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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Jaumann, Anton: Eine Berliner Wohnungs-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0322
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INNEN-DEKORATION

ARCH. K. R. HENKER —CHARLOTTENBURG. MUSIK-ZIMMER. BIRNBAUM SCHWARZ M. PAL1SANDER. AUSF.: NEUMANN & BUNAR.

anders, als die unsrer Zeit, aber wir schätzen sie über-
all, wo sie echt sind und im Leben der Zeit wurzeln.

Schwer wird uns das Urteil erst gegenüber den
Kopisten, die in der Maske der Alten agieren. Sie
ließen die früheren Geschlechter für sich erfinden
und überbürden ihnen auch die Verantwortung.
Darf man wagen, diese Möbel und Räume zu kriti-
sieren? Gleich heißt es: Bitte, die sind genau nach
einem Original in irgend einem alten Schloß, wollen
Sie etwa die Meister des Barocks kritisieren ? Und
die Räume sind ja auch noch die besten, die in
direkter Anlehnung an gute alte Originale entstanden
sind. Aber es wird fast immer nur eine äußerliche
Imitation. Der heutige Zeichner, der heutige Tischler
und Schnitzer, sie empfinden alle anders als die
Meister der früheren Jahrhunderte — die altertüm-
liche Empfindung, die Seele der Vergangenheit,
die alten Stücken den wertvollsten Reiz geben, sind
nicht wie künstliches Parfüm den Nachahmungen
einzutröpfeln. Ich muß trotzdem sagen, auch diese
Leute haben in den letzten zehn Jahren viel gelernt.
Man hat sich allmählich tiefer in die Geheimnisse
der alten Kunst eingefühlt, wir sehen jetzt die Stile
anders, wir haben hinter den dogmatischen Formeln
das entdeckt, was ihnen einst das herzergreifende

Leben verliehen hat. Wie stehen wir heute zur
Antike, zur gotischen Kunst, zum Barock, und
welche jämmerlichen Schemen hat man vor zwanzig
Jahren mit Stilformen beklebt, um sie antik zu
machen! Aber wirklich befriedigen können uns
alle Nachahmungen nicht, sie sind und bleiben
Zwitter, die Kunst der alten Meister ist mit ihrer
sterblichen Seele dahin. Auch in der Berliner
Ausstellung finden wir das wieder bestätigt, wo
Geschäfte wie Karl Müller, Trunck, Kimbel und
Friederichsen, J. C. Pfaff, Flatow und Priemer,
Albrecht und Noll in ihrer Art das Besterreichbare
bieten. Es sind gute Stilräume von fester Ruhe.
Da ist peinliche Sauberkeit des Geschmacks, tief-
dringendes Stilempfinden, da ist feine solide Arbeit.
Diese Firmen setzen ihren Ehrgeiz darein, hand-
werkliche Schwierigkeiten zu häufen, um in ihrer
sichern Überwindung zu glänzen. Aber eine eigen-
tümliche Mattigkeit liegt in diesen Räumen. Man
fand ein sicheres Geleise vor, indem man sich in
freiwillige Abhängigkeit von den Alten begab,
damit wars aber auch mit der frischen, fröhlichen
Initiative vorbei. Die vornehme Ruhe, auf die
sich diese Hof- und Adelskunst soviel zugute tut,
ist die traurige Gemessenheit des Vogels, dem die
 
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