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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Fred, W.: Die Winter-Ausstellung im Österreichischen Museum W. Fred
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0054
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Februar-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Architekt Hammel, Wien.

Ausstellung des Oesterreichischen Museums für Kunst und Industrie.

Wien.

Büffet mit Heizkörper- Untersatz.
Dezember 1900.

Die Winter-Ausstellung im österreichischen Museum.

Vorh

'ieder einmal haben sich im kritischen
Marionetten-Theater alle Puppen heftig
bewegt. Es wurde »kritisch« gemordet,
moralisch todtgeschlagen. Manchmal
konnte man auch die Drähte sehen, an
denen die heftig agirenden Puppen gingen.
Dann ist — nach diesem Zwischen-Spiel —
lang gefallen, die Arbeit geht fort, hoffentlich
Dorrt Diese Karakteristik kunstkritischer Beurtheilung
geht die Betrachter der diesjährigen Winter-Ausstellung im
österr. Museum an. Die alljährliche Rundschau über die
unstgewerblichen Strömungen und die Thätigkeit des abge-
aufenen Jahres bringt alljährliches Lob, alljährliche Schmäh-
ungen. Der Direktor des Museums, Herr Hofrath v. Scala,
ist wohl schon daran gewöhnt. Die Feinde wurden zu
freunden, die Freunde zu Feinden, das ist der Kreislauf, der
sich im Museum und theilweise auch in der Sezession vollzog
und vollzieht. Auf beiden Seiten hat man sich entwickelt.
n der Sezession sind die Möbel konstruktiver, weniger phan-
tastisch als früher, im Museum sind sie ruhiger, weniger
unst und mehr Kunstgewerbe. Der Titel der Anstalt heisst
e en »Museum für Kunst und Industrie«. Daran dachte man
|eses Jahr öfter als früher. Das Niveau der Ausstellung
war zweifellos hoch. In Bezug auf die Ausarbeitung konnte
Je es Stück getrost einen Vergleich mit der besten französischen
wei.n.8,

Arbeit aushalten. Das ist nach den Erfahrungen, die man
in Paris gemacht hat, ein starkes Lob; allein es ist verdient.
Die Ausstellung bringt diesmal zu gleichen Theilen Kopien
historischer Interieurs und Räume nach ganz modernen Ent-
würfen. Damit scheint gesagt: Es hat sich erwiesen, dass
die moderne Art nicht den Ansprüchen aller Stände genügt.
Es gibt Leute, die das Bedürfniss nach Rokoko, Louis XVI.
und Empire haben; weshalb sollte eine Staats-Anstalt, deren
Aufgabe die Erziehung und Förderung des Kunstgewerbes
ist, nicht darangehen, durch Vorführung ausgezeichneter, ins
letzte Detail exakter und treuer Kopien den Geschmack zu
bilden? Diese Ansicht der Museumsleitung wurde heftig
angegriffen; schlechte Freunde und gute Feinde verkündeten
eiligst: der Herr von Scala hat sich von der modernen Rich-
tung abgewendet, es wird wieder mit dem alten Schlendrian
angefangen. Ich kann sagen: Ich verstehe die Aufregung
nicht. Es gibt eine ganze Reihe moderner Interieurs in der
Ausstellung; eines von Tropsch, einem wahrscheinlich hoch-
begabten Architekten, ist sogar weitaus das extravaganteste
und extremste, was mir in den letzten Jahren begegnet ist.
Es gibt, denke ich, nur ein Genre, das zu perhorresziren ist:
untreue, schlechte Kopien. Gegen stilgerechte historische
Interieurs habe ich nichts einzuwenden. Es gibt Leute, die
Prunk-Möbel brauchen, deshalb darf es keinem Vernünftigen
einfallen, die kostbaren kunstgewerblichen Leistungen alter
 
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