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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Bachmann, Paul: Künstler und künstlerische Arbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0174
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INN EN-DEKORATION

ARCHITEKT DE FEURE—PARIS. SCHRANKCHEN IN ZITRONEN - HOLZ
MIT INTARSIA UN» DAMEN-SEKRETÄR IN MAHAGONI MIT EINLAGEN.

stiegen, bis sie in formvollendeter Schönheit vor
ihnen standen. Diese Künstler verbanden mit
ihrem künstlerischen Können eine hervorragende
handwerkliche Fertigkeit, sie waren Kunsthand-
werker im besten Sinne des Wortes.

In unserer Zeit sieht die Sache wohl ein
wenig anders aus. Erfindung und Ausführung in
den kunstgewerblichen Berufen sind zumeist ge-
trennt, und so ergibt es sich von selbst, daß in
der Regel das Schaffen des einen künstlerisch, das
des anderen handwerklich ist. Das hat die Zeit
unserer großen Betriebe, die alles teilen und
spezialisieren mußte, um die Arbeitskraft des
Einzelnen besser auszunutzen, hervorgebracht.
Beleuchten wir doch daraufhin einmal einige
unserer kunsthandwerklichen Berufe.

Wir hören heute so viel das Wort »Kunst-
tischler«. Die Tischlerei ist ein Handwerk, ein
Tischler somit ein Handwerker. Einen guten
Schrank zu machen, erlordert rein technische
Kenntnisse und saubere, exakte Arbeit, von künst-
lerischen Fähigkeiten nichts zu spüren. Was aber
den Schrank schließlich in eine enge Beziehung zur
Kunst bringen kann, ist seine Form, sein Detail
und das Verhältnis zu seiner Umgebung. Diese
Form, dieses Detail, diese Umgebung im ein-
zelnen wie im gesamten zu erfinden, das ist
lediglich die Kunst an der Sache, und das tut
in den meisten Fällen der Architekt oder eigens
hierfür ausgebildete Zeichner, deren Studien die
handwerkliche Ausbildung vorausging. Die Be-
zeichnung »Kunsttischler« ist somit für unsere
Zeit im allgemeinen wohl kaum noch anwendbar.
Ein sauberer Arbeiter seines Faches, selbst einer,
der von anderen erfundene Intarsien akkurat aus-
zuschneiden imstande ist, ist nach meinem Ermessen
noch lange kein Kunsttischler. Was ist denn das
Gros unserer »Kunstschlosser« von heute, die ihre
Blechblätter aus- Berliner Fabriken beziehen oder
in geschmackloser Weise selbst noch anfertigen
im Verhältnis zu jenen tüchtigen Meistern des
Mittelalters, die ihre herrlichen Brunnengitter, Tor-
gitter, Grabkreuze usw. mit ganz geringen Aus-
nahmen selbst erfanden und ihren Zeichnungen
plastisches Leben einhauchten? Das waren Kunst-
handwerker, die den Rang eines Bildners ein-
nahmen. Der Ziseleur, der Ornamente und
Broschen in Silber ausschneidet und fein säuber-
lich nachfeilt oder Schmucksachen zu Dutzenden
im Akkord flüchtig nachziseliert, ist doch kein
Künstler; Kunst beginnt erst da, wo eine formen-
gestaltende Ziseleur-, Treib- oder Stahlschnittarbeit
einsetzt. Unsere Anstreicher und Dekorations-
malerei, die in neue Sphären gehoben wurde, hat
im allgemeinen mit Kunst nichts zu tun, Farben-
mischen und gleichmäßig auftragen, Schablonieren
sind technische Fertigkeiten, und wenn sich bei
einem Nebeneinanderstellen von zwei, drei Farb-
tönen künstlerisches Empfinden äußert, so sind
das die bescheidensten Anfänge des Kunstgewerbes.
Der Bildhauer, der unsere Großstadt-Fassaden mit
gedankenlosem Ornament beklebt, ist doch ein
Kunstfeind; der Bildhauer wird erst zum Kunst-
handwerker, wenn er vermag, das Ornament sowohl
 
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