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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Pankok, Bernhard: Bemerkungen zu einem Aufsatz: von Professor Dr. ing. e. h. Bernhard Pankok, Direktor der Staatl. Württ. Kunstgewerbeschule Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0025
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INNEN-DEKORATION

11

BEMERKUNGEN ZU EINEM AUFSATZ

Von Professor Dr. ing. e. h. Bernhard Pankok, Direktor der Staatl. Württ. Kunstgewerbeschule Stuttgart

Sehr geehrter Herr Hofrat!

In Heft ii des Jahrgangs 1933 veröffentlichen Sie
auf S. 392/93 einen Artikel über »Anregungen zur
Reorganisation der Staatl. Kunst- und Kunstge-
werbeschulen« von Architekt Hermann Kopf, Berlin.
Wir begrüßen es, daß Sie damit in Ihrer Zeitschrift
erneut das Problem des kunstgewerblichen Erzie-
hungswesens zur Erörterung bringen, bedauern je-
doch, daß der vorliegende Beitrag von falschen Vor-
aussetzungen ausgeht. Wenn wir vom Standpunkt
unserer Anstalt aus gegen die wesentlichsten Be-
hauptungen des Artikels Stellung nehmen, so des-
wegen, weil die meisten Kritiken, die über die Kunst-
gewerbeschulen erhoben werden, nur ganz aus-
nahmsweise von den gegenwärtigen Verhältnissen
und den bestehenden Lehrplänen ausgehen und wir
ein begreifliches Interesse daran besitzen, daß die
inneren Reformen, welche lebendige Anstalten immer
und immer wieder in sich selbst vornehmen, der
Öffentlichkeit bekannt werden. Vom Standpunkt der
Stuttgarter Schule aus ist schon die erste Frage des
Beitrags unberechtigt. Die Schüler unserer Anstalt
haben mit selbstverständlichen, durch die Zeitver-
hältnisse bedingten Ausnahmen, immer Anstellung
gefunden. Manche Abteilungen haben ihre Schüler
bis zu 100 % in der Praxis unterbringen können, zum
Teil durch direkte Vermittlung der Schule. Die Schü-
ler haben sich in der Praxis als brauchbar erwiesen,
wobei eine gewisse Zeit der Einarbeit berücksichtigt
werden muß, die niemals zu vermeiden ist, so sehr
sich auch eine Schule bemühen sollte, mit einem in-
dustriellen Arbeitsprozeß übereinzustimmen, was -
wie ohne Zweifel feststehen wird - ihrem tatsäch-
lichen Wesen widerspricht. Es ist weiterhin von
der Anschauung unserer Anstalt aus unrichtig, daß
die Schüler nicht mit praktischen Kenntnissen ver-

traut gemacht werden. Die Werkstattausbildung ist
seit Jahrzehnten das Schwergewicht der pädagogi-
schen Tätigkeit der Anstalt. Linear- und Zirkelzeich-
nen werden im Unterricht für technisches Zeichnen
geübt; dieser Unterricht ist für die Schüler der Vor-
klassen obligatorisch. Unterricht in Werkstoffkunde
vermittelt in jeder Abteilung die genaue Kenntnis des
Materials. Den fabrikatorischen Werdegang erläu-
tern regelmäßige Besuche in Frage kommender Be-
triebe. Praktische Ferienarbeit wird auch von uns
gefördert. Auch diejenigen technischen und prakti-
schen Kenntnisse, »welche die Umsetzung des Ent-
wurfes bis zur fabrikatorischen Herstellung erforder-
lich macht«, werden in der Anstalt gelehrt. Es werden
Werkzeichnungen angefertigt, Patronen ausgear-
beitet, der Brennprozeß in der Keramik verfolgt u. dgl.
Die Stilformenlehre wird in einem zweistündigen
Unterricht behandelt. Die »Relation eines Erzeug-
nisses zu seiner Käuferschaft« stellt allerdings kein
besonderes Lehrfach dar (was auch nicht zu empfehlen
ist und über theoretische Erörterungen nicht hinaus-
reichen würde), wohl aber eine Frage, welche im
Unterricht immer und immer wieder behandelt wird.
Es ist eine selbstverständliche Voraussetzung eines
Entwurfes und einer praktischen Arbeit, an die
Käuferschicht zu denken, für welche die Arbeit be-
stimmt ist, es sei denn, daß es sich um ausgespro-
chene Versuche handelt.

Der Aufsatz, der mich zu diesen Zeilen veranlaßt,
entspricht daher, soweit die Stuttgarter Kunstge-
werbeschule in Frage kommt, nicht dem tatsächlichen
Zustand. Ich bin davon überzeugt, daß er den Ver-
hältnissen auch an anderen deutschen Kunstgewer-
beschulen nicht gerecht wird.

Mit freundlichen Grüßen Ihr Pankok.

1934. I. 2
 
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