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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Der Wunschtraum vom Wintergarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0134
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INNEN-DEKOR ATI ON

»WINTERGARTEN« MIT VERSENKFENSTER

FUSSBODEN: »ADNETER ROTORÜN TROPF«

DER WUNSCHTRAUM VOM WINTERGARTEN

In der Seele jedes Kulturmenschen wohnt ein
Traum, den man den Traum vom Wintergarten
nennen könnte. Es ist der Wunschtraum, in den
Wintermonaten eine kleine Oase von blühenden Ge-
wächsen, immergrünen Bäumen und seltenen Pflan-
zen zu besitzen, in der man an trüben Tagen vom ewi-
gen Frühling der Mythen naschen kann. Selten findet
dieser Traum volle Verwirklichung. Wem erscheint
noch ein Doktor Faust, der ihm durch Zauberei die
Gärten der Hesperiden vortäuschen kann, wem schef-
felt Fortuna so viel Gold, daß er sich, wie die Fürsten
der Barockzeit, Orangerien, künstliche Lorbeerhaine
in Glashäusern für prunkvolle Feste leisten kann?
Meist schrumpft daher der Traum vom Garten im
Winter im Laufe eines Menschenlebens langsam aber
sicher zusammen. Was von ihm bleibt sind allenfalls
einige Blumentöpfe am Südfenster und eine beschei-
dene Kakteensammlung in einem Glaskasten, die
vereinsamte Seelen, wie Spitzwegs Hagestolze, treu-
lich hegen und pflegen, ist wohl auch ein Gummi-

baum, der aus einem Kübel vom blank gehöhnten
Linoleum zur Decke emporstrebt, um einem alten
Seebären seine Erinnerungen an tropische Wälder
wach zu erhalten. Aber geht es mit allen unseren
Träumen nicht ähnlich ? Und ist nicht selbst das be-
scheidenste Überbleibsel eines Traumes in unserer
Seele immer noch wertvoller, als eine kühle Leere im
Herzen, die in unserem Falle nur noch Telephonge-
spräche mit Blumengeschäften kennt, wenn es gilt,
das Heim für fremde Augen aufzuputzen.

Die Wintergärten waren einst, ehe Flugzeug und
Auto den Menschen in Hast und Unruhe verstrickten,
ein allgemein beliebter Luxus, sie waren den wohl-
habenden Villenbesitzern geradezu eine modische
Verpflichtung. Feine Leute hielten sich ein englisches
»Greenhouse« und sehr reiche sogar ganze Orchideen-
Landschaften, auf denen man vom Speisesaal aus
wohlgefällig seine Augen weiden lassen konnte.

Die Wandlungen der letzten Dezennien, allen
gläsernen Herrlichkeiten ungünstig, brachten dem
 
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