Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 19.1908

DOI Artikel:
Lux, Joseph August: Nationalität und Amerikanismus
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7478#0293

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
275

NATIONALITÄT UND AMERIKANISMUS.

VON JOSEPH AUG. LUX.

Diese zwei Strömungen machen sich im öffentlichen
Leben und infolge auch in gewissen Teilen der
Kunst, vor allem in der Architektur und im Kunst-
gewerbe geltend. Ich habe mir schon lange vorge-
nommen, den Einfluß dieser beiden Strömungen auf
die Architektur und das Kunstgewerbe zu erklären und
die Begriffe von Nationalismus und Amerikanismus zu
definieren.

Eine lebhafte Abwehr gegen den Amerikanismus
macht sich zumeist in heftigen Worten laut, zumal bei
den Nationalen. Das mag in mancher Hinsicht ge-
rechtfertigt sein. Wir würden uns aber nicht so sehr
gegen das Amerikanische wehren, wenn wir nicht schon
ganz von ihm umstrickt wären. Die Schreibmaschine,
das Telephon, die Nähmaschine, wenn man so weit
gehen will auch der Blitzableiter, von dem sich alle
architektonischen Anlagen bis zum Kabel und zur
Kraftmaschine ableiten, die praktischen Herrenmoden,
die ausgezeichneten Bureau-Möbel, die besten Reise-
koffer, der unentbehrlich gewordene Rasierapparat und
unzählige andere Dinge, die unsere Kultur bestimmen,
sind amerikanischen Ursprungs. Ich könnte die Zahl
der ausgezeichneten Dinge und Methoden, die wir dem
amerikanischen Geiste verdanken, sehr beträchtlich ver-
mehren; ich will es aber gern dem Leser überlassen,

über die Sache weiter zu denken und sich an die
bemerkenswerten und wohltuenden Einzelheiten des
amerikanischen Imports an Gütern und Ideen zu erinnern.
Ich will nur fragen, wo denn die Räson liegt, sich mit
Händen und Füßen gegen den Amerikanismus zu
wehren, soweit er vorzügliche Neuerungen betrifft, von
denen wir selbst keinen geringen Profit haben.

Aber wir leben gegenwärtig in einer Epoche des
gesteigerten nationalen Empfindens und ergreifen mit
Inbrunst alle Erscheinungen, die unsere deutsche Ver-
gangenheit betrifft. Das mag wohl der Grund sein,
warum wir zuweilen vergessen, daß wir in einer blut-
jungen modernen Gegenwart leben, und daß wir für
die Annehmlichkeit des Daseins, für unser Wohnen
und Arbeiten, für unsere sozialen und künstlerischen
Aufgaben, für unsere technischen und industriellen Pro-
bleme verteufelt wenig aus der Vergangenheit schöpfen.
Aber es gibt schon einmal gewisse Gemütsanwandlungen,
die zwingen können, in das Rad des Fortschrittes
hemmend einzugreifen, und wir müssen uns mit dieser
melancholischen Tatsache eben abfinden.

Am heftigsten hat sich neuerdings wieder die
Architektur an die Vergangenheit erinnert und die Ver-
pflichtung zur nationalen Geberde verspürt. Sie ist
darin der technischen Konstruktion ganz entgegen-

ARCH1TEKTEN A. KARST UND H. FANGHÄNEL—CASSEL.

Wartehalle I. Etage im Badehaus Pyrmont.
 
Annotationen