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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 21.1910

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Schulze, Otto: Über Ornament-Symbolik
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https://doi.org/10.11588/diglit.11378#0397

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UEBER ORNAMENT-SYMBOLIK.

Das Ornament, das Schmuckbeiwerk, schickt sich
an, ihm verloren gegangene Gebiete zurück zu
erobern. Selbst erste Künstler bauen ihm dafür die
Brücken und bieten ihm Quartiere an. Ganz besiegt
war das Ornament ja nie, es war nur zurückgedrängt,
den breiteren Schichten preisgegeben, bei denen es von
altersber gern gelitten und gepflegt wurde. Das Orna-
ment war stets ein schmuckes Kind der Volkskunst
und der alten Kunstgewerbe, von denen es dann in die
Hände höfischer Ornamentisten und Ornamentband-
werker kam, die es zu einem Mädchen für alles machten.
Es kam schließlich, schon zur Biedermeierzeit, so schreck-
lich in Verruf, daß es sich alle möglichen Maskeraden
und Aufputze gefallen lassen mußte, um zu verbergen,
wie erschreckend alt es geworden war. In unserer
Zeit verfiel es ganz der Maschine; an sich geistvolle
Mechanismen quälten es grausam, preßten aus ihm jeden
warmen Blutstropfen heraus. Das ist, als wenn eine
Sprache ausstirbt, die später dann nur noch von Ge-
lehrten gelesen und verstanden wird. —

Echtes Ornament ist wie eine Sprache, und den
alten Völkern war es wie eine Bilderschrift-, ihnen be-
deuteten die Ranken und Schnörkel, die Figuren und
Masken, die Blumen und geometrischen Zeichen etwas.
Für sie war das Ornament nicht eine Draufgabe, ein
Beiwerk, sondern eine organische Ausstrahlung wie bei

dem Baume die Blüten. Jedermann verstand diese Or-
namentsprache 5 sie offenbarte ihm die herrlichsten Dinge
in Glaubens- und Liebessachen, ja Lebenskunst und
Gesetzeskunde. — Nun bin ich gewiß im Sinne der
modernen Auffassung gegen alles überflüssige Ornament,
gegen das Ornament um seiner selbst willen-, ich bin
auch gegen jedes symbolisierende Ornament an sich,
denn die wenigsten Menschen, vor allem die Ornamen-
tisten selber, würden es verstehn und zu deuten wissen.
Ein Ornament an der richtigen Stelle, bescheiden ein-
gefügt , also nicht zur Hauptsache werdend, spricht
durch sich selbst. Es soll rein ästhetisch wirken, uns
keine Geschichten erzählen, auch nicht geistreich an-
deuten: an dieser Stelle soll ich diese oder jene Material-
oder Gebrauchsfunktion kommentieren. Also, wenn
schon ein Ornament, dann ein solches, das herzlich
wenig redet, das nicht Sophismen birgt. Nun ist es ja
bekannt, daß die wirklichen Künstler der Moderne ihre,
und an sich jetzt nicht einmal ärmlich blühende Orna-
mentik auch in diesem Sinne auffassen, d. h. nur als
Schönheitswerte, die da und dort mitklingen, beleben
und Gegenwerte schaffen. Noch sind es meistens an
sich nichtssagende Linien, echte Schnörkel, launige aber
witzlose Zugaben. Losgelöst von ihrem Grunde und
aus ihrer Umgebung würden es oft, so urteilen etwa
die »Ornamentisten«, denen Ornament die hohe Schule
 
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