Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

DOI article:
Wieszner, Georg Gustav: Das Bild an der Wand
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0374
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
358 INNEN-DEKORATION

MAX W1EDERANDERS —MÜNCHEN

DOPPELBETT IN NUSSBAUMHOLZ

DAS BILD AN DER WAND

Die zärtlichen Verwandten denken an ein Hoch-
zeitsgeschenk; nur etwas spät, aber es ist noch
Zeit, in die Stadt zu gehen und »etwas« zu kaufen,
etwas Schönes! Ein Bild ist »etwas Schönes«, und es
gibt solche in allen Preislagen. »Schicken Sie das mor-
gen mit unserer Karte an N. N.!« Und schon ist das
Unglück geschehen.

Oh, wie schön sind Blumen! Sie verwelken, und
niemand verlangt, daß sie getrocknet aufgehoben
werden, aber »sein« Bild sucht der Verwandte an der
Wand, wenn er zu Besuch kommt, und je nach Ver-
wandtschaftsgrad sogar an bevorzugter Stelle.

Und doch ist gerade das Bild entscheidend über die
Stimmung im Raum, so absolut entscheidend oft, daß
es das Allerpersönlichste der Bewohner sein sollte,
denn sie müssen mit ihm leben, es ertragen. Ein Bild
kann das Gleichgewicht der Menschen im Raum stö-
ren, ihren Charakter beeinflussen.
Also kein Bild?

Grob gesprochen: Ja! Zuerst einmal kein Bild!
Wenigstens nicht in dem Raum, in dem bei heutiger
Wirtschafts- und Wohnungsnot der Mensch so lange
und in so enger Fühlung sein muß. Ich rede nicht von

den großen Salons mit ihren repräsentativen Aufga-
ben, ich rede von den engen vier Wänden des Alltags.

Jeder Mensch sollte sich mit dem ihm zugefallenen
Raum auseinandersetzen müssen. Da ist zuerst die
Farbe der Tapete wichtiger als das Bild, die Stellung
eines Möbels entscheidender als der Schmuck. Man
lasse aber Fläche für das Bild und bekomme Sehn-
sucht nach dem Bild!

Das Bild ist vorerst einmal eine sentimentale oder
eine dekorative Angelegenheit.

Über die sentimentale läßt sich nicht rechten. Wer
seine Tante liebhat, warum sollte er nicht ein Bild
von ihr an der Wand haben, selbst wenn es kein
»gutes« Bild im ästhetischen Sinn ist? Hier ist die
Region der Pietät, die sich bis zur Religion und den
religiösen Darstellungen steigert. Solche Darstellun-
gen können schön sein auch für andere, ihr Wert aber
wird einzig vom Gefühl des Besitzers bestimmt, ist
»Gebrauchswert« im besten Sinne. — Wer eine Land-
schaft liebhat, warum sollte er nicht gewissermaßen
ein Fenster öffnen in seiner Wand, in dem gerade
diese Landschaft sich auftut?

Etwas anderes ist es mit dem Bild ohne direkte
 
Annotationen