Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

DOI Artikel:
Schönheit und Zweckbindung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0205
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNEN-DEKORATION

191

Wenn die Hausfrau im Falle eines Besuches ihr sich selbst bringen; es will ihm die alte, ewig neue
künstlerisches Tischgerät Verwendet, so will sie dem Wahrheit zu Gemüte führen, daß er nur da ein volles
Gast keineswegs bloß ihren Besitz zeigen, sondern Leben hat, wo das Elementare und das Geistige, das
sie will ihn in eine heitere, nur sich selbst genügende Nützliche und das Freie zugleich zur Geltung kom-
Lebendigkeit führen, die ihm sein Dasein echt und men. Und wollen wir bei dieser Gelegenheit nicht
glücklich zu spüren gibt. Und auch sie selbst wird, wieder einmal daran denken, was das Wesen der
falls sie sich vorher sorgte und quälte, durch die Schönheit ausmacht ? Wollen wir uns nicht daran
schönen Dinge in eine fröhliche Lebensstimmung ge- erinnern lassen, daß Schönheit (mit dem Worte
hoben. Nicht die Illusion von Besitz und Reichtum »scheinen« verwandt) das Durchscheinen des Geisti-
bewirkt dies, sondern die sichtbare Gegenwart edler gen im Stofflichen ist, das Durchsichtigwerden der
und kostbarer Gegenstände, welche stets im emp- dunklen Materie für das obere Licht, für Gesetz und
fänglichen Menschen das Edle und Wahre wecken, Maß, Sinn und höhere Bedeutung? Und daß nur da
anrühren, das ihm selber eigen ist. Das Kunstwerk von echter Kultur geredet werden kann, wo diese
in Gestalt des Gebrauchsdinges will den Menschen gegenseitigen Durchwirkungen sich echt und täglich
entzwecken, d. h. über die blinde Befangenheit in der ereignen, als Fakta, und wo nicht nur ein Wissen
Welt des bloß eben Nützlichen hinausheben — nicht Von ihnen und eine museale Wertschätzung für sie
in eine illusionistische Sphäre, sondern dahin, wohin vorhanden ist? - Museale Wertschätzung! Da meldet
er von Rechts wegen gehört. Ist es ein Zufall, daß in sich ein ketzerischer Gedanke: Liegt nicht auch ein
alten Zeiten, die nur gute, echte Gebrauchsdinge gleichsam hintennach geschehender Verstoß gegen
kannten, auch der Mensch echter und vollwertiger die Lebens- und Zweckbindung von schönen dienen-
war? Ihm war Leben und Arbeiten nicht getrennt den Dingen darin, daß wir sie unbedenklich aus ihrem
von den höheren Bezügen des Daseins; er hing, wie Lebenszusammenhang herausreißen und sie museal
seine Hausform, wie sein achtsam gestaltetes Ge- aufbahren ? Alte Kultbilder in Sammlerwohnungen ?
brauchsgerät, innerlich zusammen. Er kannte nicht Ehrwürdige bäuerliche Prunktruhen in städtischen
eine entgeistete Sachlichkeit und ebensowenig ein Dielen ? - Es sollte uns nicht so selbstverständlich
mit den Zwecken verfeindetes Ästhetentum. Durch- sein, wie es uns ist! Die Lebensbindung auch der
saftet, durchblutet war er selbst wie alles, was ihn alten Dinge sollte uns viel wichtiger werden, ja, wir
umgab; Natur und Geist, Zweck und Freiheit hatten sollten sie, wo es angeht, aus der Haft der Museen
in seiner Welt überall richtige Begegnungen. Und an befreien und sie wieder zurückverpflanzen an ihre
solche volle Lebendigkeit will uns das schöne Ding wahren Standorte - und dadurch unsre Kraft zumNeu-
immer wieder erinnern. Es will den Menschen zu schaffen museumswürdiger Dinge neu entflammen!

Aufnahmen :
J. C. Klinkosch

»WEINKRUG« SILBER. - ENTW. PROF. OSWALD HAERDTL—WIEN
 
Annotationen