanzug. Der Jnterims-Feldmarschallstab (Reit-
stock) wird im Feld, im Manöver, bei Garnisonübungen >
und Besichtigungen zum Dienstanzug getragen. Ich be- j
auftrage Sie, Vorstehendes zur Kenntnis der Armee zu !
bringen. An die Generalfeldmarschälle habe Ich unmittel-
bar verfügt.
Berlin, den 26. Oktober 1900. Wilhelm.
An den Kriegsminister.
Zum Eintritt von zwölf argentinischen Offizieren zur
Dienstleistung im deutschen Heere für die Dauer von drei
Jahren hat der Kaiser die Genehmigung erteilt.
Ter Norddeutsche Lloyd hat an die Offiziere und Mann-
schaften seiner bei dem Brand in Hoboken beschädigten
Dampfer sowie an die Hinterbliebenen bislang 209 774 M.
ausbezahlt. Davon fallen 137159 M. auf Entschädigungen
für eingebüßte Sachen, 9615 M. auf einmalige Unter-
stützungen an Witwen und Waisen und 63000 M. auf
besondere Löhne. Außerdem erhalten die Hinterbliebenen
Witwen und Waisen vom Norddeutschen Lloyd, außer den
ihnen gesetzmäßig zustehenden Renten, einen außerordent-
lichen 'Rentenzuschuß.
Länder- und Völkerkunde.
Der Volksstamm der Siebenbürger Sachsen hat in den
700 Jahren seiner Geschichte seit der Einwanderung in
das bergumwallte Hochland mancherlei Drangsale über-
standen; wie ein fortdauerndes Andenken daran gemahnen
die eigentümlichen Befestigungen der Kirchen in den sächsi-
schen Ortschaften. Bei den Einfällen der Türken und sonst
in den unruhigen Zeiten dienten diese ummauerten Kirchen
als Zufluchtsstätten und Festungen; sie mußten deshalb
auch Räume zur Aufbewahrung von Mehl und Fleisch
enthalten, wie sie auch heute noch in Tartlau und sonst
zu sehen sind. Ein löbliches Unternehmen ist es, diese
Ueberlebsel einer ruhmvollen Vergangenheit in guten
Abbildungen zu billigem Preise dem Interesse weiterer
Kreise nahe zu bringen unter dem Titel: Sieben-
bürgisch-sächsische Burgen und Kirchenkastelle.
Herausgegeben von Emil Sigerus. Lieferung 1 und 2.
Preis je 60 Heller --- 50 Pfennig. Verlag von Joseph
Deotleff in Hermannstadt. Bei dem lebhaften Interesse,
das man in Deutschland für die Siebenbürger Sachsen
empfindet, darf dieses schöne Bilderwerk auf allgemeine
Anerkennung rechnen.
Industrie.
Internationales Patentrecht. Die in Brüssel tagende
internationale Konferenz zum Schutze des industriellen
Eigentums faßte folgende Beschlüsse: 1) Die früher auf
sechs Monate für Patente und auf drei Monate für
industrielle Pläne und Modelle festgesetzte Prioritätsfrist
wird auf zwölf Monate für Patente und auf vier Monate
für Pläne und Modelle verlängert. 2) Die Angehörigkeit
zu dem Uebereinkommen sichert in allen Vereinsstaaten
den gleichen Schutz, der den Staatsangehörigen gegen
unlauteren Wettbewerb zu teil wird. 3) Wegen Nicht-
ausbeutung kann das Patentrecht in jedem Lande erst
nach Ablauf von mindestens drei Jahren, von dem Zeit-
punkt der Patentnachsuchung an gerechnet, verfallen, wenn
das Patent die Ursache seiner Nichtausführung nicht recht-
fertigen sollte.
Landwirtschaft.
Im Oktober 1900 find nus der Schweiz 320987 Meter-
zentner frisches Obst im Werte von 1731690 Fr. aus-
geführt worden. Davon gingen 289 000 Meterzentner nach
Deutschland und 30020 nach Oesterreich.
Gesundheitspflege.
Unentbehrliche Stoffe in unsrer Nahrung. Die Wissen-
schaft und das praktische Leben lehren, wie verfehlt es
ist, den Wert unsrer Lebensmittel nur nach ihrem Eiweiß-
gehalt oder gar nach ihren Verbrennungeinheiten zu
schätzen. Nach dieser in letzter Zeit hier und da auf-
tauchenden Irrlehre hätte zum Beispiel bestes Ochsenfleisch
keinen bedeutenden Nährwert; für gleich viel Geld ge-
kaufte Kartoffeln besäßen einen siebzehnmal so großen
Nährwert. Die Wissenschaft hat aber schon längst kon-
statiert, daß auch bei reichlichster Ausnahme von Eiweiß,
Fett und Kohlehydraten, aber ohne Zuführung der natür-
lichen Nährsalze und Extraktivstoffe, der Organismus fast
ebenso schnell zu Grunde geht wie bei absolutem Hunger.
Nach Professor Forsters Beobachtungen trat bei so ge-
fütterten Tieren sehr bald ein Zustand der Muskelschwäche
ein, und die Funktionen des Gehirns und Rückenmarks
erlitten so schwere Störungen, daß die Tiere bei Geh-
versuchen mit dem Kopf gegen die Wand rannten. Gerade
die Stoffe aber, deren Mangel in der Nahrung zu solchen
Zuständen und bald zum Tode führt, sind in starker Fleisch-
brühe und in Liebigs Fleisch-Extrakt in bester und kon-
zentriertester Form enthalten. Es sind das die natürlichen
Nährsalze, die Extraktivstoffe des Muskels und spezifische -
eiweißartige Stoffe, unter denen neuerdings Professor
Siegfried die Phosphorfleischsäure, einen wichtigen Energie-
stoff der Muskeln, entdeckt hat. Durch diese wissenschaft-
lichen Forschungen wird die praktische Erfahrung des
täglichen Lebens über die hervorragende Wirkung starker
Fleischbrühe weiter erklärt, also zugleich die Hochschätzung
des Fleisch-Extrakts durch den großen deutschen Gelehrten
Justus von Liebig, den Schöpfer einer eigentlich wissen-
schaftlichen Ernährungslehre, wiederum glänzend gerecht-
fertigt.
Nnglücksfälle.
Ein schwerer Unfall beim Billardspielcn ereignete sich vor
kurzem in einem Restaurant zu Charlottenburg. Ein
Billardspieler beugte sich bei einer ungünstigen Stellung
weit über das Billard, schrie beim Stoß laut auf und
brach zusammen, als er sich aufrichten wollte. Ein herbei-
gerufener Arzt stellte fest, daß der Gast sich einen ein-
geklemmten Leistenbruch zugezogen hatte. Nach Anlegung
eines Notverbandes wurde der Verunglückte nach seiner
Wohnung gebracht. Der Zustand verschlimmerte sich aber
so, daß eine Operation nötig wurde, die glücklich verlies.
Alpines.
Der Regierungsrat des Kantons Bern hat zwei Konzes-
sionen für Sehenswürdigkeiten im Berner Oberland mit
Bedingungen beschwert, die allgemein interessieren dürften,
nämlich die Konzession der Berggesellschaft Scheidegg in
Grindelwald zur Erstellung einer künstlichen Eisgrotte im
oberen Grindelwaldgletscher und die Konzession der Gebr.
Seiler, Wengernalpwirte, in Bönigen, zur Erstellung einer
künstlichen Eisgrotte im Eigergletscher. Die Bedingungen
sind folgende: 1) Die Erhebung einer Gebühr für Be-
sichtigung der Grotten ist für den Eigergletscher wie bis
dahin, für den Grindelwaldgletscher von nun an unter-
sagt; die Verabfolgung von Trinkgeldern an die Wärter
der Grotten steht im freien Belieben der Besucher. 2) Im
Hotel „Wetterhorn" und im Kurhaus „Bellevue" sind für
die Besucher der Eisgrotten stets einige Mäntel, Shawls
oder Decken zur Benutzung in den Grotten bereit zu halten,
und es darf auch hierfür keine Gebühr verlangt werden.
3) Es werden verpflichtet: die Berggesellschaft Scheidegg,
den vom Hotel „Wetterhorn" zum Gletscher führenden
Weg samt Brücken stets in gutem Zustande zu erhalten,
ebenso die Gebr. Seiler zur Instandhaltung des vom Kur-
haus „Bellevue" zum Gletscher führenden Weges. Die
Benutzung dieser Wege ist für jedermann frei und es darf
hierfür irgend welche Gebühr nicht verlangt werden.
Mode.
Was die Tamm auf dm Hüten tragen, ersteht man aus
einem Bericht aus Irbit im asiatischen Rußland (Gou-
vernement Perm), wo alljährlich eine große Messe nut
Pelzhandel abgehalten wird. Es heißt laut „Kölnische
Zeitung" in der Mitteilung über die letztzährige Messe:
Infolge des günstigen Absatzes hat man in Sibirien
und in der Steppe angefangen, die Vogeljagd gewerbs-
mäßig zu betreiben, statt wie früher nur zufällig. Be-
sonders hat sich die Jagd auf Adler find Eulen (nament-
Hugo Fürst Radolin,
der neue deutsche Botschafter in Paris.
lich Uhus) in den Steppen und Bergen entwickelt. Die
Preise stellten sich ziemlich hoch infolge der starken Nach-
frage vom Auslande und des Wettbewerbs unter den
Käufern, von denen neun aus Leipzig erschienen waren
und hohe Preise boten. Früher wurden Vogelbälge,
Schwanzfedern und Flügel vorzugsweise für Paris ge-
kauft; jetzt traten bedeutende Fabriken in Berlin und
Leipzig als Abnehmer zur Bearbeitung von Bälgen und
Federn auf. Uhus waren an 3000 Stück auf dem Platze;
die Preise schwankten zwischen 6.75 Rubel und 5.59 Rubel
das Paar. Adler waren etwa 4000 Par vorhanden; sie
fanden zu 6 bis 7 Rubel das Paar Absatz, die schwarzen
wurden zu 4 Rubel, die übrigen geringen Sorten zu
1 Rubel das Paar abgesetzt. Weiße Eulen waren sehr
begehrt; man zahlte für das Paar gern 2 Rubel; es
waren jedoch nur 1600 Paar vorhanden. Graue Eulen
aus dem Ural (3000 Paar) kosteten 40 bis 50 Kopeken
das Paar. Außerdem waren 10000 Paar andre Eulen
herangebracht. Die Preise schwankten zwischen 30 und
40 Kopeken das Paar. Elsterbälge waren an 100 000 Paar
auf dem Platz und kosteten 20 bis 21 Kopeken das Paar;
ungefähr 2000 Taucher kosteten 1 bis 1.15 Rubel das
Paar. Die Nachfrage nach Tauchern war lebhaft. Vogel-
schwänze waren wenig begehrt, obgleich der herangeführte
Vorrat groß war. Die Preise stellten sich sehr niedrig,
sogar für die Sibirier verlustbringend. Auerhahn- und
Birkhahnschwänze waren 60 000 Paar vorhanden; große
Auerhahnschwänze kosteten 50 Kopeken, kleine 10 Kopeken
das Paar, große Birkhahnschwänze 15 Kopeken, kleine
7 Kopeken das Paar. Feldhühnerflügel waren nur 30000
Paar vorhanden und kosteten 4 bis 5 Kopeken das Paar.
Im ganzen wurde auf der Messe für 70000 Rubel Vogel-
ware ins Ausland abgesetzt. — Wie in Italien das kuli-
narische Vergnügen an „uooslli", so ist also im vorliegen-
den Fall die liebe Eitelkeit und Putzsucht der Anlaß für
eine gewerbsmäßige Vogelabschießerei. Daß auch wir das
für einen bedauerlichen Unfug halten, haben wir schon
häufig genug betont.
Ehrenmeldung.
Ein Vermächtnis von 100VW M. ist unlängst der Stadt
Magdeburg von dem verstorbenen Kaufmann Rob. Linnicke
gemacht worden. Die Spende soll nach dem Tode der
Ehefrau des Erblassers zu Armenzwecken verwendet werden.
Nachdruck aus dem Inhalt dieser Zeitschrist wird strasrechtlich verfolgt. - Verantwortlicher Redakteur: Wilhelm Weller, Stuttgart-Cannstatt. - Druck und Verlag der Deutschen Verla.,s-Anstalt in Stuttgart, Rkckarstraße Nr. ILNIL3.
Brieje und Sendungen nur: An di- Deutsche Verlags-Austalt in Stuttgart — ohne P-rjonenangab- — zu richten.