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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Michel, Wilhelm: Alte Bausünden und das neue Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0131
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INNEN-DEKORATION

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PROF. BREUHAUS »VILLA IN SÜDDEUTSCHLAND«

»EMPFANGSZIMMER« AUSBLICK ZUR TERRASSE

mobilisieren sich aus den Tiefen nationaler Lebens-
gestaltung diejenigen Gefühle, denen die fluchwürdige
Lahmheit, die blecherne Hohlheit und blutlose gei-
stige Freizügigkeit der hier in Rede stehenden Auch-
Architektur wahrhaft unduldbar werden. Vor diesen
Gefühlen und Erkenntnissen fällt die überspitzte, mo-
disch aufgezogene »Sachlichkeit« als etwas Wesen-
loses dahin, aber mit noch größerer Bestimmtheit
wenden sie sich revolutionär gegen die stumpfe, tote,
maskenhafte Bürgerlichkeit von vorgestern. Man
sollte nicht dabei stehen bleiben, ganze Füllhörner
von Zorn über die törichten modischen Überspitzun-
gen des an sich guten Grundsatzes »Sachliches
Bauen« auszugießen — während es noch in jeder
größeren Stadt viele Kilometer von Wohnstraßen
gibt, wo Öde und Jammer aus tausend Fenstern
glotzen, wo im ganzen wie im einzelnen nicht die
Spur einer gestaltenden Kraft fühlbar wird. Das
sind Lasten auf unserem Leben, riesengroß, drückend,
und warnend für alle Zukunft. Und wie wir heute
etwa in der deutschen Sozialpolitik forschend und
bessernd zurückgehen, nicht nur das zu heilen be-

strebt, was der Marxismus und die jüngsten Phasen
des Wirtschaftsliberalismus an Zerstörung der Volks-
gemeinschaft bewirkt haben, sondern immer weiter
uns zurücktasten, wo die Frühsünden des Kapitalis-
mus stehen, das erste Herausspringen des frechen
Rechengeistes aus der Gesamtverantwortung für Volk
und Land, um von da aus ein neues soziales Gefüge
auf der Grundlage lebensrichtiger Volksverbundenheit
aufzubauen — so werden wir im Neuen Reich auch
eines Tages daran denken müssen, unsere Städte
architektonisch durchgreifend zu revidieren, damit
frühliberalistische Scheußlichkeit nicht für ewige
Zeiten die Herzen bedrückt, die Geister lähmt. Viele
sehen diese Aufgabe heute noch nicht; aber wenn
erst einmal in den Herzen der Deutschen das volle
Wissen um deutschen Genius und neue Begriffe von
der Pflicht zur Form gewachsen sind, dann wird
auch diese Aufgabe in Angriff genommen werden.

Gedanken dieser Art sind es, die Paul Schmitthenner
durch seine Broschüre »Baukunst im Neuen Reich«
anregt. Das muß ihm aus vollem Herzen gedankt
werden. Aus ihm spricht Zukunft und neuer Mut. —
 
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