Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 21.1910
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https://doi.org/10.11588/diglit.11378#0099
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Westheim, Paul: Über unsere Fest-Dekorationen, [1]
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INN EN-DEKORATION
ENTWURF U.
AUSFÜHRG.:
HOFMÖBELF.
RATH & BAL-
BACH - KÖLN.
EINGEBAUTE
SALON-KOJE
M. RINGSUM-
LAUFENDER
SOFA - BANK.
ÜBER UNSERE FEST-DEKORATIONEN.
An Amüsementsbedürfnis fehlt es in unseren Tagen
J~\_ wahrlich nicht. Seitdem wir im neuen deutschen
Reich zu Besitz gekommen sind und auf amerikanische
Weise das Geldmachen betreiben, bringt der Winter
keine Woche ohne pompösen Festspektakel. Die alte
Sage, wir müßten nach Paris oder anderen galanten
Metropolen zum fashionablen Amüsement gondeln, ist
längst zu berichtigen. Bei uns zu Lande fehlts in
der Tat an nichts; alle Voraussetzungen sind da —
nur kein Stil, nur nicht die gute Form.
Es scheint fast, als haben wir hier ebenfalls jegliche
Tradition eingebüßt. Einst war auch in deutschen
Landen der Karneval eine Augenweide. Die Tanz-
kränzchen der Bürgersleute, die Fastnachtsgruppen der
Handwerker, der Studenten der Maljünglinge und ihrer
liebreizenden Gretchen, Kätchen, Lenchen hatten die
Delikatesse, die aus den abgegriffenen Almanachbändchen
noch elegisch schimmert. Heute ists selbst im wein-
frohen Rheinlande nur noch ein Austoben des Plebs —
schlimmer als alle Rüpeleien der mittelalterlisch derben
Hanswurstiaden. Und bei den Kostümscherzen der
geschlossenen Zirkel hockt scheinbar die Phantasie wie
ein altes Trödelweib im Masken-Verleih-Institut, von
dem ja die lustige Aufmachung bezogen wird.
Phantasie ist allerdings ein unerläßliches Requisit
für den bunten, überschäumenden Festtrubel. Die
Arrangeure unserer großen öffentlichen Bälle würden
mich schön an den Ohren kriegen, wenn ich ihnen
INN EN-DEKORATION
ENTWURF U.
AUSFÜHRG.:
HOFMÖBELF.
RATH & BAL-
BACH - KÖLN.
EINGEBAUTE
SALON-KOJE
M. RINGSUM-
LAUFENDER
SOFA - BANK.
ÜBER UNSERE FEST-DEKORATIONEN.
An Amüsementsbedürfnis fehlt es in unseren Tagen
J~\_ wahrlich nicht. Seitdem wir im neuen deutschen
Reich zu Besitz gekommen sind und auf amerikanische
Weise das Geldmachen betreiben, bringt der Winter
keine Woche ohne pompösen Festspektakel. Die alte
Sage, wir müßten nach Paris oder anderen galanten
Metropolen zum fashionablen Amüsement gondeln, ist
längst zu berichtigen. Bei uns zu Lande fehlts in
der Tat an nichts; alle Voraussetzungen sind da —
nur kein Stil, nur nicht die gute Form.
Es scheint fast, als haben wir hier ebenfalls jegliche
Tradition eingebüßt. Einst war auch in deutschen
Landen der Karneval eine Augenweide. Die Tanz-
kränzchen der Bürgersleute, die Fastnachtsgruppen der
Handwerker, der Studenten der Maljünglinge und ihrer
liebreizenden Gretchen, Kätchen, Lenchen hatten die
Delikatesse, die aus den abgegriffenen Almanachbändchen
noch elegisch schimmert. Heute ists selbst im wein-
frohen Rheinlande nur noch ein Austoben des Plebs —
schlimmer als alle Rüpeleien der mittelalterlisch derben
Hanswurstiaden. Und bei den Kostümscherzen der
geschlossenen Zirkel hockt scheinbar die Phantasie wie
ein altes Trödelweib im Masken-Verleih-Institut, von
dem ja die lustige Aufmachung bezogen wird.
Phantasie ist allerdings ein unerläßliches Requisit
für den bunten, überschäumenden Festtrubel. Die
Arrangeure unserer großen öffentlichen Bälle würden
mich schön an den Ohren kriegen, wenn ich ihnen