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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 19.1908

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Schaukal, Richard: Die Kunst-Seuche
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https://doi.org/10.11588/diglit.7478#0156

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INNEN-DEKORATION

und gröhlt Kunst. Und innerhalb der Wohnungen:
wie wird dir vor diesem ekeln Kunstaussatz?
Tapeten, Vorhänge, Tischdecken, Teppich,
Geschirr, Polster, Vasen; die Möbel selbst,
jedwedes kleinste Gerät. Es wimmelt von
getriebenen und geätzten, gewebten und ge-
druckten, geklebten und genagelten Zieraten.
Versuch nur in einer Niederlage elektrischer
Beleuchtungskörper eine Anzahl glatter, be-
scheidener Stücke aufzutreiben. Laß dir beim
Silberhändler eine vornehm-schlicht wirkende
Toilettetischgarnitur vorlegen. Verlange beim
Papierhändler einen einfachen Wandkalender.
Du hörst es immer wieder: »Die Sachen
werden nicht verlangt«. Und anderseits beim
scheußlichsten Gemachte: »Hier, bitte, wäre
etwas ganz neues: Sezession«.

Der Gasarm im Vorzimmer, das Wasch-
becken, der Ofen, die Briefwage, der Marken-
befeuchter , das Notenpult, der Lampen-
zylinderdeckel: alles ist von schnöder Kunst
verderbt. Ich trete in ein einsames Bergwirts-
haus. Was beleidigt sofort mein im heiligen Wald
von triefender Großstadthäßlichkeit gereinigtes
Auge ? Eine bronzierte Gipsgruppe in Relief, ein
Öldruck, eine »Renaissance«-Hängelampe, ein

klub-sessel.

ausführung: alfred bühler—stuttgart.

ausführung: alfred buhler.

Klub-Sessel mit hoher Lehne.

Zündholzständer »Betendes Kind«, ein zweiter,
zugleich Schulvereinssammelbüchse, aus bunt-
lackiertem Blech. Die Kinder aber spielen mit
einer Badepuppe aus fleischfarbnem Celluloid .. .

Setz dich zu Tisch in einem unsrer großen
Hotels. Prunkts nicht um dich von Draperien,
Gold und Kristall? Alles halb und falsch und
gleißend, zu früher Schäbigkeit verurteilt.

Und glaubet nicht, daß ich ein für Wandel
und Renaissance, Aufschwung und neue Ziele
Blinder, von einer kaum verwundnen Zeit
der Plüsch-Prachtalbums, der Gold-, Brokat-
und Damastprotzerei bauchblähender Karya-
thiden-Epoche, spreche 1 Gegenwärtiges schau'
ich schaudernd.

Ich sehe nur ein Chaos, kann einen
assyrischen Tempel mit harfenschlagenden,
wurmartig sich windenden Jungfrauen auf den
gekalkten Wänden neben und gegenüber
schmutziggelben Zinsmonstren nicht um ein
Quentchen geschmackvoller finden. Nur Sno-
bismus wird so im gern tändelnden Publikum
gezüchtet, und im Grund ist es artistische
Spielerei eines Einzelnen.

Und bei all dem Grausen des Schmuck-
und Kunstunfugs zu denken, daß Adalbert
Stifter im »Nachsommer« seitenlang sinnvoll
edle Geräte seiner Zeit, der fünfziger Jahre,
beschreibt! Vinetaklänge ! — r. schaukal.
 
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