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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 21.1910

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Koch, Alexander: Eine deutsche Welt-Ausstellung?
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https://doi.org/10.11588/diglit.11378#0496

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EINE DEUTSCHE WELT-AUSSTELLUNG?

VON ALEXANDER KOCH—DARMSTADT.

Oft genug mag diese, dem deutschen Nationalgefühl
schmeichelnde Frage von berufener und unbe-
rufener Seite aufgeworfen sein. Jede Ausstellung, —
nicht zuletzt aber eine »Welt-Ausstellung« — bleibt ein
großes Wagnis, gleichviel aus welchem äußeren Anlaß
heraus die Berechtigung zur Abhaltung einer solchen
»konstruiert« wird. Ob heute, nachdem die verschie-
densten Völker der Erde einander so nahe getreten
sind, überhaupt noch Welt-Ausstellungen erforderlich
sind? Ich möchte es bezweifeln, vielmehr dem Ge-
danken Raum geben, daß es meist wohl nur Sonder-
interessen waren oder auch dem Verfolg ehrgeiziger
Pläne galt, wenn »Welt-Ausstellungen« mit meist viel
zu kurzen Vorbereitungsfristen von 3—5 Jahren aus dem
Boden gestampft wurden, und häufig war es ja auch nur
ein Akt politischer Höflichkeit, wenn der Einladung zur
Beschickung einer solchen Folge geleistet wurde.

»Welt-Ausstellungen« sollten eigentlich nur aus An-
laß großer Kulturfeiern, an denen die ganze
Menschheit Anteil nimmt, eine innere Berechtigung
haben-, unklug erscheint es mir, politische Ereignisse
irgendwelcher Art bei einer gewissen Jährung als Anlaß
zu einer Welt-Ausstellung zu wählen. Deutschland sollte
sich darum hüten, etwa eine »Fünfzigjahrsfeier der Neu-
gründung des Deutschen Reiches«, mit der Veranstaltung
einer >Welt-Ausstellung« auf deutschem Boden ver-
quicken zu wollen. Also auf keinen Fall etwa zu 1921
eine Welt-Ausstellung, zu der Deutschland die Völker
zu einem friedlichen Wettstreit einladet.

Alle Anzeichen sprechen dafür, daß die Bedeutung
der Welt-Ausstellungen schon heute nicht mehr so hoch
bewertet wird, oder vielleicht besser ausgedrückt: daß
sich diese »internationalen Schauen« nicht mehr als
zeitgemäß erweisen! Tokio wird voraussichtlich noch
eine Ausnahme machen, wenn Ostasien bis dahin nicht
noch ein größeres Schauspiel bieten wird. Dann aber
wird m. E. die Stunde der Welt-Ausstellungen ge-
schlagen haben oder sie müßten als »Unternehmer-
Spekulation« weiter gedeihen!

Wohl alle Großstaaten sind seit Jahren ausstellungs-
müde. Wenn sie trotzdem immer wieder mitmachen,
entspringt dies oft nur Höflichkeitsgründen und der
Gewohnheit und dem Vorbilde der Nachbarn, die das
eben auch tun. Volk und Regierung sind selten von
der Notwendigkeit solcher Veranstaltungen überzeugt,
die Abneigung dagegen wird in allen Staaten immer
größer. Die Werbekommissare für die letzten Welt-
Ausstellungen haben schon eine schwere Arbeit zu
leisten und einen scharfen Widerstand zu überwinden
gehabt, denn weder der Gewerbetreibende und Hand-
werker, noch der Großindustrielle und Großkaufmann,
wollen von einer Beteiligung an diesen internationalen
Jahrmärkten etwas wissen. Man wird das durchaus
begreiflich finden, wenn man bedenkt, daß für 1913
wieder eine »Welt-Ausstellung« und zwar für Madrid
vorgesehen ist. Wie leichtfertig das ist, kann man
schon aus der kurzen Vorbereitungsfrist von 2 Jahren
ersehen, während allein für die diplomatische Werbe-
arbeit so viele Jahre für ein gutes Gelingen erforderlich
sein dürften. Man bedenke aber, daß zwischendurch
sich noch ähnliche Ausstellungen in Turin und Ant-

werpen abwickeln werden. Das deutsche Kapital
und die deutsche Arbeit sollte mal eine Zeit-
lang in Ruhe bleiben, um Kraft und Mittel
für eine große innere Arbeit zu sammeln!

Deutschland kann demnach von einer »Welt-Aus-
stellung« absehen. Es verliert nichts dabei. Aber —
und ich komme damit auf meine früher mehrfach ge-
äußerten Grundgedanken in Ausstellungssachen zurück
— es sollte endlich an eine große deutsch-natio-
nale Landes-Ausstellung denken, deren Durch-
führung nachgerade zu einer nationalen Ehrenpflicht ge-
worden ist. Eine solche Ausstellung würde den
Erfolg in sich tragen: ideell wie materiell!
Denn vom ganzen Erdball würden die Besucher kom-
men, um zu sehen und zu studieren, was Deutschland
auf allen Gebieten leistet. Laden wir die Völker end-
lich einmal zu uns zu einem Kulturschauspiel
großen Stils. Vereinigen wir endlich mal die
deutschen Stämme, von denen sich noch immer
wieder welche in der Verfechtung von Sonderinteressen
verlieren, zu einer Großtat!

Von Jahr zu Jahr mehrt sich die Zahl der Aus-
landbesucher, die deutsches Wesen, deutsche Einrich-
tungen, deutschen Handel und Wandel, überhaupt in
Allem deutsches Leben studieren wollen. Unsere In-
dustrie, Städte-Einrichtungen, soziale Fürsorge, unsere
Krankenhäuser und Schulen sind zu ständigen Studien-
objekten für die Vertreter anderer Nationen geworden.

Was läge da näher, als ein Zusammenfassen der
verschiedenen Kräfte und Leistungen auf einer deut-
schen Ausstellung! Einer durch und durch
sorgfältig vorbereiteten und gewissenhaft,
liebevoll und vollendet durchgeführten Aus-
stellung des Deutschen Reiches.

Selbstverständlich muß dafür eine größere Arbeit
geleistet werden, als wenn wir uns »ehrenhalber« an
einer sogenannten Welt-Ausstellung beteiligen. Die ganze
Nation muß dafür auftreten und eintreten,
wenn ein so großer Wurf vor den Augen der
Welt gelingen soll! Man greife diesen Gedanken
auf und betraue führende und schaffende Männer und
Frauen unseres Vaterlandes mit der fundierenden Vor-
arbeit! Die Tat kann in fünf bis sechs Jahren ver-
wirklicht sein, sie darf auch zehn Jahre in Anspruch
nehmen; es kommt nur darauf an, ob wir klug genug
sind, unsere Kräfte ausschließlich dafür festzulegen und
sie nicht zu zersplittern durch so und soviel kleine Lokal-
und Sonder - Ausstellungen, vor allem aber das Reich
selbst nicht festzulegen durch neue Verpflichtungen für
fragwürdige Weltausstellungen, die zu einem großen Jahr-
markt-Rummel zu werden drohen. Aber auch uns selbst
muß der Gedanke, an einen »verkleinerten« Welt-Jahr-
markt zu denken, ein für alle Mal als abgetan erscheinen.

Meine Reformvorschläge für das Ausstellungswesen,
die bisher in kleinerem und größerem Umfange Ver-
wirklichung und Anwendung gefunden haben, und die im
wesentlichen darauf abzielen: in unseren Ausstellungen
organische, wirtschaftliche und künstlerische
Gebilde als einheitliche Lebensausschnitte
selbst zu schaffen, die nicht von den notwendigen
Ausstellungshallen erdrückt werden, erneuere ich hiermit.
 
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