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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 21.1910

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Westheim, Paul: Edelmaterial - Edelarbeit
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Wetzel, Ines: Glossen über die Bürgerwohnung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11378#0341

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INNEN-DEKORATION

323

ARCHITEKT LUDWIG BERNOULLY—FRANKFURT.

LANDHAUS DR. COUVERT IN BUCHSCHLAO.

GLOSSEN ÜBER DIE BÜRGERWOHNUNG.

ii.

In gar vielen Fällen ist sich der Einrichtende selbst
durchaus nicht klar über das, was er eigentlich für
Anforderungen stellen kann und darf, um wirklich das
Richtige zu erlangen. Er wird verwirrt durch alles,
was ihm an Angeboten entgegentritt und läßt sich nach
deutscher Art gern von Fremdem beeinflussen, wie ihm
denn immer ungeheuer wichtig erscheint, was andere
haben und tun. Nicht selten kommt es dann so, daß
er ein Heim hat, das zu seiner Lebensführung und seinen
Verhältnissen gar nicht paßt. Vor allem kann man
diese Mißgriffe da beobachten, wo der Betreffende in
der Lage war, sich ein Haus oder Häuschen zu eigen
zu bauen. Gewiß ist es ohne weiteres verständlich, daß
man beim Bauen ganz besonderen Wünschen für Gegen-
wart und Zukunft Rechnung zu tragen wünscht, weil
man ja annehmen kann, daß sich die Wohndauer über
eine längere Reihe von Jahre erstrecken wird, aber
immerhin sollten diese Wünsche nicht allzu weit über
das Ausmaß des Charakters der Lebensführung hinaus-
gehen. Wie oft habe ich in Folge dieser Sorglosigkeit
gesehen, daß ein Häuschen, welches den Rahmen für
das Leben einer mittleren Bürgersfamilie abgeben sollte,
nicht etwa durch die Schuld des Architekten, sondern
durch des Bauherrn Schuld, nach Fertigstellung eine
komplizierte, schloßartige Anlage war, mit möglichst
vielen aber entsprechend kleineren Räumen, die
stolze Namen trugen, deren Benutzung und Ausgestal-

tung nachträglich jedoch nicht im entferntesten den wohl-
tönenden Namen entsprach. Ich habe Rauchzimmer
gesehen, in denen nie geraucht, Fremdenzimmer, in
denen nie logiert, Bibliotheken, in denen kaum Bücher
waren und nie gelesen wurde, Wintergärten, die nie
eine Pflanze sahen, sondern zum Abstellen von aller-
hand Gerät benutzt wurden!

Den unglücklichsten Eindruck hat mir jedoch
die »Diele« oder »Hall« gemacht, wenn sie in gänz-
licher Verkennung ihres Zweckes dem einfachen
deutschen Bürgerhaus aufoktroyiert wurde. Ich be-
merke auch hier wieder, daß in den Fällen meines
Materials fast nie der Architekt für diese Schöpfung
verantwortlich zu machen war, sondern daß der Bauherr
oder besser noch die Bauherrin unter keinen Umständen
auf diese Neuerung verzichten wollte, wenn das Haus
auch noch so beengt im Grundriß war. Nur wo in
einem Hause eine große Familie, mit vielen Verbin-
dungen , gesellschaftlichen Talenten und Absichten
die Voraussetzung bildet zu einem lebhaften Kommen
und Gehen von verschiedenartigen Menschen, die sich
zu bestimmten Stunden und Zwecken in diesem Raum
vereinigen und ihn mit ihrer Lebhaftigkeit und zwang-
losen Bewegung füllen, da kann auch bei uns ein solcher
Raum berechtigt erscheinen, wie er es vollauf in Eng-
lands großen Häusern und Landsitzen mit ihrem hoch-
entwickelten Gesellschaftsleben ist; überall wo repräsen-
 
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