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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Schneider, Christian: Mietwohnung und Eigenhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0401
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INNEN-DEKORATION

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ARCHITEKT OSKAR KU NHE NN—ESSEN.

FREMDEN-SCHLAFZIMMER. LANDHAUS KRAWEHL.

Individualität zeitgemäßer und fortschrittlicher Menschen
angepaßt. Das Außere aus dem Innern organisch ent-
wickelt und logisch aufgebaut, verkörperte bürgerliche
Denkungsweise und bürgerlichen Wohlstand. Durch
Lage und Gruppierung inmitten von herrlichen Gärtchen,
umsäumt von einer sinnreichen Einfriedigung, wurde
oft der Rhythmus zur höchsten Potenz gesteigert.

Stellen wir nun die innere Gestaltung von Miets-
und Eigenhauswohnung einander gegenüber, so begegnen
uns verschiedene Gegensätze, die bei der Raumbildung
als wichtiger Faktor mitsprechen. Hier gilt es, den
leeren Raum begrenzt durch Wände, Decke und Fuß-
boden wohnlich zu gestalten, dort, durch größtenteils
eingebaute und mit der Architektur organisch ver-
bundene Möbel das Zimmer gebrauchsfähig zu charak-
terisieren. Bei der Zinswohnung ist darauf zu achten,
daß die Möbel verrückbar sind und leicht an einem
anderen Ort aufgestellt werden können, doch bietet die
Aufgabe, einen solchen kahlen Hohlraum mit Möbeln
auszufüllen und ästhetisch zu gliedern, immer gewisse
Schwierigkeiten. Durch die den künstlerischen Gesetzen
wenig oder garnicht angepaßten polizeilichen Bau-
bestimmungen wird die Raumbildung noch schwieriger,
da Höhendimensionen vorhanden sind, die eine intime
Durchbildung des Raumes erschweren. Beim Wohn-
hausbau dürfte die lichte Höhe kaum 3 Meter über-
schreiten und auch die Türen sollten nicht zu hoch
und so angeordnet sein, daß sie intime Durchblicke ge-
statten. Bei Erfüllung dieser Vorbedingungen und der

Verwendung von einfachen, jedoch formal feinempfun-
denen Möbeln kann gewiß auch die Wohnung im Miets-
hause intim wohnlich gestaltet werden. Hierbei spricht
die Grundrißbildung wesentlich mit, weil eine zweck-
entsprechende und selbstverständliche Disposition der
Räume immer die schönste und zugleich diejenige ist,
die stets ökonomisch und künstlerisch gut ausgenutzt
werden kann. Besondere Bedeutung ist noch der far-
bigen Behandlung des Raumes beizumessen. Durch eine
geschickte und freundliche Abstimmung können räum-
liche Mißstände leicht ausgeglichen und das Ganze zu
einer intimbezaubernden Wirkung gesteigert werden.

Das Eigenhaus, das in seiner ganzen inneren Ein-
richtung den Lebensgewohnheiten einer einzelnen Familie
entspricht und in dem die Wohnräume im Erd- und
Dachgeschoß durch eine innere Treppe miteinander ver-
bunden sind, gehört mit zu den interessantesten Aufgaben
eines Baukünstlers. Disposition und Ausgestaltung der
verschiedenen Wohnräume, Treppenhaus und ausgebaute
Dachräume sind je nach Angaben des Bauherrn, oder
nach eigenem Empfinden organisch durchzubilden. Im
Gegensatz zur Mietswohnung werden hier die Möbel ein-
gebaut und manche Dachstube, die vor zehn Jahren
noch als trauriger Winkel dem Dienstboten angewiesen
worden wäre, wird heute bald zum traulichsten Stübchen
des ganzen Hauses. Hier ist wohl der klarste Beweis
von dem erfreulichen Fortschreiten unserer jahrzehntelang
so im Argen liegenden Raum - und Wohnungs - Kunst.

BERLIN-REUTLINGEN. CHRISTIAN SCHNEIDER.

1909. XI. 2.
 
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