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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Urban, Gisela: Frauliches Schaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0118
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INNEN-DE KORATION



1W_









architekt 1no. helene roth-wien

durchblick in ein speisezimmer

FRAULICHES SCHAFFEN

Fraulichkeit: das ist wohl das auffälligste Merkmal
des Schaffens von Helene Roth, die als erste Frau
an der Wiener Technischen Hochschule Ingenieurin
geworden ist. Vorerst hatte sie sich einem Spezial-
schaffen zugewendet: dem Umbau von Portalen, der
ihr stets geglückt ist. Gemeinsam mit einem männ-
lichen Kollegen hat sie ein Hotel umgemodelt und
dabei ihre praktische Begabung, besonders bei der
Adaptierung des Restaurants und der Schwemme,
bewiesen. Dann aber begannen Wohnbau und Woh-
nungseinrichtung die junge Architektin in ihren
Bann zu ziehen. In dieser Tätigkeit, die sie einige
Wohnhäuser und Villen vollenden und eine ganze
Reihe verschiedensterWohnungseinrichtungen durch-
führen ließ, hat Helene Roth ihre eigenste Note ge-
funden. Eine Note, die den weiblichen Sinn, die Vor-
liebe für den Grundakkord einer Harmonie verrät,
die jede Nüchternheit überwindet und Wärme, ja
vielleicht sogar Illusion erzeugt, und die weibliche
Hand, der durch Geschicklichkeit und Anmut Lösun-
gen gelingen, an die Männer häufig zu viel Ernst und
Gewichtigkeit verschwenden. Aber Helene Roth ist
in ihrem Schaffen nicht nur fraulich eingestellt, sie

ist auch eine von den Tendenzen der modernen
Wohnkultur verantwortungsbewußt erfüllte Gestal-
terin. In erster Linie ist es ihr darum zu tun, alle
Voraussetzungen für ein richtiges Wohnen zu ver-
mitteln. Ihre Räume enthalten alles, was ein kul-
turelles Leben ermöglicht; scheinbar zwanglos sind
alle Elemente zu einem zweckvollen Behagen zu-
sammengefügt, Farben und Formen zu einer Einheit
verwebt, die ihre Bestimmung klar erkennen läßt
und sich völlig dem Wohndienst unterordnet. Denn
diese Räume sind auch rationell gestaltet, überlegen
ausgenützt und mit allen Annehmlichkeiten, die der
Technik abgerungen werden können, versehen.

Es ist für Helene Roth charakteristisch, daß sie
sich in ihrem Schaffen nicht nur von den Wünschen
der Wohnungseigentümer leiten läßt, sondern daß sie
sich darüber hinaus bemüht, deren Bedürfnisse voll
zu erfassen, gleichsam in die seelische Struktur der
Menschen einzudringen, um die Wohnung bis ins
kleinste Detail auf das Wesen ihrer Bewohner abzu-
stimmen. So werden diese Räume Spiegelbilder von
Lebensauffassungen und dadurch interessante Doku-
mente für den Wohnstil unserer Tage, gisela Urban
 
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