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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Reschovsky, Edwin: Kleine Romantik
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0172
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156 INNEN-DEKORATION

architekt prof. willy erb—münchen

»entwurf zu einer atelierwohnung«

KLEINE ROMANTIK

Die Entwicklung der Beheizungs- und Beleuch-
tungsmittel unserer Wohnräume bringt eine im-
mer weitergehende Verdrängung des Feuers und der
offenen Flamme durch die Mittel der modernen Tech-
nik mit sich. Von der offenen Feuerstelle, dem frühe-
ren Mittelpunkt des Hauses, dem Sitze der Hausgöt-
ter, führt die Linie der Entwicklung über den Kachel-
ofen, der das Feuer einschließt, zum elektrischen
Heizkörper, der Wärme gibt ohne jeden Feuerschein,
sie führt von der leuchtenden Flamme des Kienspans
bis zum glühenden, glasumschlossenen Platinfaden
der elektrischen Birne.

Aber durch Gefühle romantischer Natur ist der
Mensch von heute inmitten eines technisch hochent-
wickelten Apparates den primitiven Beheizungs- und
Beleuchtungsmitteln der Vergangenheit verbunden,
bei welchen noch das Feuer in seiner elementaren,
dämonischen Schönheit in Erscheinung tritt.



Von dieser Romantik des Feuers bezieht der Ka-
min seine unverwüstliche Lebenskraft, er ist heute
noch für viele die Guckkastenbühne, in deren Rah-
men sie, vom bequemen Lehnsessel aus, den schaurig-
schönen Tanz des Feuers, das Zucken des Licht-
scheins, das Glosen und Glimmern der Holzscheite
genießen; ein Stück wilde, ursprüngliche Natur und

dabei doch sicher und ungefährlich auf den Raum der
Kaminnische begrenzt. Bei aller Modernität kommen
wir vom Kamin nicht los, und selbst den Radiator und
den Dauerbrandofen neuester Konstruktion stellen
wir in eine kaminartig ausgebildete Mauernische.



Von der Romantik der offenen Flamme lebt auch
bis heute noch die Kerze, alle Errungenschaften der
modernen Elektrotechnik vermochten nicht, ihr den
Lebensodem auszublasen. Unausgesetzt schafft das
moderne Kunstgewerbe für sie Leuchter aus Silber,
Messing, Nickel und Terrakotta, für den Kamin, für
den gedeckten Tisch, für das Toilettentischchen der
Dame. Sie lebt, die einfache Kerze, trotz aller Voll-
endung moderner Beleuchtungstechnik, sie lebt von
der Romantik der offenen Flamme, des vom leisesten
Windhauch bewegten Flammenkegels, seinen wei-
chen, verschwimmenden Schatten.



Wie freuten wir uns doch vor einigen Jahren an
den niedlichen Taschenfeuerzeugen, die erfindungs-
reiche Konstrukteure für unsere Westentasche er-
dachten. Aber sie alle vermochten das einfache Zünd-
holz nicht zu verdrängen; es hat sie alle überdauert,
ein winziger Kienspan, dessen Romantik immer wie-
der aufflackert in unserem Alltag, edwin reschovsky
 
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