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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Bolz, Wilhelm: "Selbstaufhebung des Architekten?"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0397
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INNEN-DEKORATION

381

BERNHARD PFAU »AUS EINER MIETWOHNUNG«

NUSSBAUMHOLZ, TEPPICH: BEIGE, SOFA: BRAUN

derts, nach der Überwindung des Jugendstils, in den
abstrakten Intellektualismus. Seine Auswirkungen
finden wir heute in allen künstlerischen und kunst-
gewerblichen Berufen und nicht etwa bloß bei den-
jenigen Architekten, von welchen gesagt wird, daß
sie sich durchgesetzt hätten und nun allmählich in
eine für sie nicht ganz angenehme Situation hinein-
geraten seien. Denn Hand aufs Herz! Was haben wir
eigentlich durchgesetzt? Seien wir ehrlich: Wir haben
mitgeholfen, den Intellektualismus zu festigen und
mit Hilfe der Industrialisierung in die Baukunst
hineinzutragen, und sind heute dadurch im Entwurf
und in der Formgebung fast restlos von den industriell
hergestellten Baustoffen abhängig geworden. Diese
und die Maschine diktieren heute die preiswerte und
billige Form. Aufgegeben haben wir in uns den Archi-
tekten im ursprünglichen Sinne, und durchgesetzt
haben wir als Techniker die reine intellektuelle
Form, und wir sind so ehrlich, zu sagen, daß dies
keine »Kunst« ist.

Und wie ist das möglich geworden? In unserer
Selbstvergessenheit, anderen zu dienen, kämpften wir
mit Recht - das gar nicht angezweifelt werden soll -
einen mutigen Kampf gegen muffige Fassaden- und
Gardinenherrschaft, gegen die Restbestände eines
überlebten Bauens und Wohnens, gegen Vorurteil

und Ungeschmack. In der Hitze des Gefechtes haben
wir aber zugleich das Kind mit dem Bade ausge-
schüttet, denn indem wir ausgemerzt haben die deka-
denten Formen vergangener Stiläußerungen und die
sinnlosen Ornamente, haben wir den schöpferischen
Gestaltungstrieb, der nicht an die Verstandeskräfte
gebunden ist, mit über Bord geworfen. Wir mußten
entdecken, daß im Spieltrieb des Kindes schöpferische
Kräfte wirkten, die auf der Kindheitsstufe der frühe-
ren Völker diese zu höchsten Kunstleistungen befä-
higten, daß aber in unserer Zeit die materialistische
Denkweise des Intellektualismus diese kulturtra-
genden Kräfte nicht mehr erkannte. In der Not der
Stagnierung des äußeren Lebens, in der Not des dro-
henden Kulturunterganges ruft unsere Zeit wieder
nach den schöpferischen Gestaltungskräften, die
keimhaft im Menschen veranlagt sind und wieder zum
Durchbruch kommen müssen. Es sind die gleichen
Kräfte, die in der Natur wirken und im Menschen,
als einem Teile der Natur, weiterwirken. Aus diesem
schöpferischen und natürlichen Entwicklungsprozeß
kann sich der Mensch auf dem Weg über das natur-
wissenschaftliche Denken herauslösen und in die
Sackgasse des Intellektualismus hineingeraten. Er
kann aber auch mit Hilfe eines konkreten Wissens
um das Menschenwesen sich auf sich selbst besinnen
 
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