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INN EN-DEKORATION
ENTW. U. AUSF.: HOFMÖBELFABRIK M. BALLIN. WOHNDIELE. BESCHLÄGE: EISEN GEHÄMMERT.
noch das tiefe Verständnis des Kunstfreundes alten
Schlages haben. Der deutsche Kaufmann, der ob seiner
Rührigkeit geschätzt ist, hat in den entscheidenden
Jahren nur Sinn für seinen harten Erwerb. Nur wenige
kommen dazu, sich eine umfassende Bildung und Kenner-
schaft in Dingender schönen Kultur zu beschaffen. Daher
späterhin der mangelnde Instinkt, der das überlaut
Prunkvolle mit der gediegenen Schönheit verwechselt.
Diese Tatsache ist von schwerwiegender Bedeutung.
Nicht allein für den Maler und Bildhauer, in höherem
Grade noch für den Architekten, der die modernen
Geschäftspaläste zu errichten hat, für den Innendeko-
rateur,, für den Zeichner, der Drucksachen, Plakate
und dergl. entwerfen soll. Neben dem Staat, den
Schiffahrtsgesellschaften ist es vor allem der weitver-
zweigte Handel, der allen Gewerben durch große Auf-
träge das belebende Kapital spendet. Ein wichtiges
Kapitel der Kunstpolitik ist es, diese Summen frucht-
bar zu machen, die Auftraggeber dahin zu bringen,
daß die Bevorzugung des Kitschigen aufhört.
Es hat den Anschein, als ob die jüngste aller kauf-
männischen Organisationsformen: das Warenhaus
seinen stolzen Ausdruck gefunden habe. Der Wertheim-
bau von Messel, das Kaufhaus des Westens von Schaudt,
das Kaufhaus Oberpollinger von Heilmann & Tittmann,
Olbrichs Düsseldorfer Tietzbau, auch die Amsterdamer
Börse von Berlage sind Schöpfungen, die in die Zukunft
weisen. Das Aufsehen, daß diese kühnen Manifestationen
des kaufmännischen Geistes erregten, hat neuerdings
manchen veranlaßt mit der alten Schablone zu brechen,
wenn auch allerdings manche der neuen Geschäfts-
bauten alles andere als groß und reif geworden sind.
Ein peinlicheres Kapitel als das einheitliche Ge-
schäftshaus ist der Tadenausbau, der sich ganz in
den Händen schablonenhafter SpezialUnternehmer be-
findet. Gewöhnlich werden mit dem Anwachsen der
Stadt in der seitherigen Wohnstraße die Untergeschosse
der Häuser herausgebrochen und dem so zerstückelten
Organismus eine Front aus Glas und Eisen eingefügt.
Für den gewissenhaften Architekten ist die Aufgabe
nicht gerade verlockend-, aber sie ist wichtig, wenn
das städtische Straßenbild nicht gänzlich zu einer Bar-
barei entarten soll. Schamhaft pflegt neben den riesigen
Schaufenstern das ganze architektonische Gerippe unter
Glasschildern versteckt zu werden. Wenn diese wenig-
stens die Kraft eines klugen Organisators verspüren
ließen! Aber sie wirken gewöhnlich wie ein aufge-
papptes Ornament. Und ihre Aufschriften haben die
stereotype Form der Buchstabenmacher, die Tarisch
so temperamentvoll bekämpft. In solcher Umrahmung
ist natürlich die beste Schaufensterdekoration ver-
loren. Die Veranstaltung des Berliner Schaufensterwett-
bewerbes ist zweifellos ein nachdrücklicher Hinweis
auf die Überlegenheit der Architekten und Kunstge-
werbe gegenüber dem landläufigen Dekorateur gewesen.
— Die Gestaltung des Innenraumes mit der Prä-
INN EN-DEKORATION
ENTW. U. AUSF.: HOFMÖBELFABRIK M. BALLIN. WOHNDIELE. BESCHLÄGE: EISEN GEHÄMMERT.
noch das tiefe Verständnis des Kunstfreundes alten
Schlages haben. Der deutsche Kaufmann, der ob seiner
Rührigkeit geschätzt ist, hat in den entscheidenden
Jahren nur Sinn für seinen harten Erwerb. Nur wenige
kommen dazu, sich eine umfassende Bildung und Kenner-
schaft in Dingender schönen Kultur zu beschaffen. Daher
späterhin der mangelnde Instinkt, der das überlaut
Prunkvolle mit der gediegenen Schönheit verwechselt.
Diese Tatsache ist von schwerwiegender Bedeutung.
Nicht allein für den Maler und Bildhauer, in höherem
Grade noch für den Architekten, der die modernen
Geschäftspaläste zu errichten hat, für den Innendeko-
rateur,, für den Zeichner, der Drucksachen, Plakate
und dergl. entwerfen soll. Neben dem Staat, den
Schiffahrtsgesellschaften ist es vor allem der weitver-
zweigte Handel, der allen Gewerben durch große Auf-
träge das belebende Kapital spendet. Ein wichtiges
Kapitel der Kunstpolitik ist es, diese Summen frucht-
bar zu machen, die Auftraggeber dahin zu bringen,
daß die Bevorzugung des Kitschigen aufhört.
Es hat den Anschein, als ob die jüngste aller kauf-
männischen Organisationsformen: das Warenhaus
seinen stolzen Ausdruck gefunden habe. Der Wertheim-
bau von Messel, das Kaufhaus des Westens von Schaudt,
das Kaufhaus Oberpollinger von Heilmann & Tittmann,
Olbrichs Düsseldorfer Tietzbau, auch die Amsterdamer
Börse von Berlage sind Schöpfungen, die in die Zukunft
weisen. Das Aufsehen, daß diese kühnen Manifestationen
des kaufmännischen Geistes erregten, hat neuerdings
manchen veranlaßt mit der alten Schablone zu brechen,
wenn auch allerdings manche der neuen Geschäfts-
bauten alles andere als groß und reif geworden sind.
Ein peinlicheres Kapitel als das einheitliche Ge-
schäftshaus ist der Tadenausbau, der sich ganz in
den Händen schablonenhafter SpezialUnternehmer be-
findet. Gewöhnlich werden mit dem Anwachsen der
Stadt in der seitherigen Wohnstraße die Untergeschosse
der Häuser herausgebrochen und dem so zerstückelten
Organismus eine Front aus Glas und Eisen eingefügt.
Für den gewissenhaften Architekten ist die Aufgabe
nicht gerade verlockend-, aber sie ist wichtig, wenn
das städtische Straßenbild nicht gänzlich zu einer Bar-
barei entarten soll. Schamhaft pflegt neben den riesigen
Schaufenstern das ganze architektonische Gerippe unter
Glasschildern versteckt zu werden. Wenn diese wenig-
stens die Kraft eines klugen Organisators verspüren
ließen! Aber sie wirken gewöhnlich wie ein aufge-
papptes Ornament. Und ihre Aufschriften haben die
stereotype Form der Buchstabenmacher, die Tarisch
so temperamentvoll bekämpft. In solcher Umrahmung
ist natürlich die beste Schaufensterdekoration ver-
loren. Die Veranstaltung des Berliner Schaufensterwett-
bewerbes ist zweifellos ein nachdrücklicher Hinweis
auf die Überlegenheit der Architekten und Kunstge-
werbe gegenüber dem landläufigen Dekorateur gewesen.
— Die Gestaltung des Innenraumes mit der Prä-