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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Schmidkunz, Hans: Optische Gesetze und die Raum-Gestaltungs-Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0197
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Oktober-Heft.

Illustr. kunstgewerbl.

Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 169.

. -Schieber.

seits lässt man oft direktes und ungedämpftes, also »grelles«
Sonnenlicht auf das Auge und auf das Arbeitszeug, sowie
auf Möbel und Dekorationen fallen. Dort wird das Auge,
hier wird der Ausstattungsstoff geschädigt und wird ausser-
dem die richtige Farbenwirkung vereitelt. Andererseits kämpft
man gegen Licht-Ueberfluss, gegen fremde Blicke u. dergl.
durch das Vorziehen undurchsichtiger Stoffe. Sind nun diese
nicht ganz eigens so angebracht, dass sie von Augenblick zu
Augenblick durch ganz eigene Stellungen das richtige Licht
vermitteln, so taugen sie nichts. Jene Anlage würde aber
sehr schwer und auch umständlich zu bedienen sein. In der
That richtet man sich auch gar nicht derart ein, verdeckt
vielmehr den grössten Teil des Fensters durch die undurch-
sichtigen Gardinen und hält so das Zimmer oder gewisse zur
Benützung nötige Partieen desselben zu dunkel, während auf
andere Partieen grelles Licht fällt. Der Teil des Fensters,
vor dem die Gardinenwucht lagert, ist sozusagen tote Gegend;
etwas hergeschafftes und wieder vernichtetes; und für das
Zimmer im Uebrigen sowohl optisch, wie auch zum Benützen
so gut wie verloren. Dagegen, wie überhaupt gegen das
Unmass von Gardinen, Portieren, Vorhängen — und wie
das alles heisst — an unseren Fenstern und unter Umständen
auch sonst in der Wohnung sollte unseres Erachtens der
Kampf nimmer ruhen, auch wenn er angesichts der Hart-
näckigkeit unserer Haus- und Gardinenfrauen vorläufig nicht
sehr aussichtsvoll ist. Angeblich stammt das Uebermass von
Vorhängen u. dergl. aus der Renaissance und dem Rokoko
her; thatsächlich aber ist dies, wie in solchem Zusammenhang
bereits hervorgehoben ward, nicht der Fall.

Begünstigt werden freilich die Fanatismen der Gardine
durch die »Kahlheit«, mit der das Fenster ein rechteckiges
Loch in der Mauer bildet. Traurig, wenn dies nicht anders
zu überwinden wäre, als durch die Reduzierung der Fenster-

Eingebautcr Schreibtisch im Arbetts-Zimmer des Herrn.

j. Rohmann und R. Edler, Leipzig. ¥r Wettbewerb:
Wohnhaus eines Kunst-Freundes. Aus der engeren Wahl:
Motto »Die einzige Herrin der Kunst ist die Notwendigkeit«.

lichtung auf das schmale, gleichschenkelige Dreieck, an
dessen Basis das eindringende Licht dem Zimmer nicht
viel nützt, und an dessen Spitze viel zu wenig Licht
einfällt, während gerade das von oben kommende, das
»obere Seitenlicht« im Zimmer am meisten wirkt! Man
muss und wird hier auf eine neue »Gardinen-Technik«
geraten müssen. Darf der Schreiber dieser Zeilen seine
subjektive Meinung äussern, so ist es folgende. In der heu-
tigen Gardinen-Manie spricht sich irregeleitet das Bedürfnis
aus, den Rand zwischen Fenster und Wand zu betonen.
Dieses Bedürfnis mag befriedigt werden meinetwegen durch
eine Stoff-Umrahmung, welche aber der Fensterlichtung zu-
schrieben, nicht ««geschrieben sein soll, und welche eher
hell als dunkel sei; dies deshalb, weil sonst starke Helle und
starkes Dunkel scharf nebeneinander stehen und dieses Ver-
hältnis einen Fall künstlich gemachter Extreme gibt, während
doch diese, wie alle Extreme, künstlerisch und hygienisch zu
vermeiden sind. Dann aber dürfte die Anbringung eines
durchschimmernden Vorhanges zu empfehlen sein, der mit
einem »Zug« über das Fenster zu ziehen ist. Besser als in
wagerechter Richtung (von der Seite her), wird dies in loth-
rechter Richtung — und zwar von unten nach oben geschehen;
letzteres schon deswegen, weil die Abbiendung der unteren
Fenster-Partie aus mehreren Gründen wichtiger ist als die der
oberen. Der Stoff soll nicht zu viel und nicht zu wenig Licht
durchscheinen lassen; er kann sehr viel Helligkeit durchlassen,
wenn man sich zu der praktischen Einrichtung aufrafft, zwei
Stoffzüge zu machen: einen von unten und einen, also eine
rechtwinkelige Kreuzung bewirkenden, von der Seite. —
Muster-Vorschläge zu solchen »Licht-Regulierungen« würden
in einer Zeitschrift wie dieser wohl recht erwünscht sein.

Erschwert wird die ganze Sache, mit Verlockung zu den
geschilderten Missgriffen, durch die Ueberzahl unserer Fenster
und meist auch unserer Thüren. Hier leiden wir an einem
Erbe der Renaissance, und zwar der italienischen Palast-
Architektur. Längst sind unsere demokratisch bürgerlichen,
zur äussersten Sparsamkeit auch im Raum drängenden Ver-
hältnisse nicht mehr eingerichtet auf die »Enfilade« mit den
Flügelthüren und auf die nach aussen und innen imposanten
Fensterfluchten. Wir brauchen Wände mit möglichst wenig
 
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