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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 21.1910

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Breuer, Robert: Über die Kunstgewerbe-Zeichner
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https://doi.org/10.11588/diglit.11378#0260

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INN EN-DEKORATION

ENTWURF U. AUSFÜHRUNG: J. KELLER-ZÜRICH.

EMPFANGS-ZIMMER. MAHAGONI. VILLA DIR. FUNK—BADEN.

ÜBER DIE KUNSTGEWERBE-ZEICHNER.

VON ROBERT BREUER—BERLIN.

Die Freunde der Qualitätsarbeit und der Schönheit
mußten eine Zeitlang heftig gegen den Kunst-
gewerbezeichner streiten. Zu einem Teil ist es geradezu
richtig, zu sagen, daß der Kunstgewerbezeichner, beson-
ders der der neunziger Jahre, das damalige Geschmacks-
elend verschuldet hat. Die Ornamentwut, die Fülle des
Zierkrams, das waren die Produkte des Mannes, der
seinen ganzen Tag damit ausfüllte, Muster zu zeichnen.
Der Zeichner war es, der die historischen Stile ohne
eigentliches Verständnis immer wieder kopierte. Und
dann später, als der Künstler kam, da wollten die Zeichner
nicht weichen. Kaum aber hatte der Einfluß der Künstler
sich spürbar zu machen begonnen, da pürschten auch
bereits die Zeichner wieder auf dem neuen Terrain.
Die schlimmen Auswüchse des Jugendstiles sind durch-
aus auf das Unverständnis der eingesessenen Durch-
schnittszeichner zu schreiben. Betrachtet man nun die
wirtschaftliche Lage der damaligen Zeichner, so kommt
man zu dem Resultat, daß diese Leute außerordentlich
niedrige Lohnsätze hatten, daß sie aber vor allem inner-
halb der Betriebe eine geradezu unwürdige Rolle spielten
und schließlich, daß sie gegenüber den Handarbeitern
ohne eigentliches Standesbewußtsein waren. Notwendig

mußten diese Zustände zu schlimmen Entartungen führen.
Wo hinaus es ging und gehen mußte, das zeigen uns noch
heute die Verhältnisse in bestimmten Textilgegenden.
Dort sitzen jene Musterzeichner, die ununterbrochen ganze
Kollektionen sogenannter Entwürfe fabrizieren; sie be-
kommen für diese »geistige« Arbeit keinen Pfennig, sie
leisten sie nur, um sich die Möglichkeit ihres eigentlichen
Erwerbes, des Zeichnens der Patrone und des Schlagens
der Karte, zu schaffen. Im Laufe der letzten Jahre hat
sich nun aus der Not der Verhältnisse und dem Ruf der
Stunde eine höhere Schicht der Kunstgewerbe-
zeichner entwickelt. Die Existenz dieser Qualitätszeich-
ner festzustellen, das ist die vornehmste Aufgabe dieser
Besprechung. — Dem aufmerksamen Beobachter konnte es
nicht entgehen, daß innerhalb des Zeichnerberufes
eine kräftige Aufwärtsbewegung sich bemerkbar machte.
Es erwachten die Instinkte der Klasse. Das will
sagen, daß die Zeichner sich als einen ausschlaggebenden
Faktor innerhalb des Produktionsprozesses zu verstehen
begannen. Daß sie die vielen Unwürdigkeiten ihres
Daseins einsahen, und daß sie dann mit der Energie,
die dem Zeitalter der Organisation eignet, sich so-
gleich zusammenfanden, um ihrem Beruf eine festere
 
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