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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 1
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Kinkel, Johann: Zur Frage der psychologischen Grundlagen und des Ursprungs der Religion, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0034
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Dr. Johann Kinke!

tung sozialer Institutionen und der großen Stimmungen im kultm?
reiten Leben der MensAheit — wie der Religion, der Ethik, des
ReAtes und der Kunst — betraAten soll.
Die NaturwissensAaften haben sAon seit langem das soge-
nannte biogenetisdieGrundgesetz der Entwicklung feststellen können
und seine Gültigkeit in den verschiedensten Gebieten der Biologie
nachgewiesen. Es ist das Gesetz der Übereinstimmung der Onto-
genese mit der Phylogenese in seiner Anwendung auf die Biologie
des Menschen, dahinlautend, daß die Entwicklungsgeschichte des In-
dividuums eine abgekürzte Wiederholung derjenigen der Gattung
ist. Mit anderen Worten, man konnte überhaupt feststellen, daß
diejenigen Gesetze, die die allgemeinsten Erscheinungen des Lebens
beherrsAen, notwendig zugleich mit den durch die spezielle Natur
der Gebiete bedingten Modifikationen auch Gesetze dieser einzelnen
Gebiete sind. Ganz besonders ist es dem großen Naturforscher
unserer Zeit, Ernst Haeckel, gelungen, dem biogenetischen Grund-
gesetz eine weitere Begriffsbildung zu geben, d. h. ihm auch eine
kausale Bedeutung in dem Sinne beizulegen, daß in der EntwiA-
lung der Gattung die entscheidende Ursache für die Aufeinander-
folge der Bntwiddungszustände des Einzelwesens gegeben ist. Be-
traAten wir das biogenetisAe Grundgesetz speziell in seiner Fassung
gegenüber der Physiologie des Menschen und seiner Entwicklung,
so lautet es, daß der mensAliAe Organismus in dem Uterus der
Mutter dieselben Formen der Entwicklung durchläuft wie die
ganze organische, respektive Tierwelt — von der ersten For-
mation, die der Ameube gleidit, bis zur letzten, dem komplizierten
Organismus der Wirbeltiere, und dann weiter zur Ausbildung
der Besonderheiten des MensAenorganismus. D. h. die Naturwissen-
schäften stellten fest, daß ein Parallelismus besteht zwischen der
Entwiddung einer höchsten Art (species) und derjenigen einer
ganzen Reihe niederer Arten, woraus sich die Formel ergibt:
Die höhere Art wiederholt in ihrer Entwicklung die
Formen und die Stufen der Entwicklung niederer Arten
(species).
Nun hat die Soziologie ihrerseits erst vor kurzem begonnen,
ebenfalls dieTatsaAe eines gleidienParallelismus festzustellen,nämlich
zwischen der geistigen Entwicklung und dem SAaffen der Natur-
völker und denjenigen des modernen KulturmensAen im Kindes^
alter in der ersten vernünftigAewußten Geistesstufe. Das waren
 
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