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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 19.1908

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Vogt, Adolf: Folgen des neuen Kunstschutzgesetzes für das Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.7478#0284

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266

INNEN-DEKORATION

J. V. CISSARZ—STUTTGART.

Speisezimmer in natiirfarbenem Aliorn poliert.

Folgen des neuen Kunstschurjgesetjes für das Kunstgewerbe.

Das neue Urheberrecht, das am 1. Juli 1907 in Kraft
trat und dem Kunstgewerbe denselben Schuß zusprach
wie den Werken der bildenden Künste, hat sich bis jerjt
als ziemlich illusorisch erwiesen. Gerade das Hauptübel,
über das sich die Künstler am meisten und heftigsten be-
klagten, blüht in ungemindertem Umfang weiter: Das
skrupellose „Nachempfinden" und Variieren origi-
naler Werke. Das neue Gesetz bietet dagegen keine
Handhabe. Denn es untersagt nur das „Vervielfältigen",
die direkte Kopie. Aber genaues Kopieren kam auch früher,
vor dem neuen Kunstschuß, relativ selten vor. Die Stärke jener
Nachempfinder war es ja gerade, wenigstens nach ihrer eigenen
Meinung, die oft bizarren Erfindungen der Künstler so abzu-
ändern, dag sie dem großen Publikum mundgerecht wurden.
Es wurde also von allem Anfang an variiert. Nicht aus Rück-
sicht auf das Geseß, sondern aus Rücksicht auf den Markt.

Die Rechte des Künstlers sind damit, daß seine Arbeiten
nicht nachgemacht werden dürfen, scheinbar bestens ge-
wahrt. In Wirklichkeit hat er nicht den geringsten Vorteil
davon. Dagegen darf man behaupten, dag durch die Allge-
meinherrschaft des Variierens, Vermengens, Verwässerns,
das künstlerische Niveau zur Marktware herabgedrückt wird.
Das Renomme des modernen Stils wird dadurch geschädigt.
Es hat also das neue Geseß weder den Künstlern
noch der Kunst zu nutjen vermocht. Dagegen existiert
nun im modernen Konkurrenzkampf ein neues Mittel, den
Gegner zu chikanieren. Zu mehr dient ja gemeiniglich
auch der alte „Musterschuß" nicht.

Das neue Urheberrecht gestattet, kunstgewerbliche
Gegenstände zum eignen Geb rauch zu kopieren. Der
Schreiner kann also seine Wohnung billig mit Riemer-
schmid-Mobeln einrichten, indem er sie einfach aus dem
Katalog der „Dresdener Werkstätten" kopiert. Dieser Para-
graph, der vielleicht recht gut gemeint Nvar, stiftet aber
manchmal noch viel größeren Schaden. Weibliche Hand-
arbeiten werden doch fast ausschließlich für den eigenen Ge-
brauch gefertigt. Die öffentlichen Handarbeits-Ausstellungen
werden zwar recht gut besucht; aber die Damen gehen nur
hin, um die Muster, die ihnen gefielen, zuhause nachzumachen.
Geeignete Muster und Anregungen finden sie auch in Hülle
und Fülle in den Tapisseriegeschäften und Warenhäusern,
denen die Künstlerinnen ihre Arbeiten oft in Kommission
geben müssen, um sie am Ende, troßdem sie „allgemein
gefallen haben", wieder vollzählig zurückzuerhalten. Das ist
eine Wirkung jener Erlaubnis, für den eigenen Gebrauch zu
kopieren, an die der Gesetzgeber sicherlich nicht gedacht hat.

Das Schlimmste aber an dem neuen Urheberrecht für
das Kunstgewerbe ist, daß es die Suprematie des
Musterzeichners besiegelt und geseßlich festgenagelt
hat. Wir haben wieder auf die Qualitäten der Aus-
führung achten gelernt und wir sind der Überzeugung,
in einer tüchtigen, mit wahrer Empfindung und mit
persönlichem Feingefühl gemachten Kunstschmiedearbeit,
oder Schnißerei, oder Ziesellierung, oder Stickerei steckt,
abgesehen von allen Mustern, echte Kunst. Diese
handwerkliche Kunst ist der des Zeichners, des
 
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