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Scheffers, Otto: Über die Richtung des Ornamentes
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.7478#0249
INNEN-DEKORATION 231
hin. Auch diese Illusion beeinflußt uns außerordentlich,
sie beherrscht uns nicht nur beim Anblick von Orna-
menten, sondern überhaupt aller Dinge, die auf fester
Grundlage ruhen, d. h. die ohne diese feste Grundlage
nicht gedacht werden können, z. B. beim Anblick von
Gebäuden, Gefäßen, Kandelabern, Tischen, Stühlen,
Brücken. Alle diese Dinge haben für uns eine aus-
gesprochene Richtung von unten nach oben, und bei
allen ihren aufrechtstehenden Teilen, z. B. den Wänden
der Gebäude, spielt die Richtungsillusion eine aus-
schlaggebende Rolle. Wir übertragen diese Bewegung
des Wachsens selbst auf Dinge, die aus nicht wage-
rechten Flächen hervorragen oder gewöhnlich nur an
sie angelehnt sind, wie Wandleuchter, Konsolen, Knäufe,
Schränke, Anbauten an Häusern usw. Immer denken
wir an eine Richtung nach dem leeren Raum hin.
Der Schrank und viele andere Gegenstände haben sogar
zwei Richtungen, eine nach oben und eine nach vorn.
Die Worte »vorn« und >hinten« haben übrigens nur
mit Rücksicht auf eine Bewegungsvorstellung einen
Sinn: das »Vorn« liegt immer an jener Seite, nach
welcher die Bewegung gerichtet ist.
Zuweilen kommen Bewegungsillusionen verschiedener
Richtungen mit einander in Widerstreit; gerade dann
aber übt die glückliche künstlerische Lösung einen be-
sonderen Reiz auf uns aus. Haben Dinge nach ver-
schiedenen Richtungen hin regelmäßig gelagerte Spitzen,
so heben deren Wirkungen sich gegenseitig völlig auf.
Ein regelmäßig gestalteter Stern im leeren Raum erscheint
z. B. bewegungslos. Den gleichen Eindruck macht
jeder im Räume schwebende regelmäßige Körper; er
bekommt aber sofort eine Richtung, nämlich die nach
oben, wenn er auf dem Boden ruht, das gilt auch von
der Kugel. Insbesondere beachte man, daß alle dreh-
runden, auf dem Boden stehenden Körper als Gegen-
stände mit unendlich vielen gleich gestalteten Ecken
oder Spitzen aufgefaßt werden können, die von der
Achse nach außen streben, daß sie also außer der
Richtung nach oben noch, wie der Stern, eine zentri-
fugale Tendenz, ein Ausstrahlen zeigen, das, wie wir
CARL WITZMANN - WIKN.
Schreib- und Lesezimmer im Hotel Kaiser von Österreich
in Klagenfurt. Ausgeführt von A. Riedel—Klagenfurt.
1908. VII. 8.
hin. Auch diese Illusion beeinflußt uns außerordentlich,
sie beherrscht uns nicht nur beim Anblick von Orna-
menten, sondern überhaupt aller Dinge, die auf fester
Grundlage ruhen, d. h. die ohne diese feste Grundlage
nicht gedacht werden können, z. B. beim Anblick von
Gebäuden, Gefäßen, Kandelabern, Tischen, Stühlen,
Brücken. Alle diese Dinge haben für uns eine aus-
gesprochene Richtung von unten nach oben, und bei
allen ihren aufrechtstehenden Teilen, z. B. den Wänden
der Gebäude, spielt die Richtungsillusion eine aus-
schlaggebende Rolle. Wir übertragen diese Bewegung
des Wachsens selbst auf Dinge, die aus nicht wage-
rechten Flächen hervorragen oder gewöhnlich nur an
sie angelehnt sind, wie Wandleuchter, Konsolen, Knäufe,
Schränke, Anbauten an Häusern usw. Immer denken
wir an eine Richtung nach dem leeren Raum hin.
Der Schrank und viele andere Gegenstände haben sogar
zwei Richtungen, eine nach oben und eine nach vorn.
Die Worte »vorn« und >hinten« haben übrigens nur
mit Rücksicht auf eine Bewegungsvorstellung einen
Sinn: das »Vorn« liegt immer an jener Seite, nach
welcher die Bewegung gerichtet ist.
Zuweilen kommen Bewegungsillusionen verschiedener
Richtungen mit einander in Widerstreit; gerade dann
aber übt die glückliche künstlerische Lösung einen be-
sonderen Reiz auf uns aus. Haben Dinge nach ver-
schiedenen Richtungen hin regelmäßig gelagerte Spitzen,
so heben deren Wirkungen sich gegenseitig völlig auf.
Ein regelmäßig gestalteter Stern im leeren Raum erscheint
z. B. bewegungslos. Den gleichen Eindruck macht
jeder im Räume schwebende regelmäßige Körper; er
bekommt aber sofort eine Richtung, nämlich die nach
oben, wenn er auf dem Boden ruht, das gilt auch von
der Kugel. Insbesondere beachte man, daß alle dreh-
runden, auf dem Boden stehenden Körper als Gegen-
stände mit unendlich vielen gleich gestalteten Ecken
oder Spitzen aufgefaßt werden können, die von der
Achse nach außen streben, daß sie also außer der
Richtung nach oben noch, wie der Stern, eine zentri-
fugale Tendenz, ein Ausstrahlen zeigen, das, wie wir
CARL WITZMANN - WIKN.
Schreib- und Lesezimmer im Hotel Kaiser von Österreich
in Klagenfurt. Ausgeführt von A. Riedel—Klagenfurt.
1908. VII. 8.