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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Klien, Rudolf: Kultur und Kunst - Weltausstellungs-Betrachtungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0172

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Seite 128.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Augiist-Heft.

Leon Bochoms, Verviers.

Ober-Ftnster in Opalescent- Verglasung.

im individualistischen Renaissance-Zeitalter gehört die Kunst
noch der Allgemeinheit, ausschliesslich im Dienst des Kirchen-
kultus stehend. Erst mit Rembrandt, dem ersten protestan-
tischen Kunstgenie, ist der Bruch mit der Allgemeinheit
vollends da, doch förderte damals noch der innige Zusammen-
hang zwischen Bürger und Staatsleben die Kunst in einer
Weise, die heute unbekannt, indem sie dem Naturalismus,
selbst dem Porträt jene »historische Grösse« verlieh, die dem
heutigen Naturalismus vollends mangelt. Trotzdem aber
beginnt schon mit Rembrandt die Tragödie der Künstler, die
vorher unbekannt und heute an der Tagesordnung: der
Künstler wird verkannt. Die nothwendige Folge des äussersten
Individualismus, denn —: je individueller die Kunst, je ver-
ständnissloser steht ihr die Allgemeinheit gegenüber. Dieser
Individualismus hat heute seinen Höhepunkt erreicht, und
eine Abkehr von ihm thut noth. Freilich muss man damit
rechnen, dass das Individuum einmal von der Gesammtheit
gelöst und nie wieder in seinem früheren Umfange einge-
gliedert werden kann, was die Entwickelung der Massen
bedingt. Aber wie die Soziologen eine individuelle Erziehung
des Einzelwesens auf einer allgemeinen Basis erzielen möchten,
so wird man auch in der Kunst vom allzu individuellen zum
typischen zurückkehren
müssen; stets eingedenk
allerdings der grossen
Errungenschaft, die das
überindividuelle Empfin-
den der Kunst ebenso
geleistet, wie das ratio-
nalistische Denken den
Wissenschaften. Aber
nun ist die Zeit der
Rückkehr. Auf dem Ge-
biet der bildenden Kunst
liegen die Errungen-
schaften des Individuellen
vornehmlich im Kolorit,
ja selbst bei der Plastik
in der »malerischen«
Technik; doch dies erst
in neuester Zeit. Was das
Kolorit anbelangt, so
vergleiche man einmal
die Entwickelung des-
selben von Fra Angeliko
über Boticelli zu Rafael
und von dort über Ve-
nedig zu Rembrandt;
wobei die klimatischen
Einflüsse natürlich nicht
ausser Acht gelassen

Bücher- und Musikalkn-Schrank von Leon Bochoms, Vervier

werden dürfen. Aber diese koloristische Entwickelung war
nothwendig, da der Weg von der frühesten Kultuskunst zur
individuellen Kunst immer weiter als der Weg vom produk-
tiven Verstand zum Gefühl war; der Verstand aber die Linie,
das Gefühl die Farbe erzeugt. Aus welchem Grunde in
neuester Zeit auch einige Künstler, die den Gefühlszusammen-
bruch des Neu-Romantizismus ablösen, wieder, wie Valloton
und Th. Heine, mit der Linie beginnen. In diesen beiden
Künstlern ist der Verstand wieder produktiv geworden, ein
Weg, auf dem nothwendig weitergegangen werden muss,
wenn auch in einer anderen Art. Denn aus einem neuen
Verstandesleben soll das einheitliche philosophische Denken
wachsen, das, an Stelle der spezialisirenden naturwissen-
schaftlichen Einzelforschung, ein Band um die Gesammtheit
schlingt und so »Mann und Masse«, »Künstler und Volk«
wieder zusammenführt. Möge diese Erkenntniss recht allge-
mein von der Welt-Ausstellung mit nach Hause genommen
werden! Rudolf Klein—Berlin.

ZU DEN ILLUSTRATIONEN. Die Ansicht eines Land-
hauses, welche diesmal die Titel-Zeichnung schmückt, ist
von den Herren Meier und Werle, den unseren Lesern aufs Vor-
theilhafteste bekannten
Berliner Architekten ge-
zeichnet. — Ueber Leon
Bochoms in Verviers ha-
ben wir bereits im Mai-
Hefte S. 88 nähere Mit-
theilungen gemacht. —
Ferner bringen wir noch
drei grössere Ansichten
des Empfangs-Zimmers,
welches die Darmstädter
Künstler-Kolonie auf der
Welt-Ausstellung vorge-
führt hat. Der Gesammt-
Entwurf dieses höchst
reizvollen Raumes rührt
von Prof. J. M. Olbrich
her. An den Einzelheiten
sind sämmtliche Herren
der Kolonie mit treff-
lichenArbeiten betheiligt.
Details mit ausführlicher
textlicher Erläuterung
finden sich im Juli-Hefte
unserer Deutschen Kunst
und Dekoration. Ausge-
führt wurden alle Möbel
in der Hof-Möbelfabrik
Jul. Gluckert, Darmstadt.
 
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