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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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Neubau der Reichs-Kredit-Gesellschaft
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Ordnung zu stiften
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0257
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INNEN-DEKO RAT ION 243

I

REICHS-KREDIT-GESELLSCHAFT A.-G. »VORHALLE« BLICK ZUR KASSENHALLE

Das ganze Haus ist mit einer Klima-Anlage der
Lufttechnischen Gesellschaft versehen. Das Werbe-
wort: »Frische Luft? Ja, aber nicht durchs Fenster«,
ist an dieser Stelle, im Zentrum der Geschäftswelt und
des Verkehrs, mit seinem Lärm und seiner schlechten
Luft durchaus berechtigt. »Air-conditioned« ist hier
ebenso wie in New York kein übertriebener Luxus,
sondern eine Voraussetzung für optimale Leistungs-
entfaltung. Der Zweifler möge an einem »schönen,
warmen« Sommertage zu seiner Belehrung einmal
den weichwerdenden Asphalt der Friedrichstraße
entlanggehen und die »Atmosphäre« des Verkehrs-
stromes in sich aufnehmen!

Die Klima-Anlage übernimmt vollautomatisch im
Winter die Heizung, im Sommer die Kühlung, reinigt
die angesogene Luft, die sie zugleich auf einen be-
stimmten Feuchtigkeitsgrad reguliert. Das Haus
schafft sich sein eigenes Klima: es liegt in einer un-
verändert gemäßigten Zone.

Die Wandverkleidung aus deutschem Marmor in
der Vorhalle, dem Treppenhaus und der Kassenhalle,
die Türbeschläge und Leuchter aus Leichtmetall be-
weisen, daß wir repräsentative Räume aus einheimi-
schen Stoffen zu gestalten durchaus in der Lage sind.

ORDNUNG ZU STIFTEN und alle Dinge auf die in
ihnen enthaltene Ordnung anzuschauen, ent-
spricht einem menschlichen Grundtrieb. In ihm will
der Geist zu seinem Rechte kommen. Er hat ein Ur-
verhältnis zum Zählen und Messen; er zerlegt, um zu
begreifen, er baut ein Ganzes aus meßbaren Einheiten
auf und hat eine Freude an deren rhythmischer Wie-
derholung. Wenn jüngst Albrecht Schaeffer im
Aphaiatempel auf Aegina ein polyphones Gefüge von
Zahlen als geistiges Grundgerüst der Konstruktion
aufgefunden hat, so liegt das auf einer Linie, die wir
seit langem kennen: Zahlenverhältnisse als Ent-
stehungs- und Erkenntnisgrund baulicher Gestaltung.
Die Entdeckung der Zahl und die Freude an ihr ist
vielleicht gleichzeitig mit der Selbstentdeckung der
menschlichen Vernunft; und die gesamte eigentliche
Menschenwelt beruht auf dem damit einhergehenden
Wagnis, dem Zählen und Messen, dem Einteilen und
Gliedern kühn zu vertrauen als einem Weg zur
objektiven Bestandswahrheit der Dinge. »In zal, in
maaß und in gewicht / al ding von Got seyndtt zue-
gerichtt«, sagte ein alter deutscher Rechenmeister,
und darauf beruht unsre Möglichkeit, die Wirklich-
keit nicht nur zu leben, sondern sie auch zu denken.
 
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