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Seite 2

1931 / Folge 10

8. Fortsetzung

koxxriLtzt bx Verlas llievli L 6o., Stuttgart.
Oo«ri»r,
(Z^us clsm 8uc>i „Lpioiisgs" von ist. k. ksrnclorff)

^^^iese Sendungen waren verdächtig, vor
Hrllem, da sich derart große Geldbeträge in
^einfachen Briefen, die nicht eingeschrieben
oder versichert waren, befanden, und weil
sie beide in Eydtkuhnen an der russischen Grenze
aufgegeben worden waren. Um den Empfänger
dieser Briefe, den man von vornherein der Spio-
nage verdächtig hielt, zu fassen, wurden zwei
Kriminalbeamte in einem Zimmer des Post-
amts untergebracht, dessen Briefschalter durch
eine Klingel mit diesem Zimmer verbunden
wurde. Wochenlang saßen die beiden Beamten
in dem Postamt, rauchten unzählige Virginia-
zigarren, spielten miteinander Tarock und lang-
weilten sich entsetzlich. An einem Nachmittag
aber schlägt die Glocke plötzlich an. Die beiden
stürzen durch den Flur, und als sie in der
Halte des Postamtes stehen, da kommt ihnen
der Beamte,, der am Briefschalter Dienst machte,
schon entgegen: die beiden Sendungen sind ab-
geholt worden, der Mann, der sie erhalten hat,
hat das Postamt bereits verlassen. Die Agen-
ten laufen mit dem Postbeamten auf die
Straße, sie sehen nur noch, wie ein Mann, der
nach Aussage des Postbeamten der Empfänger
der Briefe ist, in eine Autodroschke steigt und
davonfährt. Die Kriminalbeamten merken sich
die Nummer, sie haben Glück und finden den
Wagen bald wieder, er ist leer, sie halten ihn
an und erfahren, daß der Mann, den sie suchen,
in ein Cafe gefahren ist. Sie steigen in den
Wagen, um gleichfalls dorthin zu fahren, und
finden zwischen den Polstern das lederne Etui
eines Taschenmessers. Sie haben weiter Glück
und ermitteln, daß der Mann, den sie verfol-
gen, von dem Cafe in das Hotel „Klomser"
gefahren ist. Der Portier dieses Hotels weiß
zunächst nichts von einem Mann, der vor kur-
zer Zeit mit einer Autodroschke vor dem Hotel
vorfuhr. Die Beamten sehen das Fremdenbuch
ein und finden den Namen des Oberst Redl,
der hier wohnt. Sie überlegen sich, ob sie nicht
sofort zu ihm gehen und ihm den Fall melden
fallen, denn sie wissen, daß der Herr Oberst
der beste Kenner aller Winkelzüge der feind-
lichen Spionage ist. Während sie noch in der
Halle stehen, faßt der eine der Beamten zufäl-
lig in die Manteltasche, er greift das lederne
Messeretui, und da fällt ihm etwas ein. Er
gibt dieses Etui dem Portier und beauftragt
ihn, jeden Hotelgast danach zu fragen, ob er
dieses Etui vielleicht verloren habe. Er hat
noch nicht ausgesprochen, da erscheint plötzlich

auf der Hoteltreppe in voller Uniform der
Oberst Redl, k. u. k. Divisions-Eeneralstabs-
chef. Die beiden Kriminalbeamten nehmen eine
achtungsvolle Haltung an, und der eine ver-
sucht noch, den Hotelportier zurllckzuhalten, der
getreu der Weisung plötzlich mit dem Leder-
etui in der Hand auf den Oberst losgeht und
ihn fragt:
„Haben der Herr Oberst vielleicht vorhin
dieses Etui verloren?"
Der Oberst greift in die Tasche, er denkt an
ganz etwas anderes, zieht sein Messer hervor,
steht auf das Etui und sagt:
„Ja, natürlich, danke Ihnen schön, das ist
mein Etui."
Mit diesen Worten geht er aus der Halle.
Die beiden Agenten erbleichen. Fassungslos
sehen sie einander an, dann sind sie wie der
Blitz auf der Straße und folgen dem Offizier.
Aber auch der Oberst, der mit schnellen Schrit-
ten davongeht, erbleicht, denn plötzlich fällt ihm
ein, daß er ganz genau weiß, wo er die Hülse
seines Messers liegen ließ. Es war in der Auto-
droschke, in der er die Geldsendungen mit dem
Messer öffnete. Die beiden Männer, die neben
dem Portier standen, als der ihm die Hülse
überreichte, fallen ihm ein, sein Instinkt sagt
ihm, daß das Kriminalbeamte waren, und er
fühlt, daß er durch einen unerhörten Zufall
verraten ist. Sofort ändert er die Richtung
seines Weges, er will zu der Garage, in der
sein Auto steht, noch kann er fliehen und dem
Tode entgehen, da fällt sein Blick auf die Spie-
gelglasscheibe eines Uhrmachergeschäftes, und
er sieht, daß ihm die beiden Beamten folgen.
Jetzt weiß er, daß er verloren ist. Eiskalt läuft
ihm der Schreck über den Rücken, ziellos biegt
er in eine Passage ein, zieht aus der Brust-
tasche einen Packen von Briefen, aus denen
seine Spionagetätigkeit und die Größe seines
Verbrechens einwandfrei hervorgeht, zerreißt
sie in kleine Stücke, wirft sie auf den Boden,
und da fällt ihm plötzlich ein, daß sich die Be-
amten vielleicht mit dem Aufsuchen dieser
Schnitzel aufhalten würden und daß er so doch
noch entkommen kann. Die Beamten aber sind
klug, nur einer liest die Schnitzel auf und der
andere folgt dem Offizier.
Redl geht stundenlang durch die Straßen
Wiens, immer gefolgt von dem Geheimpoli-
zisten, und er weiß nicht, wie er seinen Kopf
aus der Schlinge ziehen soll.
In diesen Stunden aber hat sich sein Schick-

sal bereits entschieden. Als die Beamten das
Hotel verließen, um Redl zu folgen, da hatte
einer von ihnen auf der Straße einen Polizei-
beamten angesprochen, hatte sich schnell legiti-
miert und dem Wachmann befohlen, eine be-
stimmte Nummer, die Nummer der Geheimen
Staatspolizei, anzurufen und dem Manne, der
sich am Apparat meldete, zu sagen, „es wäre
alles in Ordnung, die Briefe seien von Oberst
Redl abgeholt". Als diese Meldung in dem
Büro der Staatspolizei einlief, faßte sich der
leitende Beamte an den Kopf und üherlegte
sich, ob seine beiden Außendienstbeamten nicht
plötzlich wahnsinnig geworden seien. Aber im-
merhin jagte er einen Beamten im Auto zur
Post, ließ die Quittung über die erhaltenen
Briefe abholen, auf andere Weise besorgte er
sich aus den Dienstakten des Kriegsministeriums
schnell die Handschrift Redls, und er erblaßte,
als er feststellen mußte, daß die Quittung
zweifelsfrei von Redl unterschrieben war. Noch
glaubte er, daß sich die Sache harmlos auf-
klären würde, es war ja immerhin möglich,
daß Redl irgendwelche besondere geheimnis-
volle Aufträge hatte, mit denen das Abholen
der Eeldbriefe zusammenhing, da stürzte atem-
los und zitternd vor Aufregung ein Beamter
in sein Zimmer und breitete vor ihm die Brief-
schnitzel aus, die der Oberst Redl auf der
Straße weggeworfen hatte. Sie werden zu-
sammengestellt, es sind Quittungen über ein-
geschriebene Briefe nach dem Auslande, und es
sind sämtliche Adressen angegeben,^ von denen
man weiß, daß es die Anschriften setnvucher
Spionagebüros sind. Einige Briefe sind darun-
ter, aus denen ebenfalls mit Sicherheit hervor-
geht, daß Oberst Redl ein Spion ist.
Der Chef des Nachrichtenbüros des öster-
reichischen Eeneralstabs, Redls Nachfolger, der
Oberst von Urbanski, sitzt lange Zeit in seinem
Zimmer und ist nicht in der Lage, zu fassen,
was da ermittelt worden ist.
Oberst Redl hat sich inzwischen gesammelt.
Er steht, daß er dem Kriminalbeamten, der
ihm unentwegt folgt, nicht entrinnen kann, und
er geht zurück in sein Hotel, wo ihn ein alter
Freund, mit dem er den Abend verbringen
will, bereits erwartet. Das ist ein hoher Be-
amter des Wiener Obersten Gerichtshofes, der
Erste Staatsanwalt Dr. Viktor Pollack, der mit
Redl eng befreundet ist. Redl und Pollack gehen
(Fortsetzung auf Seite 6)

Gesamtbild des S.A. - A u f m a r s ch e s in Oldenburg
Tausende und aber Taufende waren herbeigeströmt, um unseren Führer Adolf Hitler zu sehen.
 
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