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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 13.1902

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Commichau, Felix: Kritische Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.6713#0240
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232

INNEN-DEKORATION.

Eitting in Karlsruhe, dem noch vor Kurzem die
»Deutsche Kunst und Dekoration« ein Sonder-Heft
gewidmet hat. — Der grosse Schrank, der auf S. 244
abgebildet ist, stammt aus dem Interieur, das Billing
in der Jubiläums-Ausstellung zu Karlsruhe 1902
eingerichtet hat. Es ist ein köstliches Möbel. Grazie
und volle Männlichkeit liegt über ihm.

Die diesjährige Ausstellung des Salons zu Paris
bringt ebenfalls eine Reihe künstlerischer Zimmer-
Einrichtungen , von denen wir einige auf den
Seiten 242 und 243 abbilden. Stehen die Schöpf-
ungen mit unserem Fühlen auch nicht im engsten
Zusammenklange — Niemand wird bestreiten, dass
es interessante, recht beachtenswerte Leistungen
sind. Um uns ganz zu genügen, müsste viel Kleines
und Kleinliches aus ihnen verschwinden, müsste
ihnen mehr Kern, mehr grosse Linie gegeben werden.

Marie Gräfin Geldern - Egmont, Berlin.
Die Angehörige eines Grafen-Geschlechts von altem,
hohem Namens-Klange als arbeitsfrohe Innen-
Künstlerin! Fürwahr, eine Thatsache, die zur Be-
trachtung näher lockt. Am wertvollsten, so dünkt
mich, erscheint sie dadurch, dass sie uns als Grad-
messer für die Bedeutung dienen kann, die sich
die bisher so schmählich missachtete Innen-Kunst
auch in den Kreisen wieder errungen hat, die in
Kunst-Dingen für besonders konservativ gelten.
Was ausserdem der Sache kräftigen Nachdruck
verleiht, ist, dass die Gräfin künstlerisch und fachlich
voll genommen werden muss. Den Beweis führen
unsere Abbildungen. — Frühzeitig schon bethätigte
sie ihre bildnerische Begabung an Stickereien und
anderen textilen Vorwürfen. (Unsere bekannte
Stickerei-Broschüre enthält bereits einige ihrer besten
Arbeiten dieser Art.) Nach und nach jedoch dehnte
sich ihr künstlerisches Interesse-Gebiet weiter aus,
bis sie, nach festerer Grundlage verlangend, den
Entschluss fasste, sich eine solche im Atelier des
bekannten Malers und Kunstgewerblers PaulSchulze-
Naumburg in Berlin zu erarbeiten. Der gewünschte
Erfolg blieb nicht aus; und so sah die junge
Künstlerin kein Hindernis mehr, mutvoll den
Schwerpunkt ihres Schaffens ins Gebiet der Raum-
und Möbel-Kunst zu verlegen. Und sie that recht
daran; denn sie braucht nunmehr den Vergleich
mit anderen jüngeren Kräften der Innen-Kunst
keineswegs zu scheuen. Wenn auch die Schulung
viel zur Entwickelung, viel zur Flüssigmachung
ihres Talentes beigetragen hat, ihre Eigenart, ihre
künstlerische Handschrift, ist unmittelbarer Ausfluss
ihrer Begabung. Noch lugt wohl hie und da die
Hand ihres Meisters hindurch, noch tauchen hin
und wieder Empire- und Biedermeyer-Formen auf;
doch der grosse Zug, der trotz mancher Schwere,

trotz manches weiblich Zögernden unverkennbar
ist, ist ihr eigen; und dieser dürfte sie gar bald
auf völlig gesonderten Boden führen. Ausschlag-
gebend für die Bewertung ihres Schaffens ist

— neben dem Umstände, dass sie der Verlockung,
mit billigen Mittelchen, mit Blümchen und süssen
Musterehen Effekte zu erzielen, überall widerstanden
hat —, das starke Gefühl für die Architektonik der
Möbel und der Räume, das auf den ersten Blick
fesselt. Mit Zweck-Elementen allein, starke ästhe-
tische Wirkungen zu erzielen, ist eine Schwierigkeit,
deren Uberwindung nicht wenig Kunst, nicht wenig
Kraft erfordert. Man betrachte nur den reizenden,
so wenig anspruchsvollen und doch so vornehmen
Garderobe-Schrank auf Seite 227 und den schönen,
feingegliederten Polsterstuhl daneben. Wie gediegen
ist die Stand-Uhr geformt und wie gut ist die
Gruppen-Wirkung jenes Interieurs auf Seite 233.
Gräfin Geldern-Egmont ist als Innen-Künstlerin auf
ihrem Platze; und es ist keine Prophezeihung, wenn
man behauptet, dass sie ihren Weg machen wird.

Anton Pössenbacher, München. München
besitzt im Hause von Anton Pössenbacher ein kunst-
gewerbliches Etablissement von 12 oj ähriger Tradition.
Der Architekt Mathias Pössenbacher, an dessen
Schaffen manch steinerne Zeugen in der bayerischen
Hauptstadt erinnern, (eine seiner Schöpfungen ist
das schöne Barock-Portal des Arco-Palastes in der
Theatiner-Strasse) gründete es im Jahre 1784. Die
Entwickelung des Hauses in künstlerischer Hinsicht
blieb hinter der seiner räumlichen Ausdehnung nicht
zurück. Die Ausführung des gesamten Mobilars
für die bayerischen Königs - Schlösser »Herren-
Chiemsee«, »Lindenhof« und »Neu-Schwanstein«, die
des grossen Bibliothek-Saales im Königs-Palaste zu
Bukarest und jene der beiden Erfrischungs-Räume
im Reichstags-Gebäude zu Berlin beweisen dies.

Ehrwürdige Tradition heiligt man am höchsten
dadurch, dass man nicht auf ihr ausruht, nicht
zurückbleibt hinter dem Marsch der Zeiten; nicht die
Vorfahren nachäfft, sondern ebensowenig nachäfft
wie jene. Diese Erkenntnis is£s, die das alte Haus
Pössenbacher zu einem der modernsten macht; denn
es folgt ihr mit Anspannung aller Kräfte. Aus
den neuen Verkaufs-Räumen am Wittelsbacher Platz,
die die Firma soeben eröffnet hat, geben wir einige
Ansichten wieder. Alles was diese zeigen, ist durch-
weg eine gesunde, wahrhaft fortschrittliche Innen-
Kunst! — Wie weit wären wir, wenn unsere zahl-
reichen Möbel-Häuser alle sich befleissigten, nicht
nur technischen Anforderungen zu genügen, sondern
sich auf eine gleiche künstlerische Stufe zu schwingen.

— Wann wird es dahin kommen? — Hoffen wir
arbeiten wir' felix commichau—darmstadt.
 
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