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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Michel, Wilhelm: Alte Bausünden und das neue Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0129
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INNEN-DEKORATION

113

SÜDANSICHT MIT FREITREPPE UND TERRASSE

MUSCHELKALK, GESÄGT UND IN BRUCHPLATTEN

ALTE BAUSÜNDEN UND DAS NEUE DEUTSCHLAND

VON WILHELM MICHEL

Paul Schmitthenner stellt in seiner Broschüre
»Baukunst im Neuen Reich« die Frage: Wie sieht
die Baukunst im Neuen Reich aus? Genauer: Er
sagt, daß es naheläge, diese Frage zu stellen, und
er antwortet darauf: »Diese Frage ist so müßig wie
verfrüht, und wir überlassen die Antwort den kleinen
Propheten. Schicksal und Glück des neuen Reiches
baut sich auf dem neuen deutschen Menschen auf . . .
Wir wollen uns ganz klar darüber sein, daß durch
den Abschluß der nationalen Revolution sich an dem
Können der deutschen Architekten nichts geändert
hat. Die Könner und Nichtkönner sind nach wie vor
da, und ich glaube nicht an die vielen unterdrückten
Talente, die sich allenthalben in das Licht des neuen
Tages stellen wollen. Nein, daran glaube ich nicht,
aber an die neue deutsche Jugend glaube ich.« Und
im Anschluß daran entwickelt Schmitthenner, wie
im heutigen Bauen Deutschlands zwei Dinge neben-
einander stehen: ein Bauen, das »den deutschen
Willen zur Sachlichkeit zu modischen Narreteien
umfälschte«, und jene trostlose Mittelmäßigkeit, die
heute nach wie vor das deutsche Land verunstaltet.

So entschieden Schmitthenner gegen das Bauen der
ersteren Art auftritt, so sehr sieht er in der selbst-
gefälligen Unfähigkeit der Mittelmäßigen »die größere
und die unmittelbare Gefahr«.

Er spricht klar aus: »Täuschen wir uns nicht, diese
unzulänglichen Bauten in Stadt und Land sind viel
schlimmer in ihrer Auswirkung als jene überwundene
,neue Sachlichkeit'. Diese war in der Minderzahl und
war der Ausfluß jenes verfeinerten Verstandes, dem
nichts mehr heilig war, jene aber sind in der Mehr-
zahl und sind der Ausfluß einer geistigen Mittel-
mäßigkeit und Faulheit, die in der Vogelfreiheit des
Architektenberufes ihre Ursache hat, in dem Mangel
an Auslese und in falscher Erziehung.« In eindrucks-
vollen Ausführungen kommt Schmitthenner zu dem
Schlüsse, daß diese Baugesinnung der Mittelmäßigkeit
die bei weitem gefährlichste Ausprägung des libera-
listischen Geistes ist. Er kommt da mit vollem Recht
auf die Kriegsrufe zurück, mit denen seinerzeit in
den neunziger Jahren der Kampf gegen das blinde,
verwüstende, gestaltungsunfähige Walten dieser bür-
gerlich-liberalistischen Mittelmäßigkeit in der Bau-
 
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