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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 19.1908

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Scheffers, Otto: Über die Richtung des Ornamentes
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https://doi.org/10.11588/diglit.7478#0250

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ARCHITEKT CARL WITZMANN — WIEN

Herren-Arbeitszimmer. Ausführung: J. Oppenheim — JVien.

weiter unten sehen werden, für das Ornament auf
Gefäßen nicht ohne Bedeutung ist.

Die Möglichkeit nun, durch das Ornament eine
Richtungs-, eine Bewegungsillusion zu erzeugen, wird in
der Kunst dazu benutzt, die Bewegungsillusionen, welche
die Gegenstände an sich schon hervorrufen, noch zu
verstärken, den Kunstwerken also den Anschein zu
geben, als ob sie lebendige (organische) Wesen seien.

Bemerkenswert ist dabei, daß die ältesten Zier-
formen, welche wir auf den Geräten vorgeschichtlicher
Völker finden und den Zweck haben, eine Richtung
auszudrücken, im wesentlichen mit denjenigen der noch
jetzt lebenden wilden Völker übereinstimmen. Zu
diesen Formen gehört vor allem der Sparren (Chevron),
bestehend aus zwei schrägen Linien, die wie die Kanten
eines Giebels zusammenstoßen. Er ähnelt der Pfeil-
spitze , ist der einfachste und verständlichste Aus-
druck einer Richtung und kehrt in mannigfaltigen Zu-,
sammenstellungen als Sparrenbahn, Farnblatt-, Tanncn-
zweig-, Fifcbgrätenornament usw. wieder. Man trifft ihn
noch in ägyptischen und assyrischen Ornamenten an.
Die nächst einfache Form ist das ausgefüllte gleich-
schenklige und gleichseitige Dreieck in allerlei Zu-
sammenstellungen als Streumuster, Dreiecksband, Doppel-
band usw., auch als Zickzacklinie. Andere bekannte
Richtungsmotive sind das Wasserwogenband (der laufende
Hund) und gewisse Mäanderformen. Während anfangs

die frei schwebenden und geometrisch abstrakten Gebilde
vorherrschen, kommen später die immer mehr und mehr
an die Natur erinnernden, festgewurzelten Motive, blatt-
und blütenartige Formen, Palmetten usw. auf. In der
ägyptischen Ornamentik sind sie noch verhältnismäßig
geometrisch gestaltet, in der griechischen schon flüssiger.
Der Höhepunkt des naturalistischen Ornamentes wurde
wohl im sogenannten Jugendstil vor fünf Jahren erreicht.
Heute sind wir zur Abwechslung mal wieder bei
geometrischen Formen angelangt.

Ich gehe nunmehr zum Kernpunkt dieser Be-
sprechung über: wie sind die Richtungsmotive auf
Kunstwerken anzuordnen? Da die Anordnungen auf
gebogenen Gesimsen und auf Gefäßen alle Schwierig-
keiten enthalten, die sonst irgendwo auftreten können,
so wende ich mich ihnen zuerst zu. Die Untersuchung
von Werken aller Zeiten ergibt, daß bis auf einige
verschwindende Ausnahmen die folgenden Gesetze über
die Anordnung der Richtungsmotive, z. B. der Blatt-
reihen, beachtet wurden: Im Kranzgesimse sind die
Motive (1.) bei Hohlkehlen und (2.) stehenden Karniesen
(das sind S-förmige Profile, unten ausgebaucht und oben
eingezogen) aufwärts, bei (3.) umgekehrten Karniesen
(oben ausgebaucht, unten eingezogen), endlich bei (4.)
Rundstäben abwärts gerichtet, im Sockel weisen sie
bei (5.) Hohlkehlen und (6.) fallenden Karniesen (oben
ausgebaucht, unten eingezogen) nach unten, bei (7.)
 
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