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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 41.1930

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Griesser, Paul: Die Wohnung der Zukunft
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https://doi.org/10.11588/diglit.10703#0483
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INNEN-DEKORATION

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professor paul griesser-bielefeld ruhesofa im damenzimmer. b1rnholz

DIE WOHNUNG DER ZUKUNFT

Oft werde ich gefragt, was ich von der »Woh-
nung der Zukunft« denke. Ob wohl mit fort-
schreitender Mechanisierung unserer Lebensfor-
men die »Wohnmaschine« sich unaufhaltsam und
radikal durchsetzen, — oder die »Reaktion« recht

behalten werde? . Beides ist zu verneinen.....

Kein vernünftiger Mensch wird es je auf die
Dauer in einer Maschine aushalten, denn er ist ein
lebendiges Wesen und kein Maschinenteil. Je
mehr Wirtschaftsleben und Verkehr sich mechani-
sieren, desto mehr wird der Mensch in seinem
Heim nach Kompensierung und Entspannung ver-
langen. Straße, Werkraum und Büro umgeben ihn
mit Maschinen und drohen ihn selber zur Maschine
zu machen, in seiner freien Zeit aber will er in
einer Umgebung sein, die ihn wieder Mensch sein
läßt. Es braucht keine verträumte Romantik im
alten Sinne zu sein, in die er sich flüchtet. Das
Zweckmäßige in allen Einrichtungen, auf das wir
nicht mehr verzichten können, braucht nicht ver-
leugnet zu werden, aber es soll sich nicht vor-
drängen, es soll angemessenen Raum lassen für
Gefühls- und Gemüts-Beziehungen zu den Dingen,
mit denen wir leben. . Soll man es »neue Roman-
tik« nennen, was sich gegenüber den »radikalen«
Prinzipien der Wohnmaschine durchsetzen will?

1930. XII. 3.

Zu der verlogenen Romantik der dekorativ-
überladenen Wohnung werden wir nicht zurück-
kehren. Dazu sind wir zu weit fortgeschritten.
Was in früheren Zeiten eine Wohnung vorstellte,
das paßt für die heutigen Verhältnisse nicht mehr,
und mit denen der Zukunft würde es sich erst
recht nicht vereinigen lassen. Wir haben weder
Zeit noch Geld für unpraktische, unsinnig kon-
struierte Möbel und Umbauten und für überflüs-
sigen, falschen Prunk in unseren Wohnräumen. Die
vollgestopfte, stickige Wohnung, in der man sich
nicht bewegen kann, wollen wir nicht mehr. . . .

*

Wir wollen aber auch nicht die Wohnung, in
der »am laufenden Band gegessen und geschlafen«
wird. . Ohne Prophet zu sein, kann man sagen,
welche Grundforderungen auch für die Wohnung
der Zukunft Geltung behalten werden. Es wird
vor allem eine sauber und gut eingerichtete Woh-
nung sein müssen, die mit allen Vorteilen der fort-
schreitenden Technik einen Charakter verbindet,
der echte Wohnlichkeit schafft. Die Räume wer-
den der Gesundheit und dem Wohlbefinden völlig
dienlich sein, die Möbel werden Formen haben,
die dem Auge und dem Körper wohltun und
die Nerven nicht beunruhigen. . . paul griesser.
 
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