INNEN-DEKORATION
201
ARCHITEKT LUDWIG HOHLWEIN—MÜNCHEN. 1UNGGESELLEN-Z1MMER. MAHAGONI. AUSF.: M. BALLIN.
UEBER HANDWERKLICHES KÖNNEN, EMPFINDEN UND ERFINDEN.
Es ist ein schwer Ding um diese drei Äußerungen
im Leben eines Handwerkers. Am liebsten möchte
man ihm alle drei abschneiden oder ihm widerwillig
nur das eine oder andere lassen. Letzthin ist ein
Kunsthandwerker seltener Art entschlafen, der noch
mehr als jene drei Dinge besaß, nebenbei auch das
Bewußtsein, daß er sie und noch mehr besaß; er ver-
stieg sich soweit, sich folgedessen auch Architekt, d. h.
Baukünstler zu nennen. Er verfügte über ein großes
technisches Können, eine reiche Erfindungsgabe, aber
auch über ein empfindsames Empfinden — er litt
unter einem fast krankhaften Ehrgeiz. Seines Zeichens
ein Holzschnitzer, war er anfänglich, wie das seine
Kunst mit sich brachte, ein Teilarbeiter im Dienste der
Schreinerei. Zum Dienen, Mithelfen, Einordnen war
er aber nicht geschaffen. So wurde er Erfinder, Zeich-
ner, Künstler und schließlich Fabrikant. Er schwelgte
in Ideen, Entwürfen, mäcenatenhaften Opfern und ver-
nachlässigte seine erlernte Technik, seine handwerklich-
künstlerische Geschicklichkeit und Tüchtigkeit im Kampf
um den Lorbeer, im Ringen mit der Moderne. Auf
diese Art gehen mehr viele künstlerische Kräfte dem
Handwerk verloren. Es gibt eine große Zahl schätz-
barer Persönlichkeiten, die über ihre eigentliche Be-
stimmung hinauswachsen und dann damit leider der
Erfüllung einer anfänglich vielleicht wichtigeren Aufgabe
sich entziehen. Heute hat gerade das Handwerk und das
Kunstgewerbe sehr unter solchen Wandlungen zu leiden.
Immer mehr greift eine fühlbare Flucht vor der eigent-
lichen Arbeit um sich, immer mehr das Verlangen
nach besserer Lebensart in kürzeren Arbeitszeiten, nach
beschaulicherem, genußreicherem Dasein, nach feinerem
Auftreten in Kleidung und Geldausgeben. Man will
möglichst früh etwas sein und etwas zu sagen haben;
man will — ohne eigentlich zu lernen oder gelernt zu
haben — seine Ideen von anderen in Werke über-
setzen lassen. So kommt es, daß die Zahl der Ein-
fallsreichen, der Ideenmenschen, immer größer, die
der Ausführenden, der Arbeitsmenschen, immer kleiner
wird. Wenn auch hier die Maschine einen gewissen
Ausgleich schaffe nach Masse und mechanischer Art
der Leistung, so bleibt doch ein Mangel und Fehl
nach der Seite des rein Persönlichen in Einzeldingen
bestehen. Das ist sicher nicht die Absicht kultureller
Pionierarbeit der Schulen, nicht das Endziel der
Bessergestaltung unserer sozialen Verhältnisse. Aber,
wenn der Junge der Volksschule nur noch den Wunsch
hat, Schreiber, Kaufmann oder Beamter zu werden,
der Jüngling höherer Schulen den zu studieren, und
das sich selbst entdeckende Talent zu der Ansicht
201
ARCHITEKT LUDWIG HOHLWEIN—MÜNCHEN. 1UNGGESELLEN-Z1MMER. MAHAGONI. AUSF.: M. BALLIN.
UEBER HANDWERKLICHES KÖNNEN, EMPFINDEN UND ERFINDEN.
Es ist ein schwer Ding um diese drei Äußerungen
im Leben eines Handwerkers. Am liebsten möchte
man ihm alle drei abschneiden oder ihm widerwillig
nur das eine oder andere lassen. Letzthin ist ein
Kunsthandwerker seltener Art entschlafen, der noch
mehr als jene drei Dinge besaß, nebenbei auch das
Bewußtsein, daß er sie und noch mehr besaß; er ver-
stieg sich soweit, sich folgedessen auch Architekt, d. h.
Baukünstler zu nennen. Er verfügte über ein großes
technisches Können, eine reiche Erfindungsgabe, aber
auch über ein empfindsames Empfinden — er litt
unter einem fast krankhaften Ehrgeiz. Seines Zeichens
ein Holzschnitzer, war er anfänglich, wie das seine
Kunst mit sich brachte, ein Teilarbeiter im Dienste der
Schreinerei. Zum Dienen, Mithelfen, Einordnen war
er aber nicht geschaffen. So wurde er Erfinder, Zeich-
ner, Künstler und schließlich Fabrikant. Er schwelgte
in Ideen, Entwürfen, mäcenatenhaften Opfern und ver-
nachlässigte seine erlernte Technik, seine handwerklich-
künstlerische Geschicklichkeit und Tüchtigkeit im Kampf
um den Lorbeer, im Ringen mit der Moderne. Auf
diese Art gehen mehr viele künstlerische Kräfte dem
Handwerk verloren. Es gibt eine große Zahl schätz-
barer Persönlichkeiten, die über ihre eigentliche Be-
stimmung hinauswachsen und dann damit leider der
Erfüllung einer anfänglich vielleicht wichtigeren Aufgabe
sich entziehen. Heute hat gerade das Handwerk und das
Kunstgewerbe sehr unter solchen Wandlungen zu leiden.
Immer mehr greift eine fühlbare Flucht vor der eigent-
lichen Arbeit um sich, immer mehr das Verlangen
nach besserer Lebensart in kürzeren Arbeitszeiten, nach
beschaulicherem, genußreicherem Dasein, nach feinerem
Auftreten in Kleidung und Geldausgeben. Man will
möglichst früh etwas sein und etwas zu sagen haben;
man will — ohne eigentlich zu lernen oder gelernt zu
haben — seine Ideen von anderen in Werke über-
setzen lassen. So kommt es, daß die Zahl der Ein-
fallsreichen, der Ideenmenschen, immer größer, die
der Ausführenden, der Arbeitsmenschen, immer kleiner
wird. Wenn auch hier die Maschine einen gewissen
Ausgleich schaffe nach Masse und mechanischer Art
der Leistung, so bleibt doch ein Mangel und Fehl
nach der Seite des rein Persönlichen in Einzeldingen
bestehen. Das ist sicher nicht die Absicht kultureller
Pionierarbeit der Schulen, nicht das Endziel der
Bessergestaltung unserer sozialen Verhältnisse. Aber,
wenn der Junge der Volksschule nur noch den Wunsch
hat, Schreiber, Kaufmann oder Beamter zu werden,
der Jüngling höherer Schulen den zu studieren, und
das sich selbst entdeckende Talent zu der Ansicht