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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 19.1908

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Otto, Karl Heinrich: Der Stil des Bestellers
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https://doi.org/10.11588/diglit.7478#0261

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INNEN'DEKORATION

XIX. 3HHRGHI1S, Dcirmffadf 1008. HUGUST-HEFT,

DER STIL DES BESTELLERS.

VON KARL HEINRICH OTTO.

Die Zeitschrift »Innen-Dekoration« war meines Wissens
die erste Fachzeitschrift, die den persönlichen
Anteil des Bestellers an seinem Mobiliar und seiner
Wohnungsausstattung hervorhob und zu fördern suchte,
um damit der Einzelanfertigung nach persönlichem Ge-
schmack Vorschub zu leisten und den gedankenlosen
Einkauf ganzer Ausstattungen nach Musterzimmern,
meistens von Geschmacklosigkeiten geradezu starrend,
einzuschränken. Daß diese Mühen nicht nur keine
vergeblichen gewesen, sondern vielmehr von fast über-
raschenden Erfolgen gekrönt worden sind, das kann
niemand mehr bestreiten, selbst wir nicht, die wir
trotz alledem immer wieder den Kampf gegen Unge-
schmack und Teilnahmlosigkeit, loddrige Arbeit und
Scheinwaro aufs neue führen müssen.

Es läßt sich unendlich viel an persönlicher Einzel-
arbeit leisten, wenn wir die hunderte von Dingen
ins Auge fassen, die unserem »Menschen« das-
jenige geben und sein sollen, was ihn nach »außen«
legitimiert, dieses »außen« lediglich auf die Schale der
Individualität bezogen, damit er nicht zu den gewöhn-
lichsten der Herdenmenschen gezählt werde.

Große Kulturzeiten sind stets von jener ganzen
Erfüllung der Lebensweise durchsättigt gewesen, auch
da, wo wir heute noch traditionelle Volks- oder Bauern-
kunst zu spüren vermeinen. Wir werden immer mehr
dahinterkommen, daß radikale Zivilisationsarbeit nur
Oberflächenkultur zu zeitigen vermag, die, wie eine

schwache Vergoldung, schnell wieder verschwindet.
So müssen wir immer wieder an den Einzelnen heran,
an die Persönlichkeit uns wenden, trotz Launen, Lauheit,
Dickköpfigkeit, Berufs- oder Standes-Dünkel; oder viel-
mehr gerade deshalb. Je unterschiedlicher desto besser.
Wie wenig kennen wir uns alle noch auf unseren
Menschen hin aus.

Da hören wir immer von dem Stil der Technik,
von dem Stil des dieser unterworfenen Materials, von
dem Stil des beide meisternden Künstlers. Und dann
wird uns wieder ein gelehrter Vortrag über historische
Stile, über einen Stil der Kirche und über die Stile
der französischen Könige gehalten. Und an alledem
sind wir so unbeteiligt, ebenso unbeteiligt an dem
Mobiliar, das, aus Künstlerhänden stammend, uns täg-
lich umgibt, wie an der Kleidung, in der wir täglich
das Persönliche von uns zur Schau stellen.

Selten hat jemand den Mut, und damit natürlich
auch den Bildungs- und Geschmacksvorzug, zu sagen,
das und das müßte »ich« so und so haben, denn meine
Meinung darüber ist die und meine Gewohnheit jene, mein
Berufsleben das und meine Arbeitsweise diese und meine
Liebhaberei eine solche, daß ein solcher Stuhl mir bequem,
ein solcher Arbeitstisch meinen Zwecken dienlich ist, und
wiederum daß ich nur in einem solchen Bücherschrank
meine Bücher und Werke und Stiche haben möchte. Aber
diese, die zu solchen Worten den Mut finden und damit ihre
persönliche Eigenart bekennen, müßten dann auch fähig

1908. VIII. 1.
 
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