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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 21.1910

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Otto, Karl Heinrich: Über handwerkliches Können, Empfinden und Erfinden
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https://doi.org/10.11588/diglit.11378#0220
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INNEN-DEKORATION

PROFESSOR EMANUEL VON SE1DL —MÜNCHEN.

WOHN-ZIMMER IN MAHAGONI. AUSF.: M. BALLIN.

kommt, zu künstlerischer Schöpfungsarbeit berufen zu
sein, dann darf man sich über das Heraufsteigen eines
Drohnenzeitalters allerdings nicht verwundern. Nur ja nicht
die Hände schmutzig machen oder sich körperlich
nennenswert anstrengen, wo man doch so viel schöne
Sachen auf Papier verewigen oder in Bücher eintragen
kann. — Wenn nun auch die jetzt fleißig in Übung
kommende Überredung zur Erlernung eines Hand-
werkes oder Kunstgewerbes mancherlei Bedenken
herausfordert, weil man hier Arbeiter wider Willen er-
zieht, so darf doch auch die gute Seite der Absicht
nicht außeracht gelassen werden. Aber ohne offizielle
Anerkennung der Arbeit, ohne die Hervorhebung ihres
hohen sittlichen Wertes, bleibt sie für die große Masse
nur ein notwendiges Übel für die Lebensfristung. Der
Wert der Arbeit, auch die des Geringeren, bei der
Mühe und Schweiß den gegangenen Weg bezeichnen,
muß uns wieder mehr denn je zum Bewußtsein kom-
men, wenn die rein schöngeistige Produktion, die zu
einer Marktüberschwemmung geführt hat, ihres sehr
zweifelhaften Einflusses enthoben werden soll.

Alles in allem fehlt es tatsächlich nur an der
tieferen Wertung jener eigenartigen, lebensvollen Arbeit,
die in ihren Endergebnissen so poetisch als unserer
Hände Werke bezeichnet werden. Darin wurzelt eben
das Können aus der Arbeit heraus. Schon in der

Erziehungsschule müßte dafür der Boden bereitet
werden, so in einer ausgiebigen Pflege des Hand-
fertigkeits-, des Zeichen- und Modellierunterrichts. Es
liegt die Schuld für die Verachtung oder Drückung
von der Arbeit wirklich in der mangelhaften Organi-
sation der Lernschule, die noch immer das Wissen,
die Buchweisheit zu sehr in den Vordergrund stellt.
Wo die Arbeit keine Heimat und Pflegstätte hat,
kann ihr naturgemäß keine Liebe und kein Verständnis
erwachsen. Nicht nur für die Verrichtung, sondern
auch für die Würdigung von Arbeiten ist es nötig zu
erkennen, daß sie als Ausfluß und Äußerung eines
höheren Lebens zu gelten hat. Alle unsere Klagen
über den Rückgang des Handwerks und gewerblichen
Könnens, die, nebenbei gesagt, den wirklichen Ver-
hältnissen gegenüber hinfällig sind, würden verstummen,
wenn die Freude an echter Arbeit wieder weitere
Kreise ergriffe, wenn das Persönliche, das Schöpferische,
ja auch das sittliche Moment in ihr in seiner er-
ziehenden und veredelnden Bedeutung wieder auf den
Schild gehoben würde. Im Sinne unseres Themas
meine ich speziell die volle Erschöpfung des Maßes
an Arbeit aus der Empfindung, Erfindung und
technischen Gestaltungsfähigkeit als von ein
und derselben Person ausgehend. So die entstehende
Arbeit, das Werk aus einem Guß, ganz Seele und Körper.
 
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