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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Osborn, Max: Deutsches Kunst-Gewerbe auf der Welt-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0130

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Seite 94.

Illustr.

Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Juni-Heft.

r. Riemkrschmid, München.
Pariser Welt-Ausstellung 1900.

Fries und Deckenleuchter im
■»Zimmer eines Kunst freundest..

longue, auf der man mit einiger Phantasie die schöne Madame
Recamier mit nackten Füssen ruhen sieht. Zurückhaltender
hat Seidl diesen Stil in den Kunstausstellungssälen angewandt,
wo die Dekoration in den Hintergrund treten musste. Er
hat einen Saal auf roth, einen auf gelb und einen auf grün
gestimmt, und zumal die ersteren mit reich geschmückten,
sehr glücklich gelungenen Portalen bedacht, während er die
hohen Wände des gelben Raumes mit einem Relief-Fries in
der karakterisirten Manier — grau auf schwarz — krönte,
einem festlichen »Triumphzug der Künste«.

Von dem, was alle diese sorgsam und geschmackvoll
hergerichteten Räume des »Grand Palais« in ihrem Innern
bergen, kann man leider nicht ganz mit der gleichen rück-
haltslosen Anerkennung sprechen. Alle Mahnungen und
Befürchtungen, die seit Jahren laut wurden, haben nichts
gefruchtet; man hat sie einfach hochmüthig überhört. Dass
die Ausstellung trotzdem noch eine ganz gute geworden
ist, die von dem Aufschwung und der lebensvollen Entwicke-
lung der deutschen Kunst Zeugniss ablegt, ist ein Beweis
für die schönen Kräfte, über die wir verfügen. Aber warum
sollen wir bei dem internationalen Wettkampf einer Welt-
ausstellung unser Licht unter den Scheffel stellen? Warum
dürfen wir nicht alles zeigen, was wir besitzen? Warum
müssen die anderen Völker glauben, unser Können reiche
nur so weit, während es in Wahrheit viel, viel weiter reicht ?
Es kommt hier doch gerade darauf an, was die andern Völker
von uns denken! Soviel über die »hohe Kunst«.

Aber wenn es auch der nächste und erste Zweck unserer
Betheiligung an dem Riesen-Jahrmarkt zu Paris ist, uns mit
den anderen Nationen des Erdballs zu messen, so wird diese
Ausstellung doch ohne Zweifel auch für die inneren Ange-
legenheiten der deutschen Kunst eine bedeutsame Rückwir-

kung mit sich bringen. Unsere maassgebenden und offiziellen
Kreise werden erkennen, wie einseitig sie handelten, wenn
sie sich bisher der jungen, aufstrebenden Künstler-Generation,
oder, um es mit dem hässlichen Schlagwort zusammenzufassen,
das man nur widerwillig gebraucht, den »Modernen« gegen-
über so feindlich verhielten. Das Reichs-Kommissariat hat
gezeigt, dass es die Wichtigkeit der neuen Kunst wohl erkannt
hat, indem es Bernhard Pankok die künstlerische und
drucktechnische Leitung des stattlichen deutschen Katalogs
übertrug, was ihm fraglos von manchen als eine allzu grosse
Kühnheit angerechnet werden wird. Aber die Regierung
wird erleben, dass wir in künstlerischen und kunstgewerb-
lichen Dingen überall und nur da Erfolge haben, wo man
eben die frische Sprache der Jüngeren zuliess. Und sie wird
sehen, dass wir überall da zurückstehen, wo abgebrauchte
Formen ohne persönliche Zuthaten vorgetragen werden —
denn auch das ist geschehen! Man möchte wünschen, dass
alle diejenigen, die in unseren Kunst-Angelegenheiten ein
entscheidendes Wort zu sagen haben, Gelegenheit hätten,
diese Behauptungen in Paris recht eindringlich nachzuprüfen.
Für unsere einheimischen Kunstverhältnisse könnten sich
daraus unberechenbare Vortheile ergeben!

Paris, den i. Mai. Dr. Max Osborn.

NOTIZ. Ein grosser Theil der im vorstehenden Einleitungs-
Berichte erwähnten Erzeugnisse neuzeitlicher deutscher Ge-
werbe-Kunst findet sich im Juli-Hefte unserer »Deutschen
Kunst und Dekoration«, abgebildet, so in erster Linie das
Empfangs-Zimmer der Darmstädter Künstler - Kolonie, ent-
worfen von Professor Joseph M. Olbrich und ausgeführt von
Julius Glückert, Hof-Möbelfabrik in Darmstadt. Dieser Raum
war bei Gelegenheit der Grundstein-Legung des Künstler-
Hauses (»Ernst-Ludwig-Haus«) in den Lokalitäten des
Glückert'schen Etablissements montirt worden und konnte bei
dieser Gelegenheit für die »Deutsche Kunst und Dekoration«
aufgenommen werden. Der Raum enthält Arbeiten aller
Mitglieder der Kolonie und bietet namentlich auf dem Gebiete
des Möbel-Baues, der Zimmer-Dekoration, der Kunst-Stickerei
und Knüpf-Teppiche eine grosse Fülle bedeutsamer Anreg-
ungen. Ferner finden sich hier auch Schmucksachen, buch-
gewerbliche Arbeiten, Kunst-Verglasungen, geschmiedete
Eisen-Gegenstände etc. Dasselbe Heft der »Deutschen Kunst
und Dekoration« bringt auch die von Dr. Osborn hervor-
gehobenen Ausstellungs-Objekte der Kgl. Porzellan-Manufaktur
zu Charlottenburg nach Entwürfen des genialen Bildhauers
und Keramikers Franz Metzner, sowie die von /. H. Werner,
Hof-Juwelier in Berlin nach Paris gesandten wundervollen
Schmuck-Gegenstände und Geräthe in Edelmetall und Steinen.

Bei dem ungeheueren Umfange des Materiales, welches
die Welt-Ausstellung auf kunstgewerblichem Gebiete vorführt,
muss es als unmöglich erscheinen, dieses innerhalb einer Zeit-
schrift in der raschen Folge und so umfassend vorzuführen,
wie es namentlich dem Fachmanne dringend erwünscht sein
muss. Wir haben deshalb Maassnahmen getroffen, die es
ermöglichen, dass sich die Darbietungen der Elite-Hefte unserer
Zeitschrift ergänzend an die der »Deutschen Kunst und De-
koration« anschliessen. Ein regelmässiges Verfolgen der
Welt-Ausstellungs-Hefte beider Organe gewährt daher einen
zuverlässigen, raschen und allseitigen Ueberblick über die künst-
lerischen und kunstgewerblichen Darbietungen aller Nationen,
insoweit sie überhaupt künstlerisch produktiv erscheinen.

Christian Hövel, Architekt in Stuttgart, hat die An-
sicht eines kleinen Landhauses gezeichnet, welche in der
Titelkopf-Umrahmung auf der ersten Seite des vorliegenden
Heftes nach der perspektivischen Skizze wiedergegeben ist. —
 
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