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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Corwegh, Robert: Stil und Wohnlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0027
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INNEN-DEKORATION

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PROFESSOR EMANUEL v. SE1DL —MÜNCHEN KLEINES SPEISEZIMMER IM SCHLOSS STEIN

STIL UND WOHNLICHKEIT

Wenn ich von Wohnlichkeit reden will, so meine Glasgrund kleine Sepiabilder schmücken sie Auf dem
ich damit nicht die oftgepriesene »Gemü.lichkeit«, Tisch und in der Vitrine stehen Vasen und Glaser dieser
*»ter der sich meist Schwäche und Geschmacklosigkeit Epoche und eme jener reizenden F.gurchen in deren
^rgt. Wohnlich bedeutet für mich den Ausdruck persön- Falten sich die Antworten auf das amüsante Fragesp.el
lichen Waltens und Willens in den eigenen Pfählen. Alles, unserer Voreltern bargen. Solange ich in diesem Zimmer
*«« einem Menschen zugehört, soll den Stempel seines allein war, sog ich den Duft und die ganze Atmosphäre
Uesens tragen. Nicht nur an seinem Gesicht, an den jener Vorzeit in mich lebte für eine kurze Spanne in
Händen soll der Menschenkenner Art und Beruf ablesen, e.nern Traum aus Jettchen Geberts Tagen. Sobald aber
aueh seine Umwelt in deren kleinem Kosmos er schaltet, eine Dame in neumodischer Tracht ein zweiter Mensch
muß seines Wirkens Ausdruck zeigen. Allein, wenn wir in einer anderem Stile entstammenden Kleidung mit mir
uns stilvoll einrichten wenn Künstler und Altertumshändler den Raum teilte, fühlte ich mich unangenehm berührt von
die Paten unseres Heimes bilden, dann pflegt meistens der Fremdheit der stilvollen Umgebung. Ich kam mir
der Auftraggeber seinen Willen dem der Ausführenden vor wie ein Schauspieler ohne Kostüm inmitten des schon
unterzuordnen Solche Wohnungen erinnern mich an die aufgestellten Szenariums. Ein Buhnenbild, keine Woh-
Möbelauslagen großer Fabriken oder an Ausstellungs- nung umgab mich. Als ich diesen Eindruck dem Besitzer
fäume, denen das Wesentliche einer menschlichen Woh- des Raumes mitteilte, wurde er erst stutzig, mußte mir
nur>g fehlt die innere Belebung durch eine Persönlichkeit. aber nach einigem Besinnen zugestehen, daß ihm selbst
Mein Zahnarzt, ein welterfahrener Mann, sucht die dieses Gefühl nicht unbekannt sei, daß er aber Geschmack-
unangenehme Zeit' des Wartens seinen Patienten durch losigkeit mehr scheue als diese immerhin vorübergehende
den erlesenen Geschmack des Warteraumes zu kürzen. Fremdheit in eigener Behausung. Mein Einwand, daß
Alles in diesem echten Biedermeierzimmer zeigt Stil. Die diese Fremdheit im eigenen Heim geschmacklos sei, weil
Möbel, der Zeit entstammend, haben keine Aufarbeitung er selbst stillos seinen vier Pfählen gegenüberstände, war
über sich ergehen lassen, der Teppich ist alt, eine Tapete ihm unbequem, bis ich ihm erklärte, wie leicht diesem
aus den Tagen, da der Großvater die Großmutter nahm, Mangel abgeholfen werden könne. Nur in und an Klei-
bedeckt die Wand. Silhouetten auf weiß oder goldigem nigkeiten müsse man an unsere Zeit erinnert, und die

1916. L 2.
 
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