Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

DOI Artikel:
Zimmermann, Ernst: Altes und neues Porzellan und sein Stil
DOI Artikel:
Neues vom Wiener Kunstgewerbe
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0169
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
August-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 143.

gearbeitet haben, das jene daher auch nie in wenig Monaten
ganz aus sich selber werden gewinnen können. Hier würden
sie und namentlich in der ostasiatischen Keramik, der muster-
gültigsten von allen, gar bald erkennen, dass es bisher zwei
Arten, Keramik zu dekorieren, gegeben hat und wohl immer
nur geben wird. Entweder man deckt den Gefässkörper
möglichst gleichmässig mit sich verteilendem Ornament —
dies ist vor allem die Methode der gemütsruhigen Chinesen —,
oder man belebt ihn nur partiell, wie es vor allem die mehr
nervös-unruhigen Japaner thun, durch ein graziös hingestreutes
Motiv, das sich den Grund-Tendenzen des betreffenden
Gefässes möglichst gut anpasst. Eine Belebung bedeutet es
auch, wenn man die Ornamentik nur zur Einfassung der
Ränder oder Betonung sonstiger wichtiger Teile, wie Henkel-
ansatz u. dergl., benutzt. Erstere Methode erzeugt wohl die
grösste Harmonie zwischen Schmuck und Gefäss, beides
erscheint gleichwertig und nur für einander da zu sein, sie
ist dafür aber, weil reicher, auch kostspieliger. Die zweite
bringt vor allem durch Gegensatz das Material zur besten
Geltung und erfordert dabei weniger Zeit und Mühe. Sie ist
daher, da Hand-Arbeit heute der eigentliche Preishalter in
Industrie und Kunst ist, für unsere Zeit wohl die geeignetere,
obwohl die erstere so reizvoll ist, dass wir ohne Grund nicht
ganz darauf verzichten sollten. Wird ja doch heute noch
genug — man denke an alle die Nachahmungen Meissener
Porzellans oder die unzähligen Porzellan - Gemälde, die die
keramische Kunst langsam töten, wenn sie auch vielen Jung-
frauen das Leben ermöglichen — auf diesem Gebiete an
Hand-Arbeit verschwendet.

Und noch eine andere Eigentümlichkeit des modernen
Porzellans wird hier in den Museen auffallen, die schwerlich
als ein Vorzug angesehen werden kann: das ist ihre Farben-
mattigkeit. Kein einziges der modernen Erzeugnisse der in
Rede stehenden Art würde in koloristischer Beziehung in
irgend einem Schrank mit alten Porzellanen oder auch nur
Fayencen zu ertragen sein: es würde wie ein matter Fleck
zwischen lauter Farbe und Buntheit wirken. Zweierlei Ur-
sachen haben in dieser Beziehung das moderne Porzellan
stark beeinflusst: historische wie technische. Die modernen
Erzeugnisse teilen noch die typische Farbenscheu des soeben

vergangenen Jahrhunderts, zu der es in der ganzen Mensch-
heits - Geschichte wohl kaum ein Seitenstück geben dürfte.
Es war als ob die Menschen plötzlich einen Sinn verloren
hätten. In technischer Beziehung handelt es sich um den
eigenartigen Ehrgeiz unserer Zeit, Triumphe der Wissenschaft
auch in der Kunst zur Geltung bringen: hier ausschliesslich
mit den neu erfundenen Unterglasur - Farben künstlerische
Wirkungen erzielen zu wollen. Doch ach, wie selten haben
in unserer Zeit wissenschaftliche Triumphe auch künstlerische
bedeutet! Es macht nicht der Reichtum der Mittel den
Künstler, der vielmehr, wenn frisch erworben, wie hier, leicht
zum Parvenütum führen kann. Zwar bürgen ja Unterglasur-
Farben gleichsam für ewige Dauer, aber zugleich auch dafür,
dass der Glanz und die Tiefe der vergänglicheren Ueber-
glasur-Farben nie erreicht wird. Der Unterschied ist hier in
physikalischer Beziehung fast derselbe wie zwischen einem
gefirnissten Oelgemälde und einer Email-Malerei. Dort prallt
das Glanz spendende reflektierte Licht von der Oberfläche
des Farben-Pigments ab, hier durchdringt es dasselbe noch
einmal von hinten. Auf welcher Seite da die Verstärkung
der Farbenkraft liegt, kann ja nicht zweifelhaft sein, ist aber
doch für die Keramik selber von grösster Bedeutung. Denn
die Keramik ist, was nicht genug betont werden kann, in
erster Linie eine koloristische Kunst, ja vielleicht die kolo-
ristischste überhaupt, mit der nur noch das stammverwandte
Glas sich zu messen vermag. Warum nützt man daher diese
Kraft nicht aus, da es doch kein falsches Stilgesetz sein
dürfte, jede Kunst gerade nach der Seite hin zu entwickeln,
wo ihre grösste und nur die ihr eigene Kraft liegt. Dass
Ueberglasur-Farben nicht so lange Bestand haben, darf hierbei
kein Hindernis sein: es steht in dieser Beziehung wirklich
nicht so schlimm, wie immer gemeint wird. Gehört doch die
Ueberglasurfarben-Keramik immer zu dem Intaktesten, was
uns von dem Kolorismus vergangener Zeiten erhalten ist.
Und dann kann man, beim Gebrauchs-Geschirr ja muss man
auch jene Stellen frei lassen, wo der Gebrauch seine Furchen
zu graben pflegt. Erst wenn die Keramik wieder vollfarbig
wird, werden wir auch eine wirkliche keramische Kunst
haben, und darum sollte hierauf zunächst jeder Keramiker
seine Anstrengungen richten. Dr. Ernst Zcmmermann—Dresden.

Neues Vom Wiener Kunstgewerbe.

Ueber die neuesten Erzeugnisse der österreichischen
Gewerbe-Kunst veröffentlicht anlässlich der Ausstellung
im k. k. österreichischen Museum für Kunst und Industrie
die »Frankf. Ztg.« eine interessante Studie von Armin
Friedman, Wien, der wir folgendes entnehmen:

Die Erfolge der Wiener Kunstgewerbeschule sind haupt-
sächlich Herrn v. Scala zu danken. Er hat dem alten ver-
knöcherten System den Todesstoss versetzt und den neuen
Direktor, den Maler Felician Freiherrn von Myrbach ans
Regiment gebracht. Er hat auch die Professoren Kolo Moser,
Arthur Strasser, Josef Hoffmann und Alfred Roller zu
Lehrern bestellen lassen, die Secessionisten, die Kunstneu-
modischen. Damit kam ein frischer Zug in die verstaubte,
verzopfte, alte Schule; davon wurden sogar die älteren Mit-
glieder des Lehrkörpers ergriffen und eine Art von Johannes-
trieb kam über sie. Es ist merkwürdig, wie lebendig auf
allen Zweigen des kunstgewerblichen Unterrichtes jetzt ge-
arbeitet wird, immer mit Rücksicht auf die praktischen An-
forderungen, die Bedürfnisse des Tages, auf Bequemlichkeit
und Zweckmässigkeit. Das Gipsmodell und das abgeschmackte,
langweilige Zeichnen nach Vorlagen ist natürlich längst ab-

geschafft. Noch vor einigen Jahren erliess eine Berliner
Zeitschrift eine Rundfrage an die Künstler Deutschlands, ob
es denn möglich sei, das Gips-Zeichnen zu erlassen. Heute
fragt Niemand mehr, denn man ist von der Unzweckmässigkeit
so ziemlich allgemein durchdrungen. In den Vorbildungs-
klassen werden bei uns schon flotte Skizzier-Uebungen vor-
genommen. An Stelle des Gips-Ornamentes, des Gips-Kopfes
treten lebendige Blumen, die mit dem Pinsel abgezeichnet
werden. Das Pinsel-Zeichnen, das wir neuestens wieder von
den Japanern haben lernen müssen, wird überhaupt stark
kultiviert; mit Recht, denn es gibt dem Gelenke Freiheit,
wo der harte Bleistift sich ins Papier graviert und die Hand
krampfhaft versteift. In den Vorbildungsklassen wird Anatomie
und Perspektive mit nachdrücklicher Gründlichkeit unterrichtet.
Die angehenden Künstler können gar nicht genug bekommen.

Besonders gefiel uns die einleuchtende Methode des
Professors der Perspektive J. Kajetan. Dieser Lehrer setzt
keinerlei mathematische Kenntnisse bei seinen Schülern voraus;
er führt das Abstrakte direkt ins Anschauliche, das Begriff-
liche ins Begreifliche hinüber. Er sagt fast nichts, weil er
Alles zeigt. Die von ihm ersonnenen, sehr witzigen und
 
Annotationen