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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 48.1937

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Michel, Wilhelm: Allerlei Weisheit von Möbeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.10944#0072
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INNEN-DEKO RATION

emmerich revesz-w1en »empfangsraum und speisezimmer« wohnhaus h.

Bedürfnisse des Menschen bestimmen wollen, gilt
unser Wort: »Der Mensch ist immer mehr als er von
sich weiß.« Immer ist noch andres in ihm, als uns die
augenblickliche Einsicht zeigt. Immer paaren sich in
ihm Wunsch und Gegenwunsch, Motiv und Gegen-
motiv; immer entdeckt eine neue Zeit Dinge und
Bedürfnisse in ihm, von denen die frühere sich nichts
träumen ließ. Kein Bild vom Menschen ist so reich
wie der Mensch selbst. Das heißt insbesondere: Kein
Bild vom Menschen ist vollständig, das nur vom
nüchternen Rechengeist und nicht auch vom unmittel-
baren gemüthaften Empfinden geschaffen wurde. Im
weiteren Sinn gilt dies auch für unser ganzes Be-
greifen der Welt. Kein Geringerer als Justus Liebig,
der Mann strengster Wissenschaft, hat das ausge-
sprochen: »Wenn das Weltall und unsere Erde je in
die Gewalt einer Macht käme, deren Weisheit, Wissen
und Einsicht nicht höher wäre, als wir Menschen
fassen und begreifen können - dann wäre mein heiße-
ster Wunsch, aus solcher Welt heraus und an einem
sichreren Orte zu sein.«



Möbel sind Besitz, und vor allem Besitz erhebt sich
für den Menschen die Aufgabe, sich richtig zu ihm
einzustellen. Daß die landläufige Anschauung: »Je
mehr Besitz, desto mehr Glück« nicht mit der Wirk-
lichkeit übereinstimmt, haben aufgeschlossene Men-

schen seit je begriffen. Freilich gehört zu einem voll-
menschlichen Dasein Besitz. Das Ideal der Besitz-
losigkeit, wie es in östlicher Welt, gelegentlich auch
'bei den Griechen oder bei asketischen Sektierern
Europas erwuchs, ist im Kern uneuropäisch. Denn
es steht im Widerspruch zu dem Grundstreben des
Europäers, die Umwelt und die Welt überhaupt mit
aktivem Geist zu gestalten, sich selbst in einer plasti-
schen Dingwelt auszuprägen. Aber wenn Goethe die
Weisung gibt: »Sich ins Einfache retten!«, wenn Ina
Seidel geradezu meint: »Besitz ist Last, und ihn zu
vermindern, eine der harten Wohltaten Gottes« - so
liegt darin eine Wahrheit. So viel Segen von einem
wesensentsprechenden, sinnvollen Besitz ausgehen
kann, so lebenstörend und lastend ist jede verzettelte,
unorganische Zusammenhäufung von Gütern. Der
Mensch muß durch alle Habe noch durchklingen
können! Wo das in Gefahr steht, kann es Pflicht wer-
den, nach dem Wort des deutschen Mystikers Heinrich
Seuse zu handeln, der da sagte: »Ein gelassener (ver-
wesentlichter) Mensch soll nicht allezeit darauf sehen,
wessen er bedarf, er soll darauf sehen, was er ent-
behren kann.« Und über allem Haben und Nicht-
haben leuchte uns das schöne Wort: »Wer sich neidlos
freuen kann, dem ist alles ebenso und mehr zu eigen
als seinem Eigentümer; denn zu ihm kommt die
Seele von allem.« - Wilhelm michel-darmstadt
 
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