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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Höfer, Werner: Zwiesprache zwischen Mensch und Raum
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0246
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230

INNEN-DEKORATION

rolf distel »kaminplatz«

»herrenzimmer« haus k. e.

Arznei zu wirken vermag, die den Ausgleich der
seelischen Temperatur wiederherstellt. Kommt solch
ein Raum zustande, ist sein Schöpfer ein Künstler
und sein Bewohner ein lebenslang Beglückter.

Die Voraussetzungen, die zu diesem Urteil hin-
führen, sind aus Distels hier gezeigten Räumen ab-
zulesen. Dieses Urteil selbst erhält Bestätigung und
Bewährung, wenn man an die Menschen denkt, um
die herum hier eingerichtet werden mußte. In beiden
Fällen ist es ein Kaufmann: wohlhabend, interessiert
und sehr beschäftigt.

Die Räume sind von einer edlen, selbstsicheren
Repräsentation, obwohl sie nicht groß sind und nicht
pompös. Aber die großzügige Ruhe der Formen sorgt
für Würde und eine leise Feierlichkeit. Die reiche
Stufung der Farbwerte, die überraschende Kühnheit
in ihrer Auswahl und die unbestreitbare Richtigkeit
ihres Beieinanders tränken den Raum mit ganzen
Bündeln von Schwingungen und Spannungen.

Das Herrenzimmer bei Dr. L. (Abb. S. 232 oben):
Vor rehfarben bespannten Wänden dunkel gemaserte
Nußbaumschränke und der weiß geputzte Kamin
— ein Raum der Zuflucht und des Rückzugs. Ent-
weder hat man den Garten vor dem Blick oder den
bunt besäten raumweitenden Rundhorizont, den die
verhängte Fensterfront des Speisezimmers abgibt.

Die Schlafzimmer (Abb. S. 234 u. 235): Das des
Mannes klösterlich und leer, der Ruhe und Samm-
lung dienlich. (Luxus ist im Badezimmer eher ange-
bracht als im Schlafraum.) Kargheit ist zum Schlafen
gerade genug. — Das der Dame natürlich süßer und
zärtlicher, der fragilen und feinnervigen Herrin ge-
mäß. Wunderschön das Bett: kein Sarg und kein
Gestell — was man oft heute aus Betten macht —,
sondern eher eine Wiege. Weich, klingend und ver-
liebt in der Führung der Linien. Die Farbenskala ist
von raffiniertester Delikatesse: Silber gegen Flieder
und Rose. Keine Farben, sondern gepuderte Töne.
Für die Dame, der dieser Raum angehört, wie eine
Spiegelung ihrer Psychologie.

Das Herrenzimmer bei Herrn K. E. (Abb. S. 230
u. 231): Mehr ein Männerzimmer, ein Rittersaal
en miniature et ä la vingtieme, gut zum Gefecht mit
gescheiten Worten und ausgeklügelten Cocktails.
Möbel und Stoffe und das geringste Ding sind aus-
erlesen und kostbar. Trotzdem kommt aber keine
kalte Pracht zustande, sondern nur ein klug und
zweckmäßig gebändigter Komfort, den die Bewoh-
ner dieses Hauses brauchen und verdienen.

Diesen Bedingungen gehorchend, ging Distel ans
Werk, immer darauf bedacht, daß die Wohnung der
seelischen Struktur der Bewohner entspricht. — w. h.
 
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