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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 9.1923

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Heft 1
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Róheim, Géza: Nach dem Tode des Urvaters
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https://doi.org/10.11588/diglit.28544#0104
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^ C.
hatten den Vater gegessen, sie strebten nach steter Wiederholung
dieser Tat, aber etwas in ihnen war Vater geworden und hemmte die
Wiederholung der Sünde. Tabuierte Speise, heißt es bei den Maori,
ist eine Speise, in welcher ein göttliches Wesen steckt und wenn es
die größte Insulte ist, die einem Menschen getan werden kann, ihn
aufzuessen, wie hoch ist das Verbrechen erst anzuschlagen, wenn man
die Götter ißt"? So strahlt das Verbot der Anthropophagie allmählich
auf andere Speisen aus und wir erhalten das Bild der zunehmenden
Nahrungsverweigerung, welches so charakteristisch für die Melancholie
ist. Wir dürfen daher die Speiseverbote der Trauerzeit aus derselben
Quelle wie die totemistischen Speiseverbote ableiten oder auch die
letzteren als permanent gewordene Trauerzeitverbote auffassen. Ebenso
müssen wir in dem großen Schmaus, in dem die Trauerperiode be-
endet wird, ein dem Totemsakrament analoges Durchbrechen der Ver-
bote erblicken. Der Melancholiker verweigert die Nahrungsaufnahme
und straft sich auf allerhand Art und Weise, weil er die große Sünde
begangen, den Vater getötet und aufgegessen hat". Durch diese Tat
hat er aber den Vater als Ich-Ideal introjiziert und damit auch den
Kampf zwischen Vater und Sohn, Bruder und Bruder als Konflikt
zwischen Ich-Ideal und Aktual-Ich verinnerlicht. Wo bleibt aber die
Erklärung der Periodizität im Ablauf der Manie und Melancholie?
Wenn wir die Melancholie gefunden haben, kann die Manie nicht
allzuweit sein.
Prof. Freud sagt in seiner öfter zitierten Arbeit, daß die Phase
des Triumphes, die der Manie entsprechen würde, bei der normalen
Trauer nicht zu konstatieren seik Natürlich trifft dies zu für die Trauer-
arbeit, wie wir sie in unserer Beobachtung im Alltagsleben finden,
nicht aber für die Primitiven. Im Gegenteil, wir können feststellen,
daß die Trauerzeit hier häufig in einer Orgie, einem großen Fest-

1) E. Shortland: Maori Religion and Mythology. 1882. 2g, 26.
2) Vergl. K. Abraham: Kiinische Beiträge zur Psychoanalyse. 1921. 2g6—2g8.
g) Trauer und Melancholie. Zeitschrift. IV. 298.
 
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