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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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Michel, Wilhelm: Wir passen uns an
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0112
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98

INNEN-DEKORATION

Foto: ECowaluki

landhaus o. kh. in garches bei paris »gartenterrasse« entw. architekt otto bauer

sondern allein die Art, wie wir uns menschlich mit
ihm einrichten. Von da aus begreifen wir nämlich am
besten, daß keinerlei äußere Zuständlichkeit uns ab-
halten kann, aus unsrer Wohnung mit Geschmack
und Nachdenken etwas Schönes zu machen. Da
möchte ich von einer kleinen scherzhaften Erfahrung
mit meinem Bett reden. Es hatte in der alten Woh-
nung seinen Platz zur Seite des Fensters. Die Morgen-
luft kam kühl und frisch herein, und wenn ich im
Bett morgens die Zeitung las - möge man mir dieses
Sybaritentum verzeihen! - oder wenn ich einmal
zwei Tage lang eine kleine Grippe oder einen Hexen-
schuß auszukochen hatte, fiel das schönste Licht auf
Buch und Arbeit. Eine neue Wohnung brachte Ver-
änderung. Mein Bett bekam einen Platz, dem eine
tiefe Fensternische das unmittelbare Tageslicht ver-
knappte. Wie unsympathisch ! Aber gleich am zweiten
Morgen merkte ich einen großen Vorteil. Hatte in der
alten Wohnung der früheste Tagesschein im Sommer
mich schon geweckt, daß ich brummend herauskroch,
um den Laden zu schließen, so schlief ich jetzt ge-
schützt und ohne Aufwachen bis zur rechten Stunde
(welches diese ist — nein, ich sage es nicht). Wie oft

hatte ich in der alten Wohnung die Frage des idealen
Bettplatzes erwogen, die ja nicht leicht zu lösen ist
unter den Voraussetzungen, die für mich vorlagen;
nämlich daß man nur bei offenem Fenster schlafen
mag und doch empfindlich ist gegen das frühe Mor-
genlicht. Bis zum elektrischen Rolladenschluß vom
Bett aus hatten sich meine Gedanken verstiegen.
Jetzt bot mir die Wirklichkeit, der Zufall wenigstens
eine annehmbare Teillösung an. Durch solche Erfah-
rungen bekommt man Mut, vor keiner unerwünsch-
ten Einzelheit in der Wohnung zu kapitulieren. Jede
Gegebenheit der Räume läßt sich durch richtige Be-
arbeitung zu einem Vorteil wenden. Wir haben unsre
Anpassungsfähigkeit nicht, um uns mit Falschem
oder Unwürdigem in der Wohnung abzufinden, son-
dern um eins der hundert Mittel anzuwenden, die in
jedem solchen Fall zur Verfügung stehen, um aus
einem Mangel einen Gewinn zu machen. Um noch
einmal den Fall einer unvermeidlichen Raumenge
vorzunehmen: unbearbeitet eine arge Störung, wird
sie in rechter Behandlung zu einer Quelle reinsten
Genusses. Wer kennt nicht den Reiz, den eine gut-
gestaltete Schiffskabine ausübt? - Wilhelm michel
 
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