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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 41.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.10703#0423
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ZU ALEXANDER KOCHS 70. GEBURTSTAG

9. NOVEMBER 1930

A lies wohl erwogen, gibt es für den Mann nur
l \ ein »wertbeständiges« Glück auf Erden: daß
das, was mit ihm geboren ist, Werk und Gestalt
wird, daß es lebenbestimmend in die Geschichte
eingeht. Wir haben von Alexander Koch zu
sprechen als von Einem, dem dieses Glück in ver-
schwenderischer Fülle zuteil geworden ist.

Alexander Koch sieht in der heutigen Welt die
von ihm vertretenen Gedanken durchgesetzt. Er
sieht in Kunst und Kunstgewerbe seine Reform-
bestrebungen zum Ziel gelangt. Er sieht nament-
lich in der Wohnungsgestaltung, im Wohnbau, in
der gesamten gewerblichen Produktion, soweit
sie sich zum menschlichen Leben und Wohnen
stellt, Werte und Begriffe bewährt, die von vorne-
herein in ihm angelegt waren. Er bat viele von
ihnen als Erster ausgesprochen. Er hat ihnen allen
durch seine Arbeit zum Durchbruch verholfen.

Alexander Koch war niemals Theoretiker. Er
war stets ein Mann der praktischen Wirkung.
Aber was dieser seiner Wirkung an Gesinnungen,
an Antrieben zugrunde lag, das gibt sich erst heute
der gedanklichen Fassung klar in die Hand. Er
gehörte zu den Menschen, die um 1890 schon die
Form einer nahe bevorstehenden Zukunft hatten.
Er hatte den Begriff des kulturellen Zusam-
menhanges, er hatte die Forderung nach einer
gleichmäßigen Geltendmachung des Zeitstils auf
allen Gebieten gleichsam »im Leibe«. Er war ein
neuer Menschentyp und führte das in diesem
Typ Angelegte zum Siege. In einer von ihm ge-
prägten Fassung lautet sein Leitgedanke: »Die
Kunst im Dienste des Lebens«. Ein Wort,
das heute wie eine Selbstverständlichkeit klingt,
und dem doch zu seiner Zeit nur durch angespann-
tes Mühen und Kämpfen Geltung verschafft wer-
den konnte. Es ist bei aller Schlichtheit eine aus-
gezeichnete Formulierung. Sie deutet auf den
Durchbruch des »ästhetischen Menschen«, der
sich in jener Zeit vollzog und der die Vorherr-
schaft des Geschmacks, die Forderung des Wohl-
lauts in der Gestaltung, den Kultus der Sensibili-
tät mit sich führte; vor allem auch den Sinn für die
einheitliche Gesamt-Wirkung, der in der Raum-
Ausstattung so große Bedeutung gewinnen sollte.

Alexander Koch erfuhr zu deutlich an sich die
Befriedigung, die gute Form zu spenden vermag,
er reagierte zu genau auf alles, was aus dem
Rahmen der Harmonie herausfiel, um nicht den
dringenden Wunsch zu empfinden, für eine Er-
ziehung des Geschmackes in allen Wohn-
dingen zu wirken. Man sieht in ihm die unbedingte
Hochschätzung des Ästhetischen als Grundtrieb

angelegt. Er wurde Herausgeber von Kunst-Zeit-
schriften aus Enthusiasmus, aus Trieb und Über-
zeugung. Und in diesen seinen Zeitschriften lebte
er alle Seiten seines Wesens aus: die sichere Kritik
in allen Geschmacksdingen, die Lust am Anregen,
am bestimmten Weiterwirken auf Andere, die
Lust an der harmonischen typographischen Ge-
staltung, den Trieb zum Erziehen. Bezeichnend
dafür ist, daß er sich von Anfang an nicht darauf
beschränkt hat, vorhandenes Material zu publi-
zieren: errief Schaffen hervor, er interessierte sich
für die Lösung bestimmter Aufgaben. Seine redak-
tionellen Preisausschreiben zogen immer
wieder neue Begabungen aus der Künstlerschaft
hervor. Wo er nur konnte, erwirkte er den Künst-
lern Aufträge, Verkäufe oder Arbeitsfeld. In vielen
Fällen gab er ihrem Schaffen unmittelbare Direk-
tiven, die den Betreffenden zum Segen wurden, die
sie zu Erfolg und Ansehen führten. Wieviele Künst-
ler in Deutschland und Osterreich haben ihm gerne
und oft bezeugt, daß sie, was sie geworden sind,
seinen Anregungen, seiner Förderung verdanken.
Alexander Koch hat stets ein offenes Haus. Wer
ihn in künstlerischen Dingen um Rat anging, fand
ihn stets zum Helfen bereit. Das wurde besonders
auch in der Richtung bedeutsam, daß sein Haus
vielfach von Ausländern, namentlich von Ameri-
kanern, besucht wurde und besucht wird, die sich
für deutsches Kunstschaffen interessieren. Er
wurde da oft durch Adressen-Nachweis von Künst-
lern und Firmen zum wichtigen Vermittler. Ein-
wandfrei steht fest, daß seine Zeitschriften für die
Künstler ein Faktor der Publizität geworden sind,
ohne den man sich das heutige Kunstleben nicht
mehr vorzustellen vermag. Man kann geradezu
sagen: die auswählende und betonende, die
kritische, zur Qualität, zur formvollen Gestaltung
anregende Tätigkeit, die er mit Hilfe seiner Zeit-
schriften entfaltete, war eine Vertretung von
»Werkbund-Gedanken«, lange bevor man an den
Werkbund dachte. Als eine Einzelheit sei er-
wähnt, daß ihn sein Leitgedanke »Die Kunst im
Dienste des Lebens« schon frühzeitig dazu führte,
auf einen neuen Kunstausstellungs-Typ hin-
zuwirken. Alexander Koch war einer der Ersten,
die gegen die Übung, auf Gewerbe- und Möbel-
Ausstellungen die Objekte in lebloser Weise auf-
zubahren, scharfen Protest einlegten. Er vertrat
demgegenüber den Gedanken, die Objekte in
der Lebens-Anwendung zu zeigen und sie
in Bauten unterzubringen, die nach der Ausstel-
lung stehenbleiben und dauernd Dienst tun konn-
ten. Ein Gedanke, der bekanntlich seitdem über-
 
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