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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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Schönheit als "Wert"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0338
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INNEN-DEKORATION

schüttung die Werte wieder auf und ordnen sich
feierlich nebeneinander. Und da tritt auch der Wert
Schönheit in sein selbstverständliches Recht.

Das angeführte Wort von Morris beleuchtet dieses
Recht. Es stellt gegenüber: - wenn es um der Schön-
heit willen und nicht zum Zweck der Schaustellung
geschieht. Schaustellung — das ist kein lebensrich-
tiges Einsetzen des Wertes Kunst und Schönheit.
Aber Freude am Schönen: darin bekundet sich ge-
sundes Menschentum. Im Mißbrauch der Schönheit
zum Zweck des bloßen Schaustellens zeigt sich ge-
brochenes Menschentum, Reflexion auf das leere,
geltungssüchtige Ich. Aber am Anblick des Schönen
wachsen und reifen, sich stillen und erhöhen an
hoher Form, das geht den ganzen und gesunden
Menschen an. Was ist denn Schönheit andres als —
und hier kommen wir erst eigentlich auf ihren
»Wert« - als der Fall des großen Zusammenkom-
mens von Stoff und Bedeutung, von Geist und
Materie! Der feierliche Augenblick, da Natur (als
Werkstoff) und Gedanke einander liebend begegnen,
sich versöhnen und sich wechselseitig in ihrer Zu-
ordnung erkennen! Das war der Sinn, in welchem

ein Schiller, ein Schelling, ein Hölderlin von der
Schönheit und gar der »Ewigen Schönheit« zu reden
wußten. Haß und »Häßliches« entstehen da, wo das
zueinander Geordnete sich feindlich trennt, wo Stoff,
Zweck, Verfahren als unbewältigte Widerstände gel-
tend werden und der Geist zu schwach oder zu eng-
herzig ist, um seine Ordnung in der Materie durch-
scheinen zu lassen. Weil die liebende Begegnung
von Geistigem und Stofflichem die Grundlage aller
Schönheit ist, deshalb lagen für unsre großen Denker
die Begriffe Schönheit und Liebe nahe beieinander;
und aus dem gleichen Grunde galt ihnen das Schöne
der Kunst stets als der Sieg des positiven, gesunden
Menschentums über das Chaos. Denn auch im Men-
schen handelt es sich stets darum, daß Geistiges und
Naturhaftes in seinem erfüllten Sein zusammen-
kommen, nicht als Gegner, die sich tückisch be-
kriegen, sondern als Hausgenossen, die sich in ihrer
urgestifteten Freundschaft liebend erkennen. Aus
diesem Denken entstand das Wort unsrer Klassik
vom »Schönen Menschen«. Das war für sie der
Mensch der totalen Verwirklichung, der Mensch in der
Harmonie seiner sämtlichen Kräfte und Gaben. -
 
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