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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Was uns die japanische Kunst noch sein kann
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0155
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Wf IUUEU-PCKORATIOU

j UMSTRICKTE

ZEITSCHRIFT
FÜR-DEU

XII. Jahrg. 1901.

Darmstadt.

August-Heft.

Was uns pie japanische Kunst noch sein kann.

s sind etwa zwölf Jahre her, seit wir Kenntnis
— wirkliche Kenntnis — von der japa-
nischen Kunst gewannen. 1883 erschien
L. Gonse, l'art japonais, 1888—91 das einzig
dastehende Werk von S. Bing: der japa-
nische Formenschatz. In drei Bänden ist
hier die ganze Fülle der Schätze dieser
seltenen Kunst in beinahe mustergültiger Weise aufbewahrt
und mit einem Text begleitet, in dem die herrliche Freude
über all das neu Entdeckte, der Enthusiasmus des Forschers
und Kritikers noch in jedem Worte zittert. Seitdem sind
noch viele Bücher erschienen, auch bei uns. Die Bewegung
kam nun in Fluss. Die Museen und die reichen Leute legten
sich kleine Sammlungen an. Es entstand ein internationaler
Markt für japanische Werke. Seitdem wird auch bei uns
darüber geschrieben. Es sind meist Bücher mit gelehrtem
Anstrich; ihnen geht von vornherein ein reiches Bilder-
Material ab. Ein Buch, das fruchtbar werden könnte, ein
Schönheits-Buch, ist nicht geschrieben worden. Man kann
da überall wohl etwas lernen — über Geschichte, Ursprung
dieser Kunst. Es wird alles — »zusammenfassend« — »ab-
schliessend« — gegeben, wie als ob diese Kunst schon ein-
gesargt werden könnte. Damit war in der That das Schicksal
dieser Kunst für uns beinahe besiegelt. Die Mode war vorbei.

Ich möchte nun die Aufmerksamkeit unserer Künstler
noch einmal auf diese, uns im Grunde so fremde — japa-
nische — Kunst hinweisen, da ich der Ueberzeugung bin,
sie muss für jeden zu jeder Zeit — lerne er sie nur erst
kennen, nehme er sie sich von neuem wieder vor — zu einer
Quelle der Erneuerung werden. Wenn ich nun — ohne die
Ueberzeugung einer »That« zu haben — in aller Stille diese
abgethane Kunst wieder in Erinnerung bringe, so geschieht
das in der sicheren Meinung, dass hier für die gedeihliche

Entwickelung unserer Kunst ein guter Grund liegt. Manche
werden vielleicht schon ebenso denken und für sich danach
handeln, und ich bringe demnach nur etwas zur Sprache,
das den thatsächlichen Gang der Entwickelung nur erleichtert,
indem es überflüssige Hemmnisse beseitigt und von vorn-
herein ein wenig Bewusstsein in dieses Treiben bringt, Be-
wusstsein für die, die ebenso denken und ebenso streben.

Wenn ich also von Erneuerung sprach, so meine ich
das nicht in dem Sinne, dass diese Kunst uns ein Vorbild
sein soll, dem wir blindlings nacheifern sollen. Das will
diese Kunst nicht — das kann sie auch nicht. Sie kann es
nicht, weil sie — wie kaum eine andere Kunst — fertig, in
sich abgeschlossen ist. Man hat ihr oft daraus einen Vor-
wurf machen wollen und ihr einen Platz zugewiesen, fern
von unserer eigentlichen Entwickelung, als wäre sie etwas
Absonderliches, deren Kenntnis eben interessiert. Gerade
darum ist sie wertvoll und so interessant, darum auch speziell
für uns so brauchbar, weil sie sich, ihrem innersten Wesen
getreu, bis in die letzten Konsequenzen entwickelt hat. Zur
Zeit hat sich dieses Volk ganz ausgegeben; ihr ganzes Wesen
hat sich hier rein entfaltet. Darum kann die japanische Kunst
nicht den Zweck haben, irgendwo, auf einem bestimmten
Kunst-Gebiet — allenfalls könnte man die Keramik oder die
Zeichenkunst anführen — in direkter, deutlich sichtbarer Weise
einzugreifen. Die Sendung, die diese neue Botschaft aus
Ostasien zu erfüllen hatte und noch hat — denn noch kann
man von einer Befruchtung nicht reden — liegt nicht auf
einem abgeschlossenen Gebiet. Wir sollen nicht lernen von
den Japanern, wenigstens nicht in dem kleinlichen, landläufigen
Sinne. Wir sollen uns an ihnen freuen und stärken — immer
wieder, weiter nichts. Diese Wahrheit — im Auslande an-
fangs instinktiv gefühlt — ging verloren. Mit ihr die Sache
selbst. Das war der Anfang vom Ende. Man spricht wohl

1801. VIII. 1.
 
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