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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0261
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251

Bücher.
H.ZULLIGBR: Psychoanalytische Streiflichter aus derVolks-
schulpraxis. Verlag Ernst Bircher, Bern 1921.
Viele ernsthafte Pädagogen haben sich schon gefragt, oh und
inwieweit die Psychoanalyse in der Volksschule praktisch ausgeübt
werden dürfe. Einzelne bejahten bedingungslos, andere wollten die Psycho-
analyse nur als prophylaktisches Hilfsmittel des Lehrers gelten lassen,
dritte lehnten sie als pädagogische Hilfsmethode scharf ab. Zu Big er, ein
junger Berner Lehrer, hat si& dadurch ein großes Verdienst erworben,
daß er in diesem Streite nicht nur eine klare Stellung bezogen, sondern
daß er gleich gezeigt hat, wie die Psychoanalyse in der Volksschule an-
gewendet werden kann und soll. Seine Schrift ist nicht theoretischer Art,
sie ist direkt aus der Schularbeit herausgewachsen. Deshalb pulsiert darin
ein frisches, freudiges Leben.
Zulliger schickt seiner Schrift einen Abschnitt ^Die ,andere' Bin-
Stellung^ voraus. Er legt darin dar, wie eben der analysenkundige und
noch mehr der analysierte Lehrer seinen Schülern gegenüber ganz anders
auftritt und wie dies in günstiger Weise auf die Kinder zurü&wirkt.
Ein wichtiges Kapitel namentlich für angehende Erzieher und für solche,
die an ihrer Erziehungskunst verzweifeln wollen.
Mit viel Liebe und feinem Sinn sind die *FäMe<K geschildert. Sie
bestätigen, was so oft schon von pädagogisch tätigen Psychoanalytikern
behauptet und von Gegnern der Psychoanalyse bestritten worden ist, daß in
jeder Schulstube einige Neurotiker sitzen. Wie diesen geholfen werden kann
oder wie sie wenigstens vor noch Schlimmerem zu bewahren sind, schildert
der Verfasser an Hand seiner Schulerlebnisse auf sehr anschauliche und
einleuchtende Weise. Bei seinen Analysen geht er außerordentlich vorsichtig
zu Werke,- die Sexualkomplexe schneidet er z. B. nur an, wenn er es im
vollen Einverständnis mit den Eltern eines Zöglings tun kann. Daß er
die Erzieher zur klugen ZurüAhaltung ermahnt, solange noch so riesige
Vorurteile gegen die sexuelle Aufklärung im allgemeinen und die Psycho-
analyse im besonderen bestehen, gereicht seiner Schrift zum Vorteil.
Zulliger wollte zeigen, daß der Pädagoge sein erzieherisches Können
durch das Studium der Psychoanalyse in ungeahntem Maße bereichert und ver^
tieft. Und dies ist ihm auch entschieden geglü&t. A. Furrer, Zürich.
 
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