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Illustrierte Welt.

im Volksempfinden vielfach noch heute den schwersten
Makel trägt: das Nachrichteramt. Ursprünglich war
die Vollziehung eines Todesurteils nach germanischem
Empfinden gar nichts Ehrenrühriges. Ber den heidni-


Die Wasser-Druckleitung mit Teil des Maschinenhauses.

dem Verdacht gelegentlicher Untreue noch zwei sehr
gewichtige Ursachen mit: sie galten und gelten, wie
der Schäfer Ast in Radbruch so deutlich beweist,
bei denen die „nicht alle werden", als Meister geheimer
Arzneikunst, — waren also
als „Zauberer" kirchlich
verdächtig, — und sie ver-
scharrten ihr gefallenes Vieh,
was sie in eine gewisse un-
liebsame Aehnlichkeit mit den
höchst unehrlichen Schindern
oder „Wasenmeistern" brachte,
denen in „wohlpolizierten"
Städten diese Verrichtung
oblag.
Wie man aus letzterem
Zuge ersieht, konnte auch das
schon die „Unehrlichkeit" be-
gründen oder erhöhen, wenn
einer gelegentlich einem recht
„Unehrlichen" ins Handwerk
pfuschte. Ein wahrhaft tragi-
komisches Beispiel hierfür
bietet die Leidensgeschichte der
an sich gewiß höchst ehrlichen
„Chirurgen". Als diese treff-
lichen Männer im späteren
Mittelalter bei wachsender Ab-
nahme der „unehrlichen" Bad-
stüber oder „Bader" das von
diesen bisher im Nebenamt
betriebene Barbieren und
Haarschneidenübernahmen —
irgend jemand mußte es doch
schließlich besorgen, — dankte
ihnen ihre zünftische Kund-
schaft damit, daß sie nun auf
sie den Namen und Verruf
der weiland „Bader" über-
trugen. Den Namen haben
sie denn auch wenigstens in
Süddeutschland behalten —
und wieder zu Ehren gebracht. — Wir sehen hier,
durch welch wunderliche Schickungen ein „ehrlicher"
Berus „unehrlich" werden konnte. Das merkwürdigste
Beispiel dieser Art aber bietet gerade dasjenige Amt,
das bis zrun Ausgang des 18. Jahrhunderts, ja

schen Germanen wurde der Verbrecher vom Priester
den Göttern „geopfert". Später finden wir mit dem
Amte des „Nachrichtens" in der Regel einen besonderen
Beamten betraut, dessen durchaus geachtete, fast noch
ans Priesterliche erinnernde Stellung schon in seinem

Amtsnamen „Frön", das heißt „dem Herrn geweiht
oder gehörig" zum Ausdruck kommt. Vielerorten aber
fiel das „Nachrichten" geradezu an den doch gewiß
höchst „ehrlichen" Richter selbst; in einigen fränkischen
und schwäbischen Städten voll-
zog bis ins 18. Jahrhundert
der jüngste Schöffe, anderswo
der jüngstverheiratete unter
den Schöffen das von ihm
mitgesällte Bluturteil; wie-
der anderswo, unter dem
herben Volke der Niedersachsen
und Friesen, der Meistgeschä-
digte, also etwa der Beraubte
oder der nächste Verwandte
des Ermordeten. Erst mit
Einführung des römischen
Rechtes und der diesem ent-
sprechenden Verwaltungs-
pflege beginnt der „Frön" vom
„Geweihten" zum „Verfluch-
ten", zum „unehrlichen Mei-
ster" zu werden. Warum?
Erstlich aus einem die deutsche
Volksseele sehr ehrenden Wi-
derwillen gegen die Menschen-
quälerei, die er nach dem
„peinlichen Rechte" so oft zu
vollziehen hat. Er wird „un-
ehrlich" als Folterer, nicht
als Nachrichter. Dazu aber
kommt, daß ihm die neue
Verwaltungspflege noch ei-
nige wenig saubere, wenn
auch für ihn sehr einträgliche
Dinge im Dienste der „Ge-
sundheitspolizei" überträgt;
Straßenreinigung und Be-
seitigung des gefallenen
Viehs, wofür ihm Fell und
sonstiges Nutzbare zufällt.
Er wird damit zum „Schin-
der", oder was dasselbe bedeutet „Abdecker" oder
„Schelm" (von schälen abhäuten), und damit ist
sein und seinerKnechte „Unehrlichkeit" besiegelt. Abseits
müssen sie wohnen, abseits in der Kirche beten und
kommunizieren; ihre Berührung steckt an, „macht


Das grohe schweizerische Elektricitätswerl an der Sitter.
 
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