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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 26.1915

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Vogt, Adolf: Der Raum über den Möbeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.7711#0171

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INNEN-DEKORATION

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PROFESSOR ADELBERT NIEMEYER-MÜNCHEN

ZIMMER DER KINDER MIT SPIELSCHRANK

Da ist der Raum über den Möbeln vollständig ver-
schwunden. Es ist unmöglich, daß er sich noch störend
bemerkbar macht. Als Raumgestaltung pflegen solche
Zimmer stets ruhiger, geschlossener, kompakter zu wirken,
sei es, daß die eingebauten Schränke gewissermaßen eine
neue Wand bilden, sei es, daß tief gezogene Decken
Nischen oder Durchgänge entstehen lassen, deren Raum-
säulen wenigstens mit der Basis auf dem Fußboden stehen.
Wenn wir Tische, Stühle, Schränke in diese niedrigen
Nischen stellen, ergeben sich auf alle Fälle bessere Pro-
portionen als im hohen Zimmer, wo zwischen dem zwei
Meter hohen Schrank und dem 3,50 Meter hohen Zimmer
ein unlösbares Mißverhältnis bleibt. Niedrige Möbel,
Tische, Anrichten werden von der hohen Luftsäule oft
noch mehr erdrückt und ins Zwergenhafte verkleinert.

Die Formen und Abmessungen unserer bürgerlichen
Möbel stammen aus Zeiten, wo die Zimmer recht bedeu-
tend niedriger waren und wenigstens die Schränke bei-
nahe an die Decke stießen. Da kamen auch die Tische
und Stühle noch in ein gutes Verhältnis. Unsere Miet-
wohnungen sind dagegen für unsere Möbel fast durchweg
zu hoch, und Unterzüge, Einbauten sind gewöhnlich nicht
statthaft. Die Möbel aber größer, vor allem höher zu
machen, ist von vornherein ausgeschlossen. Da bleiben
dann nur Kompromisse übrig, wenn man nicht aus den
meisten Zimmern die Schränke überhaupt verbannen will,
was in teureren Wohnungen schon mehr und mehr Übung
wird. — Instinktiv oder mit Absicht werden fast in jeder

Wohnung Versuche gemacht, um die geschilderte Klippe
herumzukommen. Da werden die Möbel so verteilt, daß
doch noch ein großer zusammenhängender Raumblock
bleibt, dem gegenüber die kleinen Absplitterungen nicht
so ins Gewicht fallen. Oder man gibt den Schränken so
geringe Tiefe, als sich nur mit dem praktischen Zweck
vereinigen läßt. Sie wirken dann eher als Vorsprünge
der Wand, denn als besondere Körper. Die Stühle, Sofas,
Postamente, Anrichten werden dann ebenfalls mehr als
Anhängsel der Wand, der Pfeiler oder der größeren
Möbel behandelt, sie bilden mit ihnen eine große Einheit,
wodurch auch der negative Raum eine Einheit bleibt,
oft sind auch die Glasscheiben, die Profilierungen, die
Schnitzereien von gutem Nutzen, da sie die kubische
Körperlichkeit der Möbel etwas auflösen. Besonders ge-
fährlich ist die strenge plattenförmige Abdeckung der
Möbel, und wo es irgend geht, müßte durch eine Auf-
lösung der Maße nach oben, durch farbige Auflockerung,
durch Abschrägen oder Abrunden die Härte des Zusam-
menstoßes gemildert werden. Wenn das Möbel nicht
streng flächig abschneidet, tritt der negative Raumwürfel
über ihm gar nicht erst hervor. Wo dem negativen Raum
keine angenehme Form gegeben werden kann, ist es besser,
ihn nach Möglichkeit zu verschleiern, die Aufmerksam-
keit von ihm abzulenken. . . Andere Mittel werden sich
wohl noch in größerer Zahl finden lassen, wenn erst allge-
mein der Grund des Übels erkannt ist, wenn dem nega-
tiven Raum mehr Beachtung geschenkt wird. . ad.vogt.
 
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